Grüne wollen den Bund in Schulen klotzen lassen
Abgeordnete Stumpp hält Länder für überfordert – Südwest-Kultusministerin Eisenmann hält dagegen
GBERLIN - Die Zahlen stammen aus der Zeit kurz vor der Corona-Krise, doch die Forderungen sind aktueller denn je. Nach einer am Mittwoch vorgestellten Lehrerbefragung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) kommt Deutschland bei der Digitalisierung der Schulen nur langsam voran. Der Umfrage zufolge nutzen neun von zehn Pädagogen ihre privaten elektronischen Geräte für schulische Zwecke.
Auch der seit etwa einem Jahr laufende milliardenschwere „Digitalpakt Schule“, mit dem Bund und Länder gemeinsam die Schulen modernisieren wollen, wurde von der GEW kritisiert. Zwar gaben 93 Prozent der befragten Lehrkräfte an, im Unterricht digitale Medien wie Beamer, Smartboards, Computer oder Tablets einzusetzen. Auch hat die Mehrheit der Lehrer in den vergangenen zwei Jahren an Digitalfortbildungen teilgenommen. Doch nur jeder fünfte Befragte hält die angebotenen Fortbildungen für ausreichend. Die GEW fordert, die Mittel drastisch aufzustocken, um vor allem auch mehr mobile Geräte anzuschaffen.
Der Digitalpakt war umstritten, denn Bildung ist eigentlich klare Sache der 16 Bundesländer. Der Bund hat hier nichts zu suchen. Doch in der Corona-Krise mehren sich die Stimmen, die diese Aufteilung für nicht mehr zeitgemäß halten.
„Corona führt uns vor Augen, was nicht nur Eingeweihte längst wussten: Der deutsche Bildungsföderalismus ist nicht zukunftsfähig“, sagt die bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Margit Stumpp der „Schwäbischen Zeitung“.
Die Krise habe gezeigt, dass die Schulen nur unzureichend auf die Herausforderungen des Homeschoolings vorbereitet waren. Ob Mailadressen, Konzepte, Endgeräte oder pädagogische Kompetenz – an vielen Stellen hake es. Dazu räche sich der auf 43 Milliarden Euro geschätzte Investitionsstau. Für den Präsenzunterricht in der CoronaZeit werde angesichts maroder Sanitäranlagen zum Beispiel das regelmäßige Händewaschen in der Schule zur Herausforderung.
Der Befund der Abgeordneten für den Wahlkreis Aalen/Heidenheim ist dramatisch: „Wir sparen uns unsere Zukunft kaputt. Unsere Schulen hängen digital hinterher und von Chancengleichheit sind wir meilenweit entfernt“, klagt die Politikerin. Damit verschärfe sich auch die Chancenungleichheit. Bildungserfolg hänge immer noch zu stark vom Elternhaus ab.
Statt sich damit abzufinden, müsse man die Krise für Weichenstellungen nutzen, fordert die Politikerin. Zusammen mit Fraktionskollegen hat Stumpp einen Antrag für den Bundestag formuliert, der der „Schwäbischen Zeitung“exklusiv vorliegt und der es in sich hat. Die Grünen fordern unter dem Titel „Lernen aus der Krise – Ein Update für die Schule“unter anderem:
Eine digitale Grundausstattung und IT-Unterstützung aller Schulen.
GEine „Bundeszentrale für digitale und Medienbildung“, die geprüfte Digital-Angebote zur Verfügung stellt.
GEin Aufholprogramm für Schulen in benachteiligten Regionen.
GEndgeräte für Familien im Transferbezug und öffentliches WLAN, damit Schüler ins Netz können.
GFür Stumpp lassen sich die sozialen Gräben nur in einem Zusammenspiel zwischen Bund, Ländern und Kommunen auflösen: „Das Schwarze-Peter-Spiel zwischen den föderalen Ebenen muss endlich ein Ende finden“, sagt sie.
Das kommt bei der für Stumpps Wahlkreis zuständigen Kultusministerin nicht gut an: „Dass alles besser wird, wenn der Bund stärker in ureigene Aufgaben der Länder eingebunden wird, ist eine Illusion. Darüber kann sich Frau Stumpp aber auch gerne mal mit ihrem Parteikollegen und Ministerpräsidenten von BadenWürttemberg austauschen“, sagt Baden-Württembergs CDU-Ressortchefin Susanne Eisenmann und fügt hinzu: „Dass Bildung Ländersache ist, ist richtig“.
Gerade der Digitalpakt und das gemeinsame Vorgehen der Länder bei Abschlüssen und Rahmenkonzepten zeige, dass der Föderalismus und die Kultusministerkonferenz bei allem Optimierungsbedarf funktionierten. Dass die Schulen bei der Digitalisierung Nachholbedarf haben, räumt Eisenmann ein. „Das ist eine Tatsache, aber keine neue Erkenntnis“, kommentiert sie die GEW-Einschätzung.
Deshalb arbeite man derzeit unter anderem intensiv an einer digitalen Bildungsplattform. Mehr Serverkapazität für die Lernplattform Moodle sei ebenso ein Zeichen wie die frühere Einführung des Messengerdienstes Threema. Und auch bei den Endgeräten sei der Südwesten aktiv: Das Land will rund 300 000 Tablets und Laptops anschaffen.