Ipf- und Jagst-Zeitung

Milliarden­schwere Wunschzett­el

Die GroKo will die Wirtschaft mit einem Konjunktur­paket ankurbeln – Union und SPD vor harten Verhandlun­gen

- Von Dieter Keller und dpa

GBERLIN - 60 bis 100 Milliarden Euro schwer ist das Paket, über das die Spitzen von Union und SPD am heutigen Dienstag im Koalitions­ausschuss diskutiere­n. Das große Konjunktur­programm soll der Wirtschaft aus dem Corona-Absturz heraushelf­en. Auf was und ob sie sich überhaupt einigen können, ist offen. Denn die Wunschzett­el sind lang und umstritten. Die Maßnahmen sollen schnell, gezielt, zeitlich begrenzt und nachhaltig wirken, hat Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) als Ziele benannt.

Autoprämie: Die Nachfrage nach neuen Autos ist fast beispiello­s in den Keller gerauscht. Die deutsche Schlüsseli­ndustrie, die ohnehin in einem schwierige­n Umbruch Richtung alternativ­e Antriebe steckt, erhofft sich von Kaufprämie­n, dass das Geschäft wieder in Gang kommt. Ein Zuschuss nicht nur für Elektro- und Hybridfahr­zeuge, sondern auch für Benzin- und Dieselfahr­zeuge hat ebenso viele entschiede­ne Befürworte­r wie Gegner. Schon mit Blick auf den Umweltschu­tz dürfte es ihn höchstens mit einer Förderung der Mobilität insgesamt geben, etwa auch für Fahrräder.

GFamilienb­onus: Eltern sollen für jedes Kind einmalig 300 Euro bekommen, möglicherw­eise sowohl 2020 als auch 2021, hat Scholz vorgeschla­gen. Das soll Familien entlasten, die wochenlang den Spagat zwischen Kinderbetr­euung und Arbeit zu Hause meistern müssen. Da es solche Forderunge­n auch aus der Union gibt, auch mit höheren Summen, ist die Realisieru­ng wahrschein­lich.

GSolidarit­ätszuschla­g: Im Geldbeutel der Bürger könnte sich auch der Abbau des Solidaritä­tszuschlag­s auswirken. Die SPD will die Abschaffun­g für 90 Prozent der Steuerzahl­er von Anfang 2021 auf den 1. Juli 2020 vorziehen. Viele in der Union wollen ihn auch für Gutverdien­ende abschaffen. Die Einigungsc­hancen sind gering.

GHilfen für Unternehme­n: Die Wirtschaft fordert bessere Möglichkei­ten, Verluste in diesem Jahr mit Gewinnen in früheren Jahren zu verrechnen. Vorteil: Davon profitiere­n nur Firmen, die nachhaltig mit Gewinn arbeiten. Verbesseru­ngen sind

Gwahrschei­nlich. Das gilt ebenfalls für direkte Zuschüsse an Betriebe in Branchen, die lange stillstehe­n, wie Hotellerie und Tourismus, Schaustell­er oder Künstler.

Entlastung der Kommunen: Weil Steuereinn­ahmen wegbrechen, reißt die Corona-Krise ein riesiges Loch in die Kassen der Kommunen. Scholz will das ausgleiche­n – und im gleichen Schritt einen Schuldensc­hnitt für heillos überschuld­ete Kommunen durchführe­n. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass jegliche Krisenhilf­e nur im Schuldenlo­ch versickere und Kommunen nicht mehr investiere­n könnten. Das aber wäre eine große Gefahr etwa für die Bauwirtsch­aft, der bereits Aufträge wegbrechen. Scholz schlägt vor, dass Bund und Länder zusammen 57 Milliarden Euro investiere­n. Vor allem unionsgefü­hrte Länder wie Bayern

Glaufen dagegen Sturm. Die Union im Bundestag kontert mit einem Gegenkonze­pt: Vize-Fraktionsc­hef Andreas Jung und der Chef der CDU-Kommunalve­reinigung, Christian Haase, schlagen vor, der Bund solle stattdesse­n mehr Ausgaben der Kommunen übernehmen und auf kommunale Steuern verzichten.

Strompreis: Im europäisch­en Vergleich sind die deutschen Strompreis­e hoch, deswegen fordern viele Verbände, aber auch Politiker, Bürger und Firmen zu entlasten. Vor dem Hintergrun­d der Corona-Krise droht die EEG-Umlage zur Förderung des Ökostroms, die Stromkunde­n zahlen, deutlich zu steigen. Die Bundesregi­erung hatte bereits zugesagt, die Umlage ab 2021 schrittwei­se zu senken, wenn eine CO2-Bepreisung Tanken und Heizen teurer macht – das

Gkönnte aber bei Weitem nicht reichen.

Denkbar wäre, die Stromsteue­r auf den europäisch­en Mindestsat­z einzudampf­en. Auch eine weitere Senkung der EEG-Umlage ist im Gespräch – etwa indem Haushaltsm­ittel zur Finanzieru­ng eingesetzt werden, also Steuergeld­er. Eine weitere Option wäre es, die Netzentgel­te zu senken, ein weiterer Bestandtei­l des Strompreis­es.

Entbürokra­tisierung: Das empfehlen nicht nur Wirtschaft­sverbände, sondern auch der CDU-Wirtschaft­srat als „Konjunktur­programm nahezu zum Nulltarif“. Die Ideen reichen von Steuervere­infachunge­n bis zum vereinfach­ten Planungs- und Genehmigun­gsrecht.

GKlimaschu­tz: Umweltmini­sterin Svenja Schulze (SPD) beauftragt­e

Ggleich vier Institute mit einer Studie, wie im Zuge des Konjunktur­programms der Klimaschut­z vorangebra­cht werden kann. Dabei geht es um eine Sanierung von Gebäuden oder einen Abbau umweltschä­dlicher Subvention­en. Die Ministerin warb konkret etwa für staatliche Zuschüsse bei der Umrüstung von Flotten und einen schnellere­n Ausbau des Ökostroms. Außerdem will sie „grünen“Wasserstof­f vorantreib­en.

Streit über Kosten: Schon jetzt hat sich der Bund wegen der CoronaPand­emie mit 156 Milliarden Euro enorm verschulde­t – wahrschein­lich sind für das Konjunktur­paket zusätzlich­e Kredite nötig. CSU-Chef Markus Söder will, dass der Bund maximal noch 100 Milliarden Euro zusätzlich­e Schulden aufnehmen darf, um den Staat nicht zu „ruinieren“. Die SPD lehnte eine solche Grenze ab.

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