Stadt Ellwangen unter Haushaltssperre
Auswirkung von Corona noch nicht berücksichtigt – Grüne stellen Gartenschau in Frage
GELLWANGEN - Joachim Koch schlägt Alarm. „Wir müssen sicherstellen, dass wir nicht übers Ziel hinausschießen.“Der Ellwanger Kämmerer sorgt sich um die städtischen Finanzen. Bald sei die „Schuldengrenze“erreicht – 59 Millionen Euro oder 2400 Euro pro Einwohner. Was sind die Gründe?
Das Jahresergebnis 2020 wird negativ sein – minus 7,2 Millionen Euro. In den kommenden Jahren erwartet Koch ebenfalls Fehlbeträge im Ergebnishaushalt von jeweils rund vier Millionen – „wenn wir das Niveau der freiwilligen Leistungen beibehalten wollen“.
Das ist aber längst nicht alles. Die Liquidität sinkt, weil die Stadt die laufenden Ausgaben nicht decken kann. Also vervespert sie die Überschüsse der vergangenen Jahre. Koch würde das Geld natürlich sehr viel lieber in Investitionen stecken, wie er sagt.
Damit nicht genug. Die begonnenen Maßnahmen summieren sich auf 44 Millionen Euro. Darunter fallen die EATA mit sechs Millionen Euro, der Ausbau der Betreuungsplätze und Kitas mit fünf Millionen, der Breitbandausbau mit zwei Millionen und die Feuerwehrbedarfsplanung mit einer Million.
Dickster Brocken im Finanzhaushalt ist die Landesgartenschau mit 30 Millionen Euro – 26 Millionen für die Daueranlagen und vier für die Durchführung. Koch stellt klar: „Die Landesgartenschau ist finanzierbar. Aber es gibt viele Wenn und Aber.“
Dazu zählt Koch, dass die Obergrenze von 30 Millionen Euro eingehalten wird. Aber: Nach 2026 werde es keine Investitionen in den Hochund Tiefbau geben – und zwar auf Jahrzehnte. Ausnahme könnten die Konversion oder Neubaugebiete sein, weil da Einnahmen zurückfließen.
Für Koch sind jedenfalls die Voraussetzungen für eine Haushaltssperre gegeben. Die Auswirkungen der Coronakrise sind da noch gar nicht berücksichtigt, weil sie laut Kämmerer noch nicht abzuschätzen sind.
Schuldengrenze, Liquiditätsverlust, keine Investitionen ab 2026: Das saß. Doch obwohl ihn die Vorlage der Verwaltung „teilweise sehr erschrocken“hat, ist für Armin Burger (CDU) die Haushaltssperre „nicht der Untergang des Abendlandes“. Er geht davon aus, dass sie baldmöglichst aufgehoben wird und die Stadt zur Konsolidierung übergeht.
Burger fragte nach dem Einsparpotenzial. Koch bezifferte es auf zwei Millionen Euro. Dazu kommen ihm zufolge 6,7 Millionen im Finanzhaushalt – in erster Linie Tiefbaumaßnahmen, die noch nicht begonnen sind.
Herbert Hieber (SPD) dankte für den Impuls und erinnerte an die Haushaltsverabschiedung im Februar. Damals hätten OB und Kämmerer den Haushalt 2020 als geordnet und grundsolide bezeichnet. Ergo wollte Hieber wissen: „Was ist in den vergangenen drei Monaten passiert, dass Sie eine Haushaltssperre beantragen?“Abgesehen natürlich von Corona.
Außerdem fragt sich Hieber, ob die Stadt einer ganzen Generation den Spielraum nehmen darf, wenn ab 2026 nichts mehr möglich ist. Er forderte einen Kassensturz und hält ein Haushaltskonsolidierungskonzept für den besseren Weg.
Im Grunde sei man sich eigentlich einig, meinte OB Michael Dambacher. Er stellte klar: „Die Dinge, die bereits begonnen sind, führen wir fort.“Und: „Pflichtaufgaben werden erfüllt.“Aber nun sei der richtige Zeitpunkt, um auf die Bremse zu treten und auf Sicht zu fahren. Denn Dambacher zufolge sind noch Fragen offen wie: Kommt eine zweite Welle?
Wie entwickelt sich die Weltwirtschaft und wie die deutsche Autoindustrie? Der OB blickte auf die kommenden Haushaltsberatungen voraus. Am Ende obliege es dem Gemeinderat, welche Schwerpunkte er für 2021 setzen wolle.
Hariolf Brenner (FBE) hat „Riesensorge“. Er fürchtet unter anderem, dass die Begleitprojekte der Landesgartenschau in der Innenstadt als Erstes wegfallen. Das wäre für die Bevölkerung eine große Enttäuschung. Fraktionskollege HansPeter Krämer hat die Zahlen erwartet. „Da gehen die Ampeln schon Richtung tief Gelb.“
Für Kämmerer Koch darf es bei der Haushaltsplanung 2021 keine Denkverbote geben. Auch auf der Einnahmenseite. Koch zufolge sind die Bauplatzpreise in Ellwangen niedrig. „Ist das gerecht?“Im Ergebnishaushalt sieht Koch jedenfalls kaum Spielraum. „95 Prozent der Kosten sind nicht beeinflussbar.“Und: Institutionalisierte Einrichtungen wie die Musikschule werde es nicht treffen.
Rudolf Kitzberger (Grüne) sieht schwarz. Er fürchtet, dass die Situation zum Dauerzustand wird. Die Haushaltssperre werde das Problem nicht lösen. Man müsse tiefer schürfen und sich über die Landesgartenschau Gedanken machen, „bevor man die Stadt ab 2026 lähmt“.
Bettina Vierkorn-Mack (CDU) wollte wissen, was das strukturelle Problem ist. Das liegt zwei Jahre zurück. Wegen der hohen Steuereinnahmen damals muss die Stadt jetzt höhere Umlagen an Land und Kreis zahlen.
Außerdem wies Koch darauf hin, dass hohe Investitionen hohe Abschreibungen zur Folge haben – ab 2027 rund drei Millionen Euro jährlich. Die müsse man in der Höhe erst einmal erwirtschaften, sagte er.
Wolfgang Seckler (FBE) hätte sich gewünscht, dass Koch früher den Finger gehoben hätte. „Jetzt hauen Sie mit der Faust auf den Tisch.“Der Antrag der SPD, statt einer Haushaltssperre das mildere Mittel der Haushaltskonsolidierung zu wählen, wurde mehrheitlich abgelehnt.