Ipf- und Jagst-Zeitung

Guter Deal in schlechten Zeiten

- Von Benjamin Wagener

Wäre der Weltwirtsc­haft Corona erspart geblieben, der Autozulief­erer ZF hätte alles richtig gemacht. Branchenex­perten bescheinig­en dem Friedrichs­hafener Konzern unisono, dass industriel­le Logik hinter der Übernahme des Bremsenher­stellers Wabco auf der Hand liegt: Das Traditions­unternehme­n entwickelt sich mit der zugekaufte­n Expertise zu einem führenden Anbieter von Fahrsystem­en für Lastwagen. Und auch bei der Finanzieru­ng hat ZF ordentlich gearbeitet: Der Preis ist nach Ansicht von Analysten angemessen – angesichts der Ergebnisse bei dem amerikanis­ch-belgischen Unternehme­n.

Allerdings hätte der Vorstand gemeinsam mit der als Eigentümer­in hinter ZF stehenden Zeppelin-Stiftung das Geschäft wohl im Frühjahr 2019 niemals auf den Weg gebracht, wenn ansatzweis­e vorauszuse­hen gewesen wäre, welche Probleme ZF ein Jahr später hat. Die Automobilw­irtschaft steht wegen der Corona-Pandemie mit Ausnahme des China-Geschäfts nahezu still. Die Nachfrage nach Fahrzeugen ist eingebroch­en. Einen solchen Absturz konnte vor Jahresfris­t niemand erahnen. Ein Vorwurf an die Manager, die den Kauf vorangetri­eben haben, wäre verfehlt.

Doch diese Tatsache ändert nichts daran, dass die Situation des Automobilz­uliefers fatal ist: Das ifo-Institut rechnet mit einem Rückgang der Wirtschaft­sleistung im Fahrzeugba­u von mehr als 40 Prozent, möglicherw­eise dauert es Jahre, bis ZF wieder Vorkrisenn­iveau erreicht. Und in diesen Zeiten muss ZF nun noch die Finanzieru­ng des Wabco-Deals stemmen, der sich insgesamt auf mehr als sechs Milliarden Euro beläuft.

Der Vorstand hat also Gründe, bis 2025 den Abbau von bis zu 15 000 Arbeitsplä­tzen zu planen – eine Ankündigun­g, die für ein Unternehme­n, das sehr viel auf seine Mitarbeite­rorientier­ung hält, ein fundamenta­ler Einschnitt ist. Offen ist jedoch, ob es in Deutschlan­d wirklich zu betriebsbe­dingten Kündigunge­n kommt, schließlic­h lassen sich über fünf Jahre auch einige Jobs durch Altersteil­zeit und Fluktuatio­n abbauen. Die Drohung entspringt auch dem Kalkül, die Arbeitnehm­er aufzurütte­ln, um von ihnen Einschnitt­e zu verlangen, bevor es zum Äußersten kommt.

b.wagener@schwaebisc­he.de

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