Verschärfte Gülle-Regeln reichen Nabu nicht
Naturschützer finden Grenzwerte zu lasch – Hauk: Misstrauen gegen Bauern unangebracht
GSTUTTGART - Weniger Dünger, weniger Gülle: Das gilt ab 2021 für viele Landwirte. Doch Naturschützern in Baden-Württemberg geht das nicht weit genug. Sie fordern weiter gehende Maßnahmen von Agrarminister Peter Hauk (CDU), um Arten und Grundwasser zu schützen.
Im Frühjahr endete ein jahrzehntelanger Streit zwischen der Europäischen Union (EU) und Deutschland. Die EU drohte mit millionenschweren Strafzahlungen. Denn in weiten Teilen Deutschlands ist mehr Nitrat im Grundwasser als erlaubt. Dem Druck beugten sich Bund und Länder. Sie verabschiedeten schärfere Regeln für das Ausbringen von Gülle und Dünger.
Besonders betroffen sind Gebiete in Norddeutschland, wo Schweine, Rinder und Kühe in sehr großen Ställen gehalten werden. Deren Gülle sowie Mineraldünger gelten als eine der Hauptursachen für das Problem. Sowohl Umweltbundesamt als auch Forschungszentren wie jenes in Jülich betonen dies. Andere, aber wesentlich weniger gewichtige Nitratquellen sind zum Beispiel undichte Abwasserrohre oder die Geschwindigkeit, mit der Wasser an einer Messstelle fließt.
In Baden-Württemberg wirtschaften kleinere Höfe mit weniger Vieh. Doch auch hier existieren Probleme, etwa in Oberschwaben. Zum Vergleich: Im Südwesten werden laut Landesanstalt für Umwelt (LUBW) an jeder zehnten Messstelle zu hohe Nitratwerte gemessen, im Bundesschnitt laut Umweltbundesamt (UBA) sogar an knapp jeder fünften. In landwirtschaftlich geprägten Regionen liegt die Zahl auch im Südwesten höher: Hier reißt jede fünfte Messstelle den Grenzwert. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat die Messdaten Anfang 2020 ausgewertet und kommt zu dem Schluss: „Die Ergebnisse der Analyse bestätigen den international belegten Zusammenhang zwischen landwirtschaftlicher Nutzung und Nitratbelastung auch für Deutschland.“
Beim Verbraucher landet das Nitrat nicht, die Versorger müssen das Trinkwasser aber aufwendig reinigen. „Vor allem für Babys kann zu viel Nitrat ernste Folgen haben“, sagt Jochen Goedecke, Agrarexperte des Naturschutzbundes (Nabu). Er fürchtet auch um die Artenvielfalt, wenn zu viel Nitrat ausgebracht wird: „Im Allgäu blüht auf vielen Wiesen nur noch Löwenzahn.“Andere Pflanzen widerständen dem Stickstoff-Überschuss nicht.
Ab 2021 dürfen Landwirte in bestimmten Gebieten nur noch 20 Prozent weniger Dünger ausbringen, als die Pflanzen rechnerisch benötigen. Doch weniger Dünger bedeute weniger Ernte, so die Gleichung der Landwirte. „Die neue Düngeverordnung wird Qualität und Menge der Ernten kosten und die Lebensmittelerzeugung in Deutschland schwächen“, moniert Joachim Rukwied, Bundesund
Landeschef des Bauernverbands. Die Regeln gelten in den „roten Gebieten“– also jenen Zonen, in denen das Grundwasser laut der Messwerte besonders stark belastet ist. Derzeit betrifft das in BadenWürttemberg laut Umweltministerium rund sechs Prozent der Landesfläche, der Wert sinkt seit Jahren.
Für Agrarminister Hauk zeigen diese Zahlen ebenso wie der Bundesvergleich: „Wir haben in BadenWürttemberg kein großflächiges Nitratproblem.“Ein Sprecher von Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) sieht das genauso. Durch gezielte Förderung und Vorgaben habe das Land seit den 1990er-Jahren viel erreicht. Baden-Württemberg gehöre zu den Ländern mit den niedrigsten Nitratwerten.
„Tatsächlich ist bei uns vieles besser, aber es ist längst nicht gut“, sagt Nabu-Mann Goedecke. Schon lange gebe es strenge Auflagen für das Düngen. „Eigentlich dürfte es gar keinen Nitratüberschuss geben, wenn jeder nur so viel düngt wie nötig“, sagt er. Dennoch gebe es diesen. Als Beleg führt Goedecke Zahlen der Landesanstalt für Umwelt an. Sie hat die Hoftorbilanzen der Betriebe ausgewertet. Diese zeigen, wie viel Stickstoff ein Hof zukauft oder produziert. Gegengerechnet wird, wie viel Stickstoff der Bauer ausbringt. Die Bilanz für 2017 zeigt etwa in Teilen Oberschwabens und des Allgäus Stickstoffüberschüsse.
Die Vorgaben seien zu lasch, führt Goedecke als Grund an. Außerdem überwache das Land hier viel zu wenig. Diesen Vorwurf weist Agrarminister Hauk zurück: „Das ist Blödsinn. Jedes Jahr werden fünf Prozent der Betriebe nach einem Zufallsprinzip kontrolliert. Kein Landwirt kann sicher sein, ob er kontrolliert wird – deswegen halten sich die allermeisten an die Vorschriften. Das ständige Misstrauen gegenüber den Bauern ist unangebracht.“
Goedecke sieht den Minister auch an anderer Stelle in der Pflicht: „Es kann nicht sein, dass mit Steuergeld neue Ställe gefördert werden, die Nitratprobleme verursachen.“Statt große Betriebe wie den 1000-KüheStall in Ostrach (Kreis Sigmaringen) zu unterstützen, solle das Land seine Förderpolitik anders ausrichten. Also zum Beispiel auf Höfe, die nur so