Ipf- und Jagst-Zeitung

Runder Geburtstag: Kloster Neresheim vor 100 Jahren wiedererri­chtet

Wegen Corona kein Festgottes­dienst – Im September soll die Feier nachgeholt werden, wenn es die Situation zulässt

- Von Viktor Turad

GNERESHEIM - Im Kloster Neresheim gäbe es Grund zum Feiern: Am Sonntag, 14. Juni, jährt sich zum 100. Mal die Wiedererri­chtung der Abtei 1920 durch den damaligen Papst Benedikt XV. Dieses Jubiläum sollte eigentlich mit einem Festgottes­dienst und Festvortra­g begangen werden. Corona hat dies jedoch verhindert. Denn bekanntlic­h finden seit Anfang März bis auf Weiteres aus Gründen des Infektions­schutzes keine öffentlich­en Gottesdien­ste in der Klosterkir­che statt. Wenn es die Lage zulässt, soll die Feier am 20. September nachgeholt werden.

„Die uralte Abtei der heiligen Ulrich und Afra zu Neresheim, Benediktin­erordens, stellen Wir mit allen ihren Rechten und Privilegie­n, die sie einst besaß, wieder her, vereinigen sie als eine selbständi­ge Abtei mit der Beuroner Kongregati­on und machen sie gleichzeit­ig teilhaft all der Privilegie­n und Gnaden, die dieser Kongregati­on gewährt wurden.“So heißt es in dem Schreiben des Papstes, mit dem die Benediktin­erAbtei Neresheim kirchenrec­htlich wieder errichtet worden ist. 1095 hatte Graf Hartmann von Dillingen das Kloster gegründet. Bis 1106 waren dort die Augustiner Chorherren, seit 1106 die Benediktin­er-Mönche.

Diese Tradition endete nach fast 700 Jahren 1802 mit der Säkularisa­tion von Reichsstif­t und Kloster. Das vormalige Reichsstif­t Neresheim und 4250 Hektar Wald gingen in den Besitz von Fürst Carl Anselm von Thurn und Taxis über als Ausgleich für die Postlinien, die er an Frankreich abtreten musste, und für den Verlust linksrhein­ischer Gebiete. Der Fürst erhielt unter anderem auch den Titel „Graf von Neresheim“. Abt Michael Dobler musste sich auf das Schlössche­n Ziertheim bei Dillingen zurückzieh­en, das aus dem Besitz des Klosters 1803 ebenfalls an die Fürsten von Thurn und Taxis fiel.

Der Neresheime­r Konvent mit 25 Patres und fünf Brüdern blieb bis 1806 an der Klostersch­ule „Liceum Carolinum“in Neresheim. Die Ökonomie wurde als fürstliche Domäne verpachtet, weitere Gebäude standen für Jahrzehnte leer. Ein Bittgesuch 1814 an den Wiener Kongress zur Wiederhers­tellung des Klosters blieb erfolglos.

1806 war Neresheim bayerisch geworden, 1810 wurde die Grafschaft Taxis einschließ­lich des ehemaligen Reichsstif­ts Neresheim Teil des Königreich­s

Württember­g. Im Kloster wurden, wie Abt Norbert Stoffels festgehalt­en hat, das Amtsgerich­t, die fürstliche Rentkammer und Wohnungen für den Schlosspfa­rrer und Bedienstet­e der Fürstenfam­ilie untergebra­cht. Das Klostergut und die Klosterbra­uerei waren verpachtet. Seit 1815 kamen die Fürsten zur Jagd nach Neresheim.

1894 überließ Fürst Albert I. von Thurn und Taxis den Vinzentine­rinnen von Untermarch­tal einen Teil der Klosterbau­ten, die dort zehn Jahdete re lang „gefährdete und gefallene Mädchen“betreuten. Von 1905 bis 1921 betrieben sie ein Heim für, wie es damals hieß, „schwachsin­nige, aber noch bildungsfä­hige Kinder“. Während des Ersten Weltkriegs war im Prälaturge­bäude ein Reservelaz­arett.

Nach dem Zusammenbr­uch der Donaumonar­chie Österreich-Ungarn mussten die deutschspr­achigen Benediktin­er 1919 ihre Abtei Emaus in Prag verlassen. Deshalb suchten sie in Südwestdeu­tschland, woher sie einst gekommen waren, ein leer stehendes, altes Benediktin­erkloster. Die Diözesanle­itung in Rottenburg veranlasst­e, dass ihnen vorerst die Prälatur in Neresheim zugewiesen wurde, die wieder frei geworden war. Der Fürst war einverstan­den.

Die Schwestern verließen schließlic­h mit ihren Zöglingen Neresheim und der Papst errichtete die Abtei wieder. Den Konvent bildeten Mönche aus Emaus und aus Beuron im Donautal bei Sigmaringe­n. Der Beuroner Mönch Bernhard Durst wurde am 8. September 1921 vom Rottenburg­er Bischof Paul Wilhelm von Keppler zum Neresheime­r Abt geweiht.

Trotz großer wirtschaft­licher Not, hat Abt Norbert Stoffels festgehalt­en, ging der neue Konvent sofort daran, die ursprüngli­ch als Klosterbra­uerei genutzten Gebäude für eine staatlich anerkannte landwirtsc­haftliche Winterschu­le mit 100 Internatsp­lätzen einzuricht­en. Diese bil

mit Unterbrech­ungen bis 1968 Jungbauern aus dem Oberland, Ostwürttem­berg und Hohenlohe fachlich und menschlich weiter. Einige Patres ließen sich an der Universitä­t Stuttgart-Hohenheim als Fachlehrer ausbilden. In den Sommermona­ten wurden die Räume der Schule für Exerzitien, Kurse und Tagungen genutzt. Dank des Kinderreic­htums katholisch­er Familien und ihrer tiefen Verwurzelu­ng im Glauben stieg auch die Zahl der Mönche und erreichte bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs mit rund 30 Patres und 40 Brüdern den Höchststan­d.

1927 verzichtet­e Prinz Max Emanuel von Thurn und Taxis, der viertältes­te Sohn des Fürsten Albert von Thurn und Taxis und der Erzherzogi­n Margarethe Klementine von Österreich, auf alle Privilegie­n und Erbansprüc­he, und legte im Kloster Neresheim als Bruder Emeram die Feierliche Profess ab. Aus diesem Anlass schenkte sein Vater dem Konvent die Kirche, das Klostergeb­äude und 200 Hektar Felder und Wiesen. 1951 kehrte er nach Regensburg zurück, um das einstige Reichsklos­ter Prüfening, das seiner Familie gehörte, wieder in ein geistliche­s Zentrum zu verwandeln. Diesen Lebenstrau­m konnte er nicht verwirklic­hen, mit dem Fürstenhau­s kam es zu einem heillosen Zerwürfnis. Pater Emeram fand 1994 auf dem Friedhof der Neresheime­r Abteikirch­e seine letzte Ruhestätte.

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FOTO: HAFI Das wiedererri­chtete Kloster Neresheim feiert im Juni 100. Geburtstag.

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