Söhne bevorzugt
Frauen schaffen es in deutschen Familienunternehmen laut einer Studie noch seltener in die Führungsetage als in börsennotierten Konzernen
GFRANKFURT - Tradition wird groß geschrieben in deutschen Familienunternehmen. Vor allem auch in den Führungsstrukturen, die sowieso in der Regel männlich geprägt sind: In den Geschäftsführungen liegt der Frauenanteil bei nur sieben Prozent, wie eine Studie der schwedischen Allbright-Stiftung zeigt. Danach arbeiteten am 1. März 2020 genau 406 Männer, aber nur 30 Frauen in den Führungsetagen der einhundert größten deutschen Familienunternehmen. Das entspricht einer Frauenquote von 6,8 Prozent.
Der Anteil der Frauen auf den Chefsesseln der Familienunternehmen liegt damit noch einmal deutlich unter der Quote bei den 160 an der Frankfurter Börse notierten Unternehmen: Dort rangiert der Frauenanteil inzwischen bei zehn Prozent, in den 30 Dax-Unternehmen bei immerhin 15 Prozent. Von den 100 Familienfirmen werden 71 ausschließlich von Männern geleitet, nur in einer sind zwei Frauen vertreten. Es gibt sogar weniger weibliche Mitglieder als solche, die mit Vornamen Thomas oder Michael heißen, das sind immerhin 34.
Je privater ein Unternehmen geführt wird, desto männlicher ist es, zeigt die Studie. Denn wie viele Frauen es nach oben schaffen, das hängt auch davon ab, wie offen die Unternehmen sind. Je höher die Transparenz und der Einfluss familienfremder Akteure, desto höher ist auch der Frauenanteil in der Geschäftsführung. 20 der 100 größten Familienunternehmen, darunter BMW, Continental, Henkel, Merck oder Volkswagen, sind auch an der Börse notiert, wobei die Familie bei ihnen noch einen signifikanten Teil der Aktien hält. Dort liegt der Frauenanteil bei 10,3 Prozent, während er bei den Unternehmen, die zu 100 Prozent in Familienbesitz sind, nur 4,8 Prozent beträgt.
„Das Führungsverständnis erscheint zuweilen so alt wie die Unternehmen selbst“, schreiben die Autoren in ihrem Fazit. Schließlich werden nach den Recherchen der Stiftung Söhne in den Unternehmerfamilien noch immer gegenüber Töchtern bevorzugt, wenn es um Machtpositionen geht. Von den 43 Familienmitgliedern, die in den Geschäftsführungen der 100 größten Familienunternehmen arbeiten, sind nur drei Frauen, in den 27 Firmen, in denen ein Familienmitglied den Vorsitz der Geschäftsführung innehat, sind nur zwei weiblich: Nicola Leibinger-Kammüller leitet den schwäbischen Maschinenbauer Trumpf, Anna-Maria Braun den Mutterkonzern des Tuttlinger Medizintechnikunternehmens
Aesculap, B. Braun aus dem nordhessischen Melsungen.
Familienunternehmen in zweiter, dritter, vierter, fünfter oder sechster Generation seien Anpassungskünstler, sagen Wiebke Ankersen und Christian Berg, die Geschäftsführer der Allbright-Stiftung: „Sie haben Jahrzehnte überlebt, weil sie immer rechtzeitig die Zeichen der Zeit erkannt und genutzt haben.“Das sei eine große Stärke. Den „blinden Fleck“Frauenanteil sollten sie aber dringend angehen – gerade in der aktuellen Krise und der Zeit danach könnten sie von den betriebswirtschaftlichen Vorteilen einer robusten, gemischten Führung profitieren und auch ihrem Anspruch gesellschaftlicher Verantwortung besser gerecht werden: „Durch ihre machtvolle Position ist es für die Familien ein Leichtes, ihre Unternehmen hier schnell als Vorbilder an die Spitze zu bringen – sie müssen nur die strategischen Vorteile erkennen.“
Doch das ist noch ein langer Weg. Während zwar mehr als die Hälfte der untersuchten Unternehmen inzwischen von einem externen Manager geführt wird, sind die Führungsgremien ansonsten sehr homogen: Im Schnitt sind die Geschäftsführungsmitglieder männlich, Mitte Fünfzig, in Westdeutschland geboren und haben Wirtschaftswissenschaften studiert. Gut ein Drittel sind Ingenieure.
Börsennotierte Unternehmen sind da etwas offener. Dass die Strukturen noch so einheitlich sind, liege auch an den Netzwerken, in denen kaum Frauen vertreten seien. Die spielten eben auch bei der Rekrutierung neuer Führungsmitglieder eine wichtige Rolle. Je mehr weibliche Familienmitglieder aktiv im Unternehmen mitwirkten, desto häufiger seien auch andere Frauen in entscheidenden Positionen des Unternehmens vertreten. Unterschiedliche Hintergründe und Perspektiven aber seien für die Weiterentwicklung der Unternehmen heute besonders wichtig. Denn vielfältig zusammengesetzte Führungsteams hätten eine höhere Innovationskraft: Sie träfen am Ende die besseren und profitableren Entscheidungen.