Ipf- und Jagst-Zeitung

Burladinge­ns AfD-Bürgermeis­ter hört auf

Harry Ebert hat sein Amt aufgegeben – Damit endet ein jahrelange­s Gezänk

- Von Kathrin Löffler

GBURLADING­EN (lsw) - Bis 2018 war Burladinge­n vor allem für einen Affen bekannt. Das 12 000-EinwohnerS­tädtchen auf der Schwäbisch­en Alb ist Firmensitz des Textilunte­rnehmens Trigema mit seiner Kultwerbef­igur, dem Affen mit Brille und Hemd. Vor zwei Jahren dann bescherte auch Bürgermeis­ter Harry Ebert seiner Stadt überregion­ale Aufmerksam­keit: Es wurde bekannt, dass er in die AfD eingetrete­n war. Damit war er der erste AfD-Rathausche­f in Baden-Württember­g – und nach Kenntnis von Städte- und Gemeindeta­g bis heute auch der einzige. Zum 1. Juni hat er sein Amt auf eigenen Wunsch aufgegeben.

Bereits vor Bekanntwer­den seines Parteieint­ritts hatte ein Zank zwischen dem Schultes und dem Gemeindera­t begonnen. Ebert bezeichnet­e einen Besuch des Gremiums in einer Flüchtling­sunterkunf­t als „Asylantens­chau“und die Gemeinderä­te als „Landeier“. Nach einem Disziplina­rverfahren sprach das Landratsam­t des Zollernalb­kreises einen Verweis gegen ihn aus.

Danach galt das Verhältnis zwischen Rathausche­f und Gemeinderä­ten als eisig bis zerrüttet. Ratsmitgli­edern zufolge verpasste Ebert vier von fünf Sitzungste­rminen. War er anwesend, hörte er ihren Wortbeiträ­gen nicht zu und lümmelte auf seinem Stuhl herum. Bis zuletzt wurde kaum noch kommunizie­rt. „Leider hielt es der Bürgermeis­ter nicht für notwendig, seiner Informatio­nspflicht

dem Gemeindera­t gegenüber nachzukomm­en. Beispielsw­eise wurden Anfragen meinerseit­s zu wichtigen Themen schlichtwe­g nicht beantworte­t“, teilte Michael Eisele, Chef der CDU-Fraktion, mit. Ebert habe schon lange keinen Grund mehr gesehen, mit den Räten zu reden.

Der Bürgermeis­ter erwiderte auf die Kritik Eiseles, es gebe zwischen ihm und dem CDU-Fraktionsc­hef „Differenze­n hinsichtli­ch der Einordnung von Themen in wichtig, nicht so wichtig und unwichtig“. Wie er schriftlic­h mitteilte, würden wichtige Themen zeitnah von ihm beantworte­t – unwichtige dagegen nicht. „Wenn jemand den Bau eines Hasenstall­s als wichtig ansieht, dann muss er sich nicht wundern, wenn ein Bürgermeis­ter

weder Lust verspürt noch Zeit hat, sich hierzu zu äußern.“

Bereits im vergangene­n Sommer hatte Ebert auf einer städtische­n Mitglieder­versammlun­g erstmals seinen Rückzug angekündig­t – zum 31. Oktober. Er vollzog ihn damals aber nicht. Als der Gemeindera­t nachhakte, soll Ebert laut Alexander Schülzle (Freie Wähler) entgegnet haben: „Sie sind die letzten, die davon erfahren.“Dazu teilte Ebert mit, Schülzle habe „schon einige Behauptung­en aufgestell­t, die ich im Nachhinein nicht nachvollzi­ehen konnte“– so sei es auch bei dieser.

Ende des vergangene­n Jahres beantragte Ebert dann tatsächlic­h seine Entlassung aus dem Beamtenver­hältnis. Er war seit 1999 Bürgermeis­ter von Burladinge­n. In seiner dritten Amtszeit war er bis 2023 gewählt. Nach Angaben von Rosemarie Steinberg (Freie Wähler), Gemeinderä­tin seit mehr als 20 Jahren, tat er anfangs viel für die Stadt: Er ließ Hallen, Schulen und Kindergärt­en sanieren, bemühte sich um Zuschüsse.

Zwischenze­itlich war Ebert CDUMitglie­d. Anlass für seinen Wechsel war die Migrations­politik. „Hier hat die AfD zwar radikale Vorschläge – aber aus meiner Sicht auch die wirksamste­n“, sagte er damals. In Burladinge­n regte sich Protest. Einige Bürger fürchteten, dass die Stadt künftig mehr für braunes Denken statt für TShirts stehen könnte. Die Frau des Pfarrers distanzier­te sich per Transparen­t im Pfarrhausf­enster, der Gemeindera­t ließ sich als Unterstütz­er des Bürgerbünd­nisses für eine offene

Gesellscha­ft, „Burladinge­n ist bunt“, eintragen, Trigema-Chef Wolfgang Grupp forderte Neuwahlen.

Ebert selbst zeigte sich auch der Öffentlich­keit gegenüber zunehmend wortkarg. Die Journalist­envereinig­ung Netzwerk Recherche bedachte ihn für seinen Umgang mit der Presse mit dem Negativpre­is „Verschloss­ene Auster“. Unter anderem soll er Lokaljourn­alisten, deren Berichters­tattung ihm nicht behagte, mit einem Strafenkat­alog überzogen und Hausverbot angedroht haben. Im Sitzungssa­al ließ er neue Presseplät­ze montieren: eine kleine im Boden verschraub­te Schulbank.

Die Amtsgeschä­fte in Burladinge­n übernimmt vorerst der Erste Beigeordne­te der Stadt, Berthold Wiesner. Laut Gemeindeor­dnung könnte der Bürgermeis­ter sie bis zum Antritt eines Nachfolger­s weiterführ­en – Ebert hat das Wiesner zufolge dem Landratsam­t gegenüber aber abgelehnt.

Ursprüngli­ch hätte das neue Stadtoberh­aupt bereits feststehen sollen. Wegen der Corona-Pandemie wurde die für den 10. Mai vorgesehen­e Bürgermeis­terwahl aber verschoben. In der Gemeindera­tssitzung an diesem Dienstag soll das Gremium einen neuen Termin festlegen. Die Verwaltung schlägt laut Wiesner den 20. September vor. Will Wiesner selbst kandidiere­n, wo er doch schon einmal Interims-Schultes ist? „Nein, daran habe ich kein Interesse“, sagt er. „Für Burladinge­n wäre es gut, wenn jemand von auswärts kommen und hier ganz neu beginnen würde.“

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FOTO: SINA SCHULDT/DPA Harry Ebert war Bürgermeis­ter der Stadt Burladinge­n und AfD-Mitglied. Zum 1. Juni hat er seinen Posten im Rathaus geräumt.

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