Italienische Tristezza
Tourismusindustrie zwischen Bozen und Neapel in der tiefen Krise
GROM - Rom, Via Palermo. Historisches Zentrum. Das Dreisternehotel Virgilio ist seit März geschlossen. Seit diesem Mittwoch darf es wieder öffnen. Denn Italiener ist das Reisen wieder erlaubt. Nicht nur innerhalb ihrer Regionen, sondern auch im ganzen Land. Auch Reisende aus der Schengen-Zone dürfen nun wieder nach Italien kommen. Italienische und EU-Touristen könnten also auch im Hotel „Virgilio“buchen.
Theoretisch jedenfalls. Doch die Realität sieht anders aus. Die Eingangstür in das Hotel Virgilio ist fest geschlossen. In keinem der vielen Gästezimmer brennt Licht, von Hotelpersonal keine Spur. „Unsere Gäste kommen zu rund 95 Prozent aus dem Ausland“, erklärt Hotelbesitzer Paolo Petrucci. „Aber aus dem Ausland kommt ja noch niemand.“Wann es mit dem internationalen Tourismus losgehen wird, sagt Petrucci, „ist komplett unklar“.
Und so hat Petrucci noch nicht mit der aufwendigen Desinfektion seines Hotels begonnen. Noch ist unklar, wie zukünftig das Frühstück an die Gäste ausgegeben werden soll. Nach den strengen Regierungsvorgaben darf es keine Frühstücksbuffets mehr geben. „Wir werden wohl, wenn wir wieder öffnen“, so Petrucci, „jedem Gast ein zugeschweißtes Tablett mit einem standardisierten Frühstück auf das Zimmer bringen“.
Die Gästezimmer, fügt er hinzu, „werden nach den Vorgaben auch nicht mehr jeden Tag gereinigt und aufgeräumt“. Der Gast in italienischen Hotels wird, erklärt der Hotelbesitzer, „ein sauberes Zimmer vorfinden, das erst dann wieder gesäubert wird, wenn der Gast abgereist ist.“So soll verhindert werden, dass möglicherweise infiziertes Personal in die Gästezimmer gelangt.
Nicht nur das Virgilio ist bis auf Weiteres geschlossen. In Rom und Florenz, in Venedig und Mailand bleiben vorerst die meisten Hotels zu. Und auch rund die Hälfte aller Restaurants, Pizzerien und anderer Lokale hat immer noch nicht geöffnet. „Wir warten auf mehr Touristen“, sagt Anna Cabelli, Eigentümerin einer Kaffeebar an der Piazza Madonna de Monti in Rom. „Ohne mehr Gäste lohnt es sich finanziell in keiner Weise, wieder zu öffnen“.
Der Tourismus ist für Italien eine enorm wichtige Einnahmequelle. Rund 13 Prozent aller Umsätze werden jährlich in diesem Bereich erwirtschaftet. Mehr als acht Prozent aller Beschäftigten arbeiten im Tourismus. Italiens Tourismus ist seit Anfang
März, dem Beginn des Lockdowns, komplett eingebrochen. Zehntausende von Beschäftigten haben ihre Arbeit verloren oder warten auf die schon vor zwei Monaten beantragte, aber immer noch nicht überwiesene Arbeitslosenunterstützung.
Viele Geschäftsleute im Tourismusbereich haben sich auch deshalb entschieden, noch nicht zu öffnen, weil viele Touristen aus dem Ausland noch nicht nach Italien kommen dürfen. Sie bereiten sich deswegen vor allem auf Gäste aus dem eigenen Land vor. Im Durchschnitt reisten etwa 40 Prozent aller Italiener jedes Jahr ins Ausland. Umfragen ergaben, dass sie in diesem Sommer in Italien bleiben werden. Nicht ausgeschlossen ist also, dass fast alle Sommerurlauber Italiener sein werden.
Die Gaststätten- und Hotelbesitzer erhoffen sich Hilfen von ihren Kommunen. Doch die haben ebenfalls finanzielle Probleme: Städte wie Florenz, Venedig und Rom, ohne Industrien oder andere Geschäftsbereiche, die Wachstum und Arbeitsplätze schaffen, leben fast ausschließlich von den Einnahmen durch den Tourismus. Kein Wunder also, dass eine Stadt wie Florenz aufgrund des Lockdowns jetzt Schulden von rund 140 Millionen Euro hat.
Bürgermeister Dario Nardella erklärte vor wenigen Tagen, dass seine Stadt keine Finanzmittel mehr habe, um die städtischen Museen und andere Kultureinrichtungen wieder zu öffnen. Er wandte sich deshalb, wie viele andere Bürgermeister, an die Regierung. „Ein finanzielles Drama für uns alle“, sagt der römische Hotelier Paolo Petrucci, „ohne Touristen läuft hier gar nichts in Italien!“