Belebte Strände, volle Berge, leere Kassen
Ausflugsziele werden überrannt, eine große Hilfe für Gastronomie und Hotellerie im Süden ist das dennoch nicht
GRÜGEN/MÜNCHEN/RAVENSBURG Dicht an dicht drängten sich an diesem Pfingstwochenende die Menschen auf der Ostseeinsel Rügen. In den Restaurants waren die Tische draußen besetzt. Drinnen speiste nur, wer keinen Platz an der Sonne fand. Teilweise wurde es sogar so extrem, dass Ostsee-Orte, wie Scharbeutz, wegen Überfüllung geschlossen werden mussten. Nicht nur an der Küste, auch im Süden Deutschlands waren viele Menschen unterwegs. Im Allgäu und am Bodensee stürmten die Menschen touristische Ziele. Der Berg Hochgrat, die Lindauer Insel oder der Alpsee waren gut besucht.
Das Pfingstwochenende gab also vermeintlich einen ersten Vorgeschmack, worauf sich Hoteliers und Gastronomen in den Sommerferien einstellen müssen – zumal Reisefachleute bereits von einer höheren Nachfrage nach Urlaubsangeboten in diesem Jahr in Deutschland sprechen.
Dass das Hotel- und Gaststättengewerbe nun aber aufatmen kann, ist mitnichten so. Im Gegenteil: „Die Buchungslage ist sehr, sehr schlecht“, sagt beispielsweise Hans Wieser, Besitzer des Landhotels Mohren in Neuravensburg bei Wangen im Allgäu. Seit dem 29. Mai sind die Hotels in Baden-Württemberg wieder für Urlaubsgäste geöffnet, aber der Neustart über das Pfingstwochenende lief verhalten. Das zeigt auch eine Umfrage des baden-württembergischen Hotelund Gaststättenverbandes Dehoga, an dem sich 778 Beherbergungsbetriebe aus Baden-Württemberg beteiligt haben. Nur jeder fünfte Hotelbetrieb konnte demnach über das Pfingstwochenende mehr als die Hälfte des Umsatzes von Pfingsten im vergangenen Jahr erreichen. Bei zwei von drei Betrieben lagen die Umsätze bei weniger als 25 Prozent des Vorjahresniveaus.
Auch sieht die Buchungssituation für die kommenden drei Monate laut der Befragung nicht gut aus. 83,1 Prozent der Befragten bezeichnen die Buchungslage im Juni als schlecht. Für Juli und August sind die Prozentwerte etwas geringer, aber ähnlich.
„Wenn die Buchungen in den nächsten zwei Wochen für die Sommermonate nicht langsam eintrudeln, dann geht dieses Jahr in die Hose“, sagt Hotelbesitzer Wieser.
Viele Gäste würden mit der Buchung noch abwarten, sagt Daniel Ohl, Sprecher des baden-württembergischen Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga. Zum einen liege das daran, dass ein Urlaub im Ausland eine immer wahrscheinlichere Alternative für die Gäste werde. Erst am Mittwoch hat die Bundesregierung die Reisewarnungen für 31 europäische Länder zum 15. Juni mit Einschränkungen aufgehoben. Neben den EU-Staaten gilt dies auch für Großbritannien, Norwegen, die Schweiz, Liechtenstein und Island.
„Und die Urlaubsländer unternehmen natürlich alles, um die Touristen anzulocken“, sagt Ohl.
Ein anderer wichtiger Grund für die unbefriedigende Buchungssituation sind laut Dehoga-Landesvorsitzendem Fritz Engelhardt die weiter bestehenden Einschränkungen. „Das betrifft nicht nur Einschränkungen im Restaurantbereich, sondern zum Beispiel auch im Bereich Bäder und Wellness. Die Einschränkungen, die es gibt, lassen viele Gäste mit ihren Buchungen zögern.“
Das erfährt auch Hotelbesitzer Hans Wieser, der noch nicht weiß, wann er seinen Wellnessbereich wieder öffnen darf. „Das ist eigentlich unser Alleinstellungsmerkmal.“Nicht jedes Hotel habe ein Hallenbad
und eine Sauna, und das ziehe eigentlich die Gäste an. Wenn der Wellnessbereich aber geschlossen bleiben muss, bleiben auch die Gäste aus. Dieses Problem treffe vor allem Hotels auf dem Land, sagt Ohl, die oftmals auf Wellnessbesucher setzen. „Das sind jetzt brutale Einbußen für die Betriebe.“
Auch für viele Gastronomen gibt es keine signifikante Verbesserung. „Im Schnitt fällt den Gastronomen jeder zweite Sitzplatz weg“, sagt Dehoga-Sprecher Ohl – denn die Betriebe müssen den Mindestabstand zwischen ihren Gästen wahren. „Und wenn jeder zweite Platz wegfällt, wird es mit den Umsätzen schwierig“– selbst wenn die Nachfrage hoch sei. In Bayern hat der Dehoga eine Umfrage
unter 2300 Betrieben durchgeführt. 83,2 Prozent der bayerischen Betriebe geben demnach an, dass ein wirtschaftliches Handeln unter Berücksichtigung der coronabedingten Auflagen nicht möglich ist. 84 Prozent der seit Mitte Mai wiedereröffneten Betriebe berichteten, dass sich ihre Umsatzerwartungen nicht erfüllt hätten. Fast jedes dritte Restaurant (26,3 Prozent) verzeichnete lediglich einen Umsatz zwischen 25 und 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. 29,4 Prozent der Betriebe kommen auf einen Umsatz von lediglich zehn bis 25 Prozent der Vorjahreswerte.
Das Bild habe sich auch an den Pfingstfeiertagen nicht wesentlich verändert, sagte Dehoga-BayernSprecher Frank-Ulrich John. Mit Ausnahme einiger Ausflugs-Hotspots besonders entlang der bayerischen Alpenkette sei die Nachfrage nach gastronomischen Dienstleistungen auch an den Feiertagen „äußerst verhalten“geblieben.
Ohl vom Dehoga Baden-Württemberg fasst zusammen: „Also dass die Betriebe überlaufen werden, ist wirklich das geringste Problem.“Das bestätigt auch der Tourismusverband Baden-Württemberg. „Die inzwischen angekündigten Grenzöffnungen werden sich auch auswirken, sodass wir nicht befürchten, völlig überrannt zu werden.“, teilt eine Sprecherin auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“mit. Markus Böhm von der Internationalen Bodensee Tourismus GmbH weist zudem darauf hin, dass zwar möglicherweise mehr deutsche Gäste kommen, dafür aber diejenigen aus dem Ausland wegbleiben.
Nichtsdestotrotz: Es könne natürlich in der Ferienzeit bei einem zusätzlich erhöhten Aufkommen an Tagestouristen mancherorts an den Hotspots – wie am Bodensee oder im Allgäu – etwas voller werden, sagt die Sprecherin vom Tourismusverband. Dann seien die Behörden und touristischen Akteure angehalten, die Besucherströme entsprechend zu lenken. Außerdem sollen unbekannte und versteckte Orte gezielt vermarktet werden – um Tourismustrubel zu entzerren und Ansteckungen zu verhindern.