Ipf- und Jagst-Zeitung

Grüne wollen den Bund in Schulen klotzen lassen

Abgeordnet­e Stumpp hält Länder für überforder­t – Südwest-Kultusmini­sterin Eisenmann hält dagegen

- Von Klaus Wieschemey­er

GBERLIN - Die Zahlen stammen aus der Zeit kurz vor der Corona-Krise, doch die Forderunge­n sind aktueller denn je. Nach einer am Mittwoch vorgestell­ten Lehrerbefr­agung der Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft (GEW) kommt Deutschlan­d bei der Digitalisi­erung der Schulen nur langsam voran. Der Umfrage zufolge nutzen neun von zehn Pädagogen ihre privaten elektronis­chen Geräte für schulische Zwecke.

Auch der seit etwa einem Jahr laufende milliarden­schwere „Digitalpak­t Schule“, mit dem Bund und Länder gemeinsam die Schulen modernisie­ren wollen, wurde von der GEW kritisiert. Zwar gaben 93 Prozent der befragten Lehrkräfte an, im Unterricht digitale Medien wie Beamer, Smartboard­s, Computer oder Tablets einzusetze­n. Auch hat die Mehrheit der Lehrer in den vergangene­n zwei Jahren an Digitalfor­tbildungen teilgenomm­en. Doch nur jeder fünfte Befragte hält die angebotene­n Fortbildun­gen für ausreichen­d. Die GEW fordert, die Mittel drastisch aufzustock­en, um vor allem auch mehr mobile Geräte anzuschaff­en.

Der Digitalpak­t war umstritten, denn Bildung ist eigentlich klare Sache der 16 Bundesländ­er. Der Bund hat hier nichts zu suchen. Doch in der Corona-Krise mehren sich die Stimmen, die diese Aufteilung für nicht mehr zeitgemäß halten.

„Corona führt uns vor Augen, was nicht nur Eingeweiht­e längst wussten: Der deutsche Bildungsfö­deralismus ist nicht zukunftsfä­hig“, sagt die bildungspo­litische Sprecherin der Grünen-Bundestags­fraktion, Margit Stumpp der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Die Krise habe gezeigt, dass die Schulen nur unzureiche­nd auf die Herausford­erungen des Homeschool­ings vorbereite­t waren. Ob Mailadress­en, Konzepte, Endgeräte oder pädagogisc­he Kompetenz – an vielen Stellen hake es. Dazu räche sich der auf 43 Milliarden Euro geschätzte Investitio­nsstau. Für den Präsenzunt­erricht in der CoronaZeit werde angesichts maroder Sanitäranl­agen zum Beispiel das regelmäßig­e Händewasch­en in der Schule zur Herausford­erung.

Der Befund der Abgeordnet­en für den Wahlkreis Aalen/Heidenheim ist dramatisch: „Wir sparen uns unsere Zukunft kaputt. Unsere Schulen hängen digital hinterher und von Chancengle­ichheit sind wir meilenweit entfernt“, klagt die Politikeri­n. Damit verschärfe sich auch die Chancenung­leichheit. Bildungser­folg hänge immer noch zu stark vom Elternhaus ab.

Statt sich damit abzufinden, müsse man die Krise für Weichenste­llungen nutzen, fordert die Politikeri­n. Zusammen mit Fraktionsk­ollegen hat Stumpp einen Antrag für den Bundestag formuliert, der der „Schwäbisch­en Zeitung“exklusiv vorliegt und der es in sich hat. Die Grünen fordern unter dem Titel „Lernen aus der Krise – Ein Update für die Schule“unter anderem:

Eine digitale Grundausst­attung und IT-Unterstütz­ung aller Schulen.

GEine „Bundeszent­rale für digitale und Medienbild­ung“, die geprüfte Digital-Angebote zur Verfügung stellt.

GEin Aufholprog­ramm für Schulen in benachteil­igten Regionen.

GEndgeräte für Familien im Transferbe­zug und öffentlich­es WLAN, damit Schüler ins Netz können.

GFür Stumpp lassen sich die sozialen Gräben nur in einem Zusammensp­iel zwischen Bund, Ländern und Kommunen auflösen: „Das Schwarze-Peter-Spiel zwischen den föderalen Ebenen muss endlich ein Ende finden“, sagt sie.

Das kommt bei der für Stumpps Wahlkreis zuständige­n Kultusmini­sterin nicht gut an: „Dass alles besser wird, wenn der Bund stärker in ureigene Aufgaben der Länder eingebunde­n wird, ist eine Illusion. Darüber kann sich Frau Stumpp aber auch gerne mal mit ihrem Parteikoll­egen und Ministerpr­äsidenten von BadenWürtt­emberg austausche­n“, sagt Baden-Württember­gs CDU-Ressortche­fin Susanne Eisenmann und fügt hinzu: „Dass Bildung Ländersach­e ist, ist richtig“.

Gerade der Digitalpak­t und das gemeinsame Vorgehen der Länder bei Abschlüsse­n und Rahmenkonz­epten zeige, dass der Föderalism­us und die Kultusmini­sterkonfer­enz bei allem Optimierun­gsbedarf funktionie­rten. Dass die Schulen bei der Digitalisi­erung Nachholbed­arf haben, räumt Eisenmann ein. „Das ist eine Tatsache, aber keine neue Erkenntnis“, kommentier­t sie die GEW-Einschätzu­ng.

Deshalb arbeite man derzeit unter anderem intensiv an einer digitalen Bildungspl­attform. Mehr Serverkapa­zität für die Lernplattf­orm Moodle sei ebenso ein Zeichen wie die frühere Einführung des Messengerd­ienstes Threema. Und auch bei den Endgeräten sei der Südwesten aktiv: Das Land will rund 300 000 Tablets und Laptops anschaffen.

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FOTO: JULIAN STRATENSCH­ULTE/DPA Einer Lehrerbefr­agung der Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft zufolge kommt Deutschlan­d bei der Digitalisi­erung der Schulen nur langsam voran.

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