Ipf- und Jagst-Zeitung

Der Treibstoff der Zukunft

Bundesregi­erung will mit Wasserstof­f die Energiever­sorgung sichern – und den Wirtschaft­sstandort stärken

- Von Finn Mayer-Kuckuk und Benjamin Wagener

GBERLIN/RAVENSBURG - Die Bundesregi­erung hat sich auf konkrete Schritte zur Entwicklun­g der Wasserstof­fwirtschaf­t geeinigt. „Wir müssen jetzt die Potenziale für Wertschöpf­ung, Beschäftig­ung und Klimaschut­z erschließe­n und nutzen“, sagte Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) am Mittwoch bei Vorstellun­g der offizielle­n Strategie. Kernpunkt: Bis zum Jahr 2030 sollen Anlagen zur Erzeugung von Wasserstof­f mit einer Leistung von fünf Gigawatt entstehen. Das ist mehr als die Leistung des derzeit größten deutschen Kohlekraft­werks. Es gehe darum, den Wasserstof­f schon in naher Zukunft zu einem wettbewerb­sfähigen Energieträ­ger zu machen, sagte Altmaier. Im Rahmen des Corona-Konjunktur­pakets hatte die Regierung bereits neun Milliarden Euro für die Förderung der Wasserstof­fwirtschaf­t zusagt.

Die verschiede­nen Bundesmini­sterien haben monatelang an der Strategie gearbeitet – und mussten dabei zum Teil unterschie­dliche Vorstellun­gen unter einen Hut bringen. Das Wirtschaft­s- und Energiemin­isterium hat dabei vor allem auf realistisc­hen Zielen beharrt, weil es am Ende die schwierige­n Teile der Umsetzung stemmen muss. Wasserstof­fanlagen brauchen erneuerbar­e Energie zum Betrieb – und die Aufstellun­g neuer Windräder wird zunehmend schwierig. Das Umweltmini­sterium musste zum Teil zurückstec­ken, hat sich jedoch insofern durchgeset­zt, als jetzt ein klarer Schwerpunk­t beim sogenannte­n grünen Wasserstof­f liegt, der aus Wind und Sonne hergestell­t wird. Die Alternativ­en sind grauer oder blauer Wasserstof­f, die aus Erdgas abgeschied­en werden und daher als wenig umweltfreu­ndlich gelten. Das Verkehrsmi­nisterium arbeitet seinerseit­s schon seit den 1990er-Jahren an eigenen Ideen zum Autofahren mit dem farblosen Gas.

Experten bewerten die Strategie insgesamt als gelungenen Entwurf für den Weg in die Wasserstof­fwelt. „Grundsätzl­ich sehen wir hier gute Impulse für eine Zukunft der grünen Energiever­sorgung“, sagt Matthias

Deutsch, Projektlei­ter für Energiespe­icher bei der Denkfabrik Agora Energiewen­de. Die Strategie lege den Schwerpunk­t auf die Abkehr der Industrie von der Nutzung von Kohle und Öl. Das sei richtig, weil hier Investitio­nen für Jahrzehnte getätigt werden. Die Weichenste­llung muss daher besonders früh erfolgen. Wenn erst einmal neue Stahlwerke stehen, die auf Kohle angewiesen sind, lasse sich diese Entscheidu­ng auf absehbare Zeit nicht korrigiere­n.

Auch Baden-Württember­gs Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­r-Kraut begrüßte das Konzept. „Die Strategie ist ein wichtiger Schritt, gerade für den Wirtschaft­sstandort Baden-Württember­g“, sagte die CDU-Politikeri­n am Mittwoch. „Sie eröffnet die große Chance, eine Wasserstof­fwirtschaf­t aufzubauen und neue Absatzmärk­te für Wasserstof­fund Brennstoff­zellentech­nologien zu etablieren.“

Der Einsatz von Wasserstof­f soll insgesamt die nächste Stufe der Energiewen­de ermögliche­n. Das Gas dient hier vor allem als Speicher für grünen Strom, der erst später gebraucht wird. Aus Wasserstof­f lassen sich dann vor Ort Elektrizit­ät und Wärme erzeugen. Außerdem kann er Fahr- und Flugzeuge sowie Industriea­nlagen antreiben. Zugleich will Altmaier mit seiner Strategie den Wirtschaft­sstandort zukunftsfä­hig machen. Auch Japan und China arbeiten an einer Wasserstof­fstrategie und haben bereits entspreche­nde Produkte auf dem Markt. Ohne einen Heimatmark­t könne die Industrie nicht zum weltweiten Anbieter von Zukunftste­chnik werden, sagt Altmaier.

Altmaier will damit in Absprache mit der Industrie die Anbieter von Anlagen stärken, die den Sauerstoff vom Wasserstof­f im Wasser abtrennen. Das sind beispielsw­eise die Sunfire GmbH aus Dresden oder der Großkonzer­n Siemens. Internatio­nale Konkurrent­en kommen aus Großbritan­nien, Italien, den USA, Japan oder China. Die Anbieter aus den Ländern, die schon früh Großaufträ­ge für den Bau massiver Angaben vergeben, haben nach Altmaiers Logik die besten Chancen am Weltmarkt.

Die Strategie umfasst jedoch nicht nur die Herstellun­g, sondern auch die Anwendung des Wasserstof­fs. Das umweltfreu­ndliche Gas spielt vor allem da eine Rolle, wo bisher Kohle unverzicht­bar ist – beispielsw­eise in Hochöfen. Stahl lässt sich aber eben auch mit Wasserstof­f erzeugen. Kurz nach Vorstellun­g der Strategie haben RWE und ThyssenKru­pp eine Vereinbaru­ng unterzeich­net: Bis 2025 wollen sie in Duisburg Stahl mit ausschließ­lich erneuerbar­er Energie herstellen.

Die Anwendung im Verkehr, beispielsw­eise für Lastwagen, sei ebenfalls wichtig, doch hier ist das Umsteuern nicht ganz so dringend, sagt Experte Deutsch von Agora Energiewen­de. „Hier gibt es ein größeres Zeitfenste­r und mehr Alternativ­en wie die reine Nutzung von Batterien.“Für den Personenve­rkehr stehen derzeit auch ganz klar die Batterieau­tos im Vordergrun­d. Doch gerade für den Transport von Gütern über weite Strecken wird Wasserstof­f nötig. Ein Kühllaster mit 25 Tonnen Fracht lässt sich nicht auf Akku durch die Gegend fahren.

 ?? FOTO: JOHN MACDOUGALL ?? Bundesfors­chungsmini­sterin Anja Karliczek (CDU) bei der Vorstellun­g der nationalen Wasserstof­fstrategie der Bundesregi­erung: „Je früher und beherzter wir einsteigen, desto größer ist unsere Chance, dass der Aufbau einer Wasserstof­fwirtschaf­t zu einem neuen Jobmotor in Deutschlan­d wird.“
FOTO: JOHN MACDOUGALL Bundesfors­chungsmini­sterin Anja Karliczek (CDU) bei der Vorstellun­g der nationalen Wasserstof­fstrategie der Bundesregi­erung: „Je früher und beherzter wir einsteigen, desto größer ist unsere Chance, dass der Aufbau einer Wasserstof­fwirtschaf­t zu einem neuen Jobmotor in Deutschlan­d wird.“

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