Burladingens AfD-Bürgermeister hört auf
Harry Ebert hat sein Amt aufgegeben – Damit endet ein jahrelanges Gezänk
GBURLADINGEN (lsw) - Bis 2018 war Burladingen vor allem für einen Affen bekannt. Das 12 000-EinwohnerStädtchen auf der Schwäbischen Alb ist Firmensitz des Textilunternehmens Trigema mit seiner Kultwerbefigur, dem Affen mit Brille und Hemd. Vor zwei Jahren dann bescherte auch Bürgermeister Harry Ebert seiner Stadt überregionale Aufmerksamkeit: Es wurde bekannt, dass er in die AfD eingetreten war. Damit war er der erste AfD-Rathauschef in Baden-Württemberg – und nach Kenntnis von Städte- und Gemeindetag bis heute auch der einzige. Zum 1. Juni hat er sein Amt auf eigenen Wunsch aufgegeben.
Bereits vor Bekanntwerden seines Parteieintritts hatte ein Zank zwischen dem Schultes und dem Gemeinderat begonnen. Ebert bezeichnete einen Besuch des Gremiums in einer Flüchtlingsunterkunft als „Asylantenschau“und die Gemeinderäte als „Landeier“. Nach einem Disziplinarverfahren sprach das Landratsamt des Zollernalbkreises einen Verweis gegen ihn aus.
Danach galt das Verhältnis zwischen Rathauschef und Gemeinderäten als eisig bis zerrüttet. Ratsmitgliedern zufolge verpasste Ebert vier von fünf Sitzungsterminen. War er anwesend, hörte er ihren Wortbeiträgen nicht zu und lümmelte auf seinem Stuhl herum. Bis zuletzt wurde kaum noch kommuniziert. „Leider hielt es der Bürgermeister nicht für notwendig, seiner Informationspflicht
dem Gemeinderat gegenüber nachzukommen. Beispielsweise wurden Anfragen meinerseits zu wichtigen Themen schlichtweg nicht beantwortet“, teilte Michael Eisele, Chef der CDU-Fraktion, mit. Ebert habe schon lange keinen Grund mehr gesehen, mit den Räten zu reden.
Der Bürgermeister erwiderte auf die Kritik Eiseles, es gebe zwischen ihm und dem CDU-Fraktionschef „Differenzen hinsichtlich der Einordnung von Themen in wichtig, nicht so wichtig und unwichtig“. Wie er schriftlich mitteilte, würden wichtige Themen zeitnah von ihm beantwortet – unwichtige dagegen nicht. „Wenn jemand den Bau eines Hasenstalls als wichtig ansieht, dann muss er sich nicht wundern, wenn ein Bürgermeister
weder Lust verspürt noch Zeit hat, sich hierzu zu äußern.“
Bereits im vergangenen Sommer hatte Ebert auf einer städtischen Mitgliederversammlung erstmals seinen Rückzug angekündigt – zum 31. Oktober. Er vollzog ihn damals aber nicht. Als der Gemeinderat nachhakte, soll Ebert laut Alexander Schülzle (Freie Wähler) entgegnet haben: „Sie sind die letzten, die davon erfahren.“Dazu teilte Ebert mit, Schülzle habe „schon einige Behauptungen aufgestellt, die ich im Nachhinein nicht nachvollziehen konnte“– so sei es auch bei dieser.
Ende des vergangenen Jahres beantragte Ebert dann tatsächlich seine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis. Er war seit 1999 Bürgermeister von Burladingen. In seiner dritten Amtszeit war er bis 2023 gewählt. Nach Angaben von Rosemarie Steinberg (Freie Wähler), Gemeinderätin seit mehr als 20 Jahren, tat er anfangs viel für die Stadt: Er ließ Hallen, Schulen und Kindergärten sanieren, bemühte sich um Zuschüsse.
Zwischenzeitlich war Ebert CDUMitglied. Anlass für seinen Wechsel war die Migrationspolitik. „Hier hat die AfD zwar radikale Vorschläge – aber aus meiner Sicht auch die wirksamsten“, sagte er damals. In Burladingen regte sich Protest. Einige Bürger fürchteten, dass die Stadt künftig mehr für braunes Denken statt für TShirts stehen könnte. Die Frau des Pfarrers distanzierte sich per Transparent im Pfarrhausfenster, der Gemeinderat ließ sich als Unterstützer des Bürgerbündnisses für eine offene
Gesellschaft, „Burladingen ist bunt“, eintragen, Trigema-Chef Wolfgang Grupp forderte Neuwahlen.
Ebert selbst zeigte sich auch der Öffentlichkeit gegenüber zunehmend wortkarg. Die Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche bedachte ihn für seinen Umgang mit der Presse mit dem Negativpreis „Verschlossene Auster“. Unter anderem soll er Lokaljournalisten, deren Berichterstattung ihm nicht behagte, mit einem Strafenkatalog überzogen und Hausverbot angedroht haben. Im Sitzungssaal ließ er neue Presseplätze montieren: eine kleine im Boden verschraubte Schulbank.
Die Amtsgeschäfte in Burladingen übernimmt vorerst der Erste Beigeordnete der Stadt, Berthold Wiesner. Laut Gemeindeordnung könnte der Bürgermeister sie bis zum Antritt eines Nachfolgers weiterführen – Ebert hat das Wiesner zufolge dem Landratsamt gegenüber aber abgelehnt.
Ursprünglich hätte das neue Stadtoberhaupt bereits feststehen sollen. Wegen der Corona-Pandemie wurde die für den 10. Mai vorgesehene Bürgermeisterwahl aber verschoben. In der Gemeinderatssitzung an diesem Dienstag soll das Gremium einen neuen Termin festlegen. Die Verwaltung schlägt laut Wiesner den 20. September vor. Will Wiesner selbst kandidieren, wo er doch schon einmal Interims-Schultes ist? „Nein, daran habe ich kein Interesse“, sagt er. „Für Burladingen wäre es gut, wenn jemand von auswärts kommen und hier ganz neu beginnen würde.“