Milliardenschwere Wunschzettel
Die GroKo will die Wirtschaft mit einem Konjunkturpaket ankurbeln – Union und SPD vor harten Verhandlungen
GBERLIN - 60 bis 100 Milliarden Euro schwer ist das Paket, über das die Spitzen von Union und SPD am heutigen Dienstag im Koalitionsausschuss diskutieren. Das große Konjunkturprogramm soll der Wirtschaft aus dem Corona-Absturz heraushelfen. Auf was und ob sie sich überhaupt einigen können, ist offen. Denn die Wunschzettel sind lang und umstritten. Die Maßnahmen sollen schnell, gezielt, zeitlich begrenzt und nachhaltig wirken, hat Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) als Ziele benannt.
Autoprämie: Die Nachfrage nach neuen Autos ist fast beispiellos in den Keller gerauscht. Die deutsche Schlüsselindustrie, die ohnehin in einem schwierigen Umbruch Richtung alternative Antriebe steckt, erhofft sich von Kaufprämien, dass das Geschäft wieder in Gang kommt. Ein Zuschuss nicht nur für Elektro- und Hybridfahrzeuge, sondern auch für Benzin- und Dieselfahrzeuge hat ebenso viele entschiedene Befürworter wie Gegner. Schon mit Blick auf den Umweltschutz dürfte es ihn höchstens mit einer Förderung der Mobilität insgesamt geben, etwa auch für Fahrräder.
GFamilienbonus: Eltern sollen für jedes Kind einmalig 300 Euro bekommen, möglicherweise sowohl 2020 als auch 2021, hat Scholz vorgeschlagen. Das soll Familien entlasten, die wochenlang den Spagat zwischen Kinderbetreuung und Arbeit zu Hause meistern müssen. Da es solche Forderungen auch aus der Union gibt, auch mit höheren Summen, ist die Realisierung wahrscheinlich.
GSolidaritätszuschlag: Im Geldbeutel der Bürger könnte sich auch der Abbau des Solidaritätszuschlags auswirken. Die SPD will die Abschaffung für 90 Prozent der Steuerzahler von Anfang 2021 auf den 1. Juli 2020 vorziehen. Viele in der Union wollen ihn auch für Gutverdienende abschaffen. Die Einigungschancen sind gering.
GHilfen für Unternehmen: Die Wirtschaft fordert bessere Möglichkeiten, Verluste in diesem Jahr mit Gewinnen in früheren Jahren zu verrechnen. Vorteil: Davon profitieren nur Firmen, die nachhaltig mit Gewinn arbeiten. Verbesserungen sind
Gwahrscheinlich. Das gilt ebenfalls für direkte Zuschüsse an Betriebe in Branchen, die lange stillstehen, wie Hotellerie und Tourismus, Schausteller oder Künstler.
Entlastung der Kommunen: Weil Steuereinnahmen wegbrechen, reißt die Corona-Krise ein riesiges Loch in die Kassen der Kommunen. Scholz will das ausgleichen – und im gleichen Schritt einen Schuldenschnitt für heillos überschuldete Kommunen durchführen. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass jegliche Krisenhilfe nur im Schuldenloch versickere und Kommunen nicht mehr investieren könnten. Das aber wäre eine große Gefahr etwa für die Bauwirtschaft, der bereits Aufträge wegbrechen. Scholz schlägt vor, dass Bund und Länder zusammen 57 Milliarden Euro investieren. Vor allem unionsgeführte Länder wie Bayern
Glaufen dagegen Sturm. Die Union im Bundestag kontert mit einem Gegenkonzept: Vize-Fraktionschef Andreas Jung und der Chef der CDU-Kommunalvereinigung, Christian Haase, schlagen vor, der Bund solle stattdessen mehr Ausgaben der Kommunen übernehmen und auf kommunale Steuern verzichten.
Strompreis: Im europäischen Vergleich sind die deutschen Strompreise hoch, deswegen fordern viele Verbände, aber auch Politiker, Bürger und Firmen zu entlasten. Vor dem Hintergrund der Corona-Krise droht die EEG-Umlage zur Förderung des Ökostroms, die Stromkunden zahlen, deutlich zu steigen. Die Bundesregierung hatte bereits zugesagt, die Umlage ab 2021 schrittweise zu senken, wenn eine CO2-Bepreisung Tanken und Heizen teurer macht – das
Gkönnte aber bei Weitem nicht reichen.
Denkbar wäre, die Stromsteuer auf den europäischen Mindestsatz einzudampfen. Auch eine weitere Senkung der EEG-Umlage ist im Gespräch – etwa indem Haushaltsmittel zur Finanzierung eingesetzt werden, also Steuergelder. Eine weitere Option wäre es, die Netzentgelte zu senken, ein weiterer Bestandteil des Strompreises.
Entbürokratisierung: Das empfehlen nicht nur Wirtschaftsverbände, sondern auch der CDU-Wirtschaftsrat als „Konjunkturprogramm nahezu zum Nulltarif“. Die Ideen reichen von Steuervereinfachungen bis zum vereinfachten Planungs- und Genehmigungsrecht.
GKlimaschutz: Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) beauftragte
Ggleich vier Institute mit einer Studie, wie im Zuge des Konjunkturprogramms der Klimaschutz vorangebracht werden kann. Dabei geht es um eine Sanierung von Gebäuden oder einen Abbau umweltschädlicher Subventionen. Die Ministerin warb konkret etwa für staatliche Zuschüsse bei der Umrüstung von Flotten und einen schnelleren Ausbau des Ökostroms. Außerdem will sie „grünen“Wasserstoff vorantreiben.
Streit über Kosten: Schon jetzt hat sich der Bund wegen der CoronaPandemie mit 156 Milliarden Euro enorm verschuldet – wahrscheinlich sind für das Konjunkturpaket zusätzliche Kredite nötig. CSU-Chef Markus Söder will, dass der Bund maximal noch 100 Milliarden Euro zusätzliche Schulden aufnehmen darf, um den Staat nicht zu „ruinieren“. Die SPD lehnte eine solche Grenze ab.
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