Was wäre Fußball ohne Diskussionen?
VfR-Trainer Roland Seitz blickt beim Regionalligisten aus Aalen zurück und voraus
GAALEN - Im Hause Seitz besteht Diskussionsbedarf. Und schließlich spielten sich dort genau die Debatten ab, die auch alle Beobachter und Fans des VfR Aalen im Laufe dieser Saison führten. Mit dieser Mannschaft müsste doch mehr drin sein! Ja wohl mindestens ein einstelliger Tabellenplatz! Roland Seitz (55), Herr des Hauses, kann seinen Söhnen, aber auch den Anhängern des Fußball-Regionalligisten ganz gut erklären, dass ja durchaus mehr möglich gewesen wäre als der 14. Tabellenplatz, mit dem, so weiß man, Stand jetzt auch sportlich der Nichtabstieg das Endergebnis gewesen wäre.
Angemerkt: Über die Platzierung spricht bald keiner mehr, denn die Saison in der Südwest-Staffel endete jäh mit einem Abbruch. Zum Dauerthema mutierte das Coronavirus. Bevor sich Seitz über das was kommt und auch nicht so klar ist unterhält, blickt der Fußballlehrer zurück. Der VfR habe sein „Minimalziel“erreicht, also den Nichtabstieg – wenn es blöd gelaufen wären, hätte ja auch ein Abstieg die Folge der Spielzeit sein können.
Bis zur Unterbrechung aufgrund der Corona-Pandemie am 13. März absolvierten die Aalener 22 Spiele und hatten ein Nachholspiel gegen FK Pirmasens in der Hinterhand. Zudem beschäftigen Seitz noch heute die Ereignisse aus der Hinrunde mit einem vielversprechenden Start, als guten Spielen schlechte folgten. 4:0Sieg beim FSV Frankfurt und dann 1:2 im Heimspiel gegen die TSG Balingen. Dazu noch die Nullnummern gegen Schlusslicht Rot-Weiß Koblenz
oder das 0:0 in Gießen (“Das musst du einfach gewinnen“). „In manchen Spielen hatten wir ein Einstellungsproblem“, sagt der Trainer. Bei aller Diskussion um Ergebnisse und Einstellung bleibt aber auch festzuhalten: Der VfR hat einen „Totalumbruch“hinter sich, den der Coach und Sportlicher Leiter aus personeller Sicht gestaltete. Im Winter gestellten sich vielversprechende Spieler zum Kader – doch nur drei Mal durfte sich der frisierte VfR in der Rückrunde auf dem Platz zeigen. Wann das nächste Spiel nach dem letzten am 2. März folgt? „Die Frage wird sein, ob wir überhaupt im September starten können“, merkt Seitz im Gespräch mit den „Aalener Nachrichten“an – bis 31. August gibt es das Verbot von Großveranstaltungen. Geisterspiele bringen den von Sponsoren und Zuschauern abhängigen Regionalligisten nichts. Noch hat sich kein Fernsehsender (bringen TV-Gelder) erbarmt, regelmäßig über die 4. Liga zu berichten. Und die wird mit mindestens 21 Mannschaften, maximal sogar 23, ausgestattet sein.
Die große Frage ist allerdings auch, welches Personal Seitz für die kommende Saison zur Verfügung hat. 14 Spieler standen bekanntlich schon vor der Corona-Krise mit einem Vertrag über die Saison hinaus da – und gerade die Winterneuzugänge haben schlechte Karten bei den Vertragsverlängerungen – bis auf Jan Holldack (Vertrag bis 2021),
David Bezerra Ehret (2021) und Andreas Ivan (bis 2020 und Option auf ein weiteres Jahr) laufen die Kontrakte von Sebastian Schiek, Leon Volz und Amodou Abdullei aus. Zudem enden mehrere weitere Verträge im Sommer.
An diesem Freitag beginnen die Gespräche zwischen Seitz, Geschäftsführer Giuseppe Lepore und Präsident Sport Michael Weißkopf über die Zukunft. „Wir werden die Vorgehensweise besprechen“, so Seitz. Auch, wie man den betroffenen Spielern ihr Aus beim VfR mitteilt. Die großen Abschiedszeremonie mit dem obligatorischen Blumenstrauß und Geschenken im Stadion vor Zuschauern gibt es in Zeiten der Corona-Pandemie nicht. Trotzdem wolle man die Zusammenarbeit „sauber und professionell“durchziehen, „die Jungs haben ihren Job gemacht“– der eine mit mehr, der andere mit weniger Spielzeit oder eben gar keiner.
„Die schwierigste Aufgabe“kommt danach: Wen kann man eigentlich holen und mit einem Vertrag ausstatten, wenn unklar ist, wie viel Geld man zur Verfügung hat? Bei etwaigen Neuverpflichtungen müsse der Verein schauen „ob das wirtschaftlich überhaupt möglich ist“, merkt Seitz in seiner Funktion als Sportliche Leiter in Personalunion an. Füllt man den Kader mit Nachwuchskräften auf oder kann man sich noch gestandene Profis leisten? Die Taschenrechner glühen auf der
Geschäftsstelle des VfR nicht erst seit diesen Krisen-Zeiten.
Genau ein Jahr nach seiner Vorstellung beim VfR wiederholt Seitz den Satz, der vor allem für die Regionalliga gilt: „In der Liga schießt Geld Tore.“Erfolg sei dort, „wo die Kohle ist“, „bis auf die Top-Teams hat doch keiner Geld“– das gilt auch für die Bundesliga. Also bei den SüdwestTop-Teams die in dieser Saison aus Saarbrücken (Meister) und seinen Verfolgern Elversberg, Steinbach Haiger und Homburg kamen.
Zumindest der einstellige Tabellenplatz wäre „der zweite Schritt“gewesen, erklärt Seitz, aber dann kam ja die Pandemie. Statt den Etat und die sportliche Qualität zu erhöhen, müssen die Aalener womöglich mit weniger wirtschaften und spielen. Der übernächste Schritt wäre vielleicht gewesen in den Spähren der genannten Top-Teams anzugreifen. „Es ist alles über den Haufen geworfen“, ärgert sich der Trainer.
Der will trotzdem liebend gerne wieder seinen Job nachgehen, doch solange sich der VfR in Kurzarbeit befindet, geht nichts auf dem Platz: „Nach wie vor nervt: Das nix tun.“Immerhin gibt es schon Gedankenspiele und Zeichen, dass es in einer aufgestockten Regionalliga weitergeht. Seitz rechnet mit acht Wochen Training vor dem Start. Immerhin weiß der Trainer jetzt, dass die diskutable Saison eine Ende gefunden hat. „Wichtig ist, dass der erste Schritt gemacht worden ist.“Derweil vertreibt sich Seitz auch die Zeit vor dem Fernseher mit den Geisterspielen der ersten beiden Bundesligen. Sorgt auch wieder für Diskussionsstoff.
„Die Frage wird sein, ob wir überhaupt im September starten können.“