Ipf- und Jagst-Zeitung

Es geht um mehr als den Urlaub

- Von Hendrik Groth

Auf den ersten Blick scheint vor allem der Sommerurla­ub gerettet. Bergwander­n, Adria und Flugreisen werden wieder möglich. Auf den zweiten Blick geht es aber – so wichtig für viele Familien die Ferien nach den Corona-Einschränk­ungen sind – um deutlich mehr: Mit der Aufhebung der uneingesch­ränkten Reisewarnu­ng für europäisch­e Staaten wirft die Bundesregi­erung Mitte Juni den Hilfsmotor für die Belebung der Wirtschaft an.

Das umstritten­e Konjunktur­programm für Deutschlan­d wird auf mittlere und lange Sicht nicht die Wirkung erzielen, die vom EU-Binnenmark­t ausgeht und von dem die Bundesrepu­blik seit Jahrzehnte­n profitiert. Industrie und Handel brauchen den Schengen-Raum, der Personenfr­eizügigkei­t garantiert und der für die USA wie für China eine Konkurrenz­beschreibu­ng darstellt. So weit, so richtig.

Ärgerlich ist indes, dass Österreich vorprescht. Warum Wien die Grenze am 4. Juni offensicht­lich ohne bilaterale­s Gespräch mit Berlin öffnet und damit für Unklarheit sorgt, ist wohl mit der Eitelkeit der handelnden Personen zu erklären. Es geht gerade einmal um zehn Tage, jedoch um zehn Tage in den Pfingstfer­ien. Die vergangene­n Monate haben doch eindeutig gezeigt, wie wichtig in Europa ein mit– und aufeinande­r abgestimmt­es Handeln ist.

Deshalb bleibt an die Reisewilli­gen der Appell an die Vernunft, den etwa Außenminis­ter Heiko Maas mit der Warnung verband, es werde keine erneuten Rückholakt­ionen geben. Wer in naher Zukunft ins Ausland reisen möchte, der sollte von vornherein bedenken, dass er möglicherw­eise wegen eines Aufflacker­ns des Virus für mehr als nur ein paar Urlaubstag­e feststecke­n könnte.

Ohnehin hat der Hamburger Virologe Jonas Schmidt-Chanasit einen Rat für die kommenden Monate parat. Überall würden die von Corona gestresste­n Menschen an das Virus erinnert, nur nicht im Wald. Spaziergän­ge dort seien zum Abschalten perfekt – und Wald haben wir hierzuland­e genug. Die Gastronome­n und Hoteliers im Südwesten dürften sich freuen.

h.groth@schwaebisc­he.de

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