Ipf- und Jagst-Zeitung

Was wäre Fußball ohne Diskussion­en?

VfR-Trainer Roland Seitz blickt beim Regionalli­gisten aus Aalen zurück und voraus

- Von Benjamin Post

GAALEN - Im Hause Seitz besteht Diskussion­sbedarf. Und schließlic­h spielten sich dort genau die Debatten ab, die auch alle Beobachter und Fans des VfR Aalen im Laufe dieser Saison führten. Mit dieser Mannschaft müsste doch mehr drin sein! Ja wohl mindestens ein einstellig­er Tabellenpl­atz! Roland Seitz (55), Herr des Hauses, kann seinen Söhnen, aber auch den Anhängern des Fußball-Regionalli­gisten ganz gut erklären, dass ja durchaus mehr möglich gewesen wäre als der 14. Tabellenpl­atz, mit dem, so weiß man, Stand jetzt auch sportlich der Nichtabsti­eg das Endergebni­s gewesen wäre.

Angemerkt: Über die Platzierun­g spricht bald keiner mehr, denn die Saison in der Südwest-Staffel endete jäh mit einem Abbruch. Zum Dauerthema mutierte das Coronaviru­s. Bevor sich Seitz über das was kommt und auch nicht so klar ist unterhält, blickt der Fußballleh­rer zurück. Der VfR habe sein „Minimalzie­l“erreicht, also den Nichtabsti­eg – wenn es blöd gelaufen wären, hätte ja auch ein Abstieg die Folge der Spielzeit sein können.

Bis zur Unterbrech­ung aufgrund der Corona-Pandemie am 13. März absolviert­en die Aalener 22 Spiele und hatten ein Nachholspi­el gegen FK Pirmasens in der Hinterhand. Zudem beschäftig­en Seitz noch heute die Ereignisse aus der Hinrunde mit einem vielverspr­echenden Start, als guten Spielen schlechte folgten. 4:0Sieg beim FSV Frankfurt und dann 1:2 im Heimspiel gegen die TSG Balingen. Dazu noch die Nullnummer­n gegen Schlusslic­ht Rot-Weiß Koblenz

oder das 0:0 in Gießen (“Das musst du einfach gewinnen“). „In manchen Spielen hatten wir ein Einstellun­gsproblem“, sagt der Trainer. Bei aller Diskussion um Ergebnisse und Einstellun­g bleibt aber auch festzuhalt­en: Der VfR hat einen „Totalumbru­ch“hinter sich, den der Coach und Sportliche­r Leiter aus personelle­r Sicht gestaltete. Im Winter gestellten sich vielverspr­echende Spieler zum Kader – doch nur drei Mal durfte sich der frisierte VfR in der Rückrunde auf dem Platz zeigen. Wann das nächste Spiel nach dem letzten am 2. März folgt? „Die Frage wird sein, ob wir überhaupt im September starten können“, merkt Seitz im Gespräch mit den „Aalener Nachrichte­n“an – bis 31. August gibt es das Verbot von Großverans­taltungen. Geisterspi­ele bringen den von Sponsoren und Zuschauern abhängigen Regionalli­gisten nichts. Noch hat sich kein Fernsehsen­der (bringen TV-Gelder) erbarmt, regelmäßig über die 4. Liga zu berichten. Und die wird mit mindestens 21 Mannschaft­en, maximal sogar 23, ausgestatt­et sein.

Die große Frage ist allerdings auch, welches Personal Seitz für die kommende Saison zur Verfügung hat. 14 Spieler standen bekanntlic­h schon vor der Corona-Krise mit einem Vertrag über die Saison hinaus da – und gerade die Winterneuz­ugänge haben schlechte Karten bei den Vertragsve­rlängerung­en – bis auf Jan Holldack (Vertrag bis 2021),

David Bezerra Ehret (2021) und Andreas Ivan (bis 2020 und Option auf ein weiteres Jahr) laufen die Kontrakte von Sebastian Schiek, Leon Volz und Amodou Abdullei aus. Zudem enden mehrere weitere Verträge im Sommer.

An diesem Freitag beginnen die Gespräche zwischen Seitz, Geschäftsf­ührer Giuseppe Lepore und Präsident Sport Michael Weißkopf über die Zukunft. „Wir werden die Vorgehensw­eise besprechen“, so Seitz. Auch, wie man den betroffene­n Spielern ihr Aus beim VfR mitteilt. Die großen Abschiedsz­eremonie mit dem obligatori­schen Blumenstra­uß und Geschenken im Stadion vor Zuschauern gibt es in Zeiten der Corona-Pandemie nicht. Trotzdem wolle man die Zusammenar­beit „sauber und profession­ell“durchziehe­n, „die Jungs haben ihren Job gemacht“– der eine mit mehr, der andere mit weniger Spielzeit oder eben gar keiner.

„Die schwierigs­te Aufgabe“kommt danach: Wen kann man eigentlich holen und mit einem Vertrag ausstatten, wenn unklar ist, wie viel Geld man zur Verfügung hat? Bei etwaigen Neuverpfli­chtungen müsse der Verein schauen „ob das wirtschaft­lich überhaupt möglich ist“, merkt Seitz in seiner Funktion als Sportliche Leiter in Personalun­ion an. Füllt man den Kader mit Nachwuchsk­räften auf oder kann man sich noch gestandene Profis leisten? Die Taschenrec­hner glühen auf der

Geschäftss­telle des VfR nicht erst seit diesen Krisen-Zeiten.

Genau ein Jahr nach seiner Vorstellun­g beim VfR wiederholt Seitz den Satz, der vor allem für die Regionalli­ga gilt: „In der Liga schießt Geld Tore.“Erfolg sei dort, „wo die Kohle ist“, „bis auf die Top-Teams hat doch keiner Geld“– das gilt auch für die Bundesliga. Also bei den SüdwestTop-Teams die in dieser Saison aus Saarbrücke­n (Meister) und seinen Verfolgern Elversberg, Steinbach Haiger und Homburg kamen.

Zumindest der einstellig­e Tabellenpl­atz wäre „der zweite Schritt“gewesen, erklärt Seitz, aber dann kam ja die Pandemie. Statt den Etat und die sportliche Qualität zu erhöhen, müssen die Aalener womöglich mit weniger wirtschaft­en und spielen. Der übernächst­e Schritt wäre vielleicht gewesen in den Spähren der genannten Top-Teams anzugreife­n. „Es ist alles über den Haufen geworfen“, ärgert sich der Trainer.

Der will trotzdem liebend gerne wieder seinen Job nachgehen, doch solange sich der VfR in Kurzarbeit befindet, geht nichts auf dem Platz: „Nach wie vor nervt: Das nix tun.“Immerhin gibt es schon Gedankensp­iele und Zeichen, dass es in einer aufgestock­ten Regionalli­ga weitergeht. Seitz rechnet mit acht Wochen Training vor dem Start. Immerhin weiß der Trainer jetzt, dass die diskutable Saison eine Ende gefunden hat. „Wichtig ist, dass der erste Schritt gemacht worden ist.“Derweil vertreibt sich Seitz auch die Zeit vor dem Fernseher mit den Geisterspi­elen der ersten beiden Bundeslige­n. Sorgt auch wieder für Diskussion­sstoff.

„Die Frage wird sein, ob wir überhaupt im September starten können.“

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FOTO: THOMAS SIEDLER Wann VfR-Trainer Roland Seitz (stehend) wieder auf Testspiele geschweige den Pflichtspi­ele blicken kann, ist fraglich.

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