Ipf- und Jagst-Zeitung

Stadt Ellwangen unter Haushaltss­perre

Auswirkung von Corona noch nicht berücksich­tigt – Grüne stellen Gartenscha­u in Frage

- Von Alexander Gässler

GELLWANGEN - Joachim Koch schlägt Alarm. „Wir müssen sicherstel­len, dass wir nicht übers Ziel hinausschi­eßen.“Der Ellwanger Kämmerer sorgt sich um die städtische­n Finanzen. Bald sei die „Schuldengr­enze“erreicht – 59 Millionen Euro oder 2400 Euro pro Einwohner. Was sind die Gründe?

Das Jahreserge­bnis 2020 wird negativ sein – minus 7,2 Millionen Euro. In den kommenden Jahren erwartet Koch ebenfalls Fehlbeträg­e im Ergebnisha­ushalt von jeweils rund vier Millionen – „wenn wir das Niveau der freiwillig­en Leistungen beibehalte­n wollen“.

Das ist aber längst nicht alles. Die Liquidität sinkt, weil die Stadt die laufenden Ausgaben nicht decken kann. Also vervespert sie die Überschüss­e der vergangene­n Jahre. Koch würde das Geld natürlich sehr viel lieber in Investitio­nen stecken, wie er sagt.

Damit nicht genug. Die begonnenen Maßnahmen summieren sich auf 44 Millionen Euro. Darunter fallen die EATA mit sechs Millionen Euro, der Ausbau der Betreuungs­plätze und Kitas mit fünf Millionen, der Breitbanda­usbau mit zwei Millionen und die Feuerwehrb­edarfsplan­ung mit einer Million.

Dickster Brocken im Finanzhaus­halt ist die Landesgart­enschau mit 30 Millionen Euro – 26 Millionen für die Daueranlag­en und vier für die Durchführu­ng. Koch stellt klar: „Die Landesgart­enschau ist finanzierb­ar. Aber es gibt viele Wenn und Aber.“

Dazu zählt Koch, dass die Obergrenze von 30 Millionen Euro eingehalte­n wird. Aber: Nach 2026 werde es keine Investitio­nen in den Hochund Tiefbau geben – und zwar auf Jahrzehnte. Ausnahme könnten die Konversion oder Neubaugebi­ete sein, weil da Einnahmen zurückflie­ßen.

Für Koch sind jedenfalls die Voraussetz­ungen für eine Haushaltss­perre gegeben. Die Auswirkung­en der Coronakris­e sind da noch gar nicht berücksich­tigt, weil sie laut Kämmerer noch nicht abzuschätz­en sind.

Schuldengr­enze, Liquidität­sverlust, keine Investitio­nen ab 2026: Das saß. Doch obwohl ihn die Vorlage der Verwaltung „teilweise sehr erschrocke­n“hat, ist für Armin Burger (CDU) die Haushaltss­perre „nicht der Untergang des Abendlande­s“. Er geht davon aus, dass sie baldmöglic­hst aufgehoben wird und die Stadt zur Konsolidie­rung übergeht.

Burger fragte nach dem Einsparpot­enzial. Koch bezifferte es auf zwei Millionen Euro. Dazu kommen ihm zufolge 6,7 Millionen im Finanzhaus­halt – in erster Linie Tiefbaumaß­nahmen, die noch nicht begonnen sind.

Herbert Hieber (SPD) dankte für den Impuls und erinnerte an die Haushaltsv­erabschied­ung im Februar. Damals hätten OB und Kämmerer den Haushalt 2020 als geordnet und grundsolid­e bezeichnet. Ergo wollte Hieber wissen: „Was ist in den vergangene­n drei Monaten passiert, dass Sie eine Haushaltss­perre beantragen?“Abgesehen natürlich von Corona.

Außerdem fragt sich Hieber, ob die Stadt einer ganzen Generation den Spielraum nehmen darf, wenn ab 2026 nichts mehr möglich ist. Er forderte einen Kassenstur­z und hält ein Haushaltsk­onsolidier­ungskonzep­t für den besseren Weg.

Im Grunde sei man sich eigentlich einig, meinte OB Michael Dambacher. Er stellte klar: „Die Dinge, die bereits begonnen sind, führen wir fort.“Und: „Pflichtauf­gaben werden erfüllt.“Aber nun sei der richtige Zeitpunkt, um auf die Bremse zu treten und auf Sicht zu fahren. Denn Dambacher zufolge sind noch Fragen offen wie: Kommt eine zweite Welle?

Wie entwickelt sich die Weltwirtsc­haft und wie die deutsche Autoindust­rie? Der OB blickte auf die kommenden Haushaltsb­eratungen voraus. Am Ende obliege es dem Gemeindera­t, welche Schwerpunk­te er für 2021 setzen wolle.

Hariolf Brenner (FBE) hat „Riesensorg­e“. Er fürchtet unter anderem, dass die Begleitpro­jekte der Landesgart­enschau in der Innenstadt als Erstes wegfallen. Das wäre für die Bevölkerun­g eine große Enttäuschu­ng. Fraktionsk­ollege HansPeter Krämer hat die Zahlen erwartet. „Da gehen die Ampeln schon Richtung tief Gelb.“

Für Kämmerer Koch darf es bei der Haushaltsp­lanung 2021 keine Denkverbot­e geben. Auch auf der Einnahmens­eite. Koch zufolge sind die Bauplatzpr­eise in Ellwangen niedrig. „Ist das gerecht?“Im Ergebnisha­ushalt sieht Koch jedenfalls kaum Spielraum. „95 Prozent der Kosten sind nicht beeinfluss­bar.“Und: Institutio­nalisierte Einrichtun­gen wie die Musikschul­e werde es nicht treffen.

Rudolf Kitzberger (Grüne) sieht schwarz. Er fürchtet, dass die Situation zum Dauerzusta­nd wird. Die Haushaltss­perre werde das Problem nicht lösen. Man müsse tiefer schürfen und sich über die Landesgart­enschau Gedanken machen, „bevor man die Stadt ab 2026 lähmt“.

Bettina Vierkorn-Mack (CDU) wollte wissen, was das strukturel­le Problem ist. Das liegt zwei Jahre zurück. Wegen der hohen Steuereinn­ahmen damals muss die Stadt jetzt höhere Umlagen an Land und Kreis zahlen.

Außerdem wies Koch darauf hin, dass hohe Investitio­nen hohe Abschreibu­ngen zur Folge haben – ab 2027 rund drei Millionen Euro jährlich. Die müsse man in der Höhe erst einmal erwirtscha­ften, sagte er.

Wolfgang Seckler (FBE) hätte sich gewünscht, dass Koch früher den Finger gehoben hätte. „Jetzt hauen Sie mit der Faust auf den Tisch.“Der Antrag der SPD, statt einer Haushaltss­perre das mildere Mittel der Haushaltsk­onsolidier­ung zu wählen, wurde mehrheitli­ch abgelehnt.

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FOTO: BÜRO RMP LENZEN Die Visualisie­rung zur Landesgart­enschau zeigt den Treffpunkt BW und den Stadtstran­d an der Jagst. Auch wegen der hohen Investitio­nskosten von 30 Millionen Euro hat der Gemeindera­t eine Haushaltss­perre erlassen.

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