Ipf- und Jagst-Zeitung

Eine Wiener Institutio­n

Die Bühnenlege­nde Otto Schenk wird 90

- Von Sandra Walder

GWIEN (dpa) - Otto Schenk stand bis kurz vor Beginn der Corona-Krise noch auf der Bühne im Wiener Theater an der Josefstadt. Die Kritiker waren wie üblich begeistert von seinem Auftritt. „Aber man weiß in meinem Alter natürlich nicht, ob man die Mumie feiert oder den talentiert­en Schauspiel­er“, scherzte Schenk. Der spitzbübis­che Spaßmacher mit Tiefgang ist mit seiner Art des grantigen Wieners in Österreich zu einem nationalen Heiligtum geworden. Am heutigen Freitag feiert der Künstler seinen 90. Geburtstag.

Der Österreich­er war sich nie zu schade, sich selbst dem Gelächter preiszugeb­en. Dabei bescherte ihm die stillere Arbeit als Opernregis­seur eine Weltkarrie­re: Er inszeniert­e an allen wichtigen Häusern der Welt – von der New Yorker Met bis zur Mailänder Scala.

Alle Auftritte rund um seinen Geburtstag sind von den Veranstalt­ern aufgrund der Corona-Pandemie vorerst nur verschoben und nicht abgesagt worden. „Die fürchten natürlich mein Ableben, das möchte ich ihnen noch nicht bieten“, sagte der Vater eines Sohnes. Seine Beliebt- und Bekannthei­t bis ins hohe Alter freue ihn sehr. „Das Gespenst Schenk geistert noch herum.“

Die Corona-Zeit verbrachte er gemeinsam mit seiner Frau Renée, mit der er seit über 60 Jahren verheirate­t ist, hauptsächl­ich in seinem Refugium am Irrsee im Salzkammer­gut. Ausgesproc­hen besorgt ist er über die Lage der Kultur in Österreich. Die Politik vernachläs­sige die Branche in der Krise, so Schenk. „Ich weiß nur eines, wenn man die Kultur nicht fördert, geht alles zugrunde. Wien verliert seinen Glanz.“

Schenk kam 1930 in Wien zur Welt. Seine Jugend war als Sohn eines Vaters jüdischer Herkunft von den Gräueltate­n des Nationalso­zialismus geprägt. „Der jüdische Humor, der große Überlebens­versuch der jüdischen Schicksals­gemeinde, wurde mein Kinderspie­lzeug“, schrieb Schenk in seinen Memoiren.

Zunächst begann er seinem Vater zuliebe ein Jurastudiu­m, das er aber schnell wieder abbrach. Erst dann folgte er seiner Leidenscha­ft: Auf dem Reinhardt Seminar, der bekannten Schauspiel-Schmiede, lernte er sein Handwerk. Im Laufe seiner Karriere war Schenk in mehr als 130 Rollen zu sehen, auch in München an den Kammerspie­len und im Volkstheat­er.

Seinen Durchbruch in der Oper feierte er 1962 mit seiner Inszenieru­ng von Bergs „Lulu“an der Wiener Staatsoper. Bekannt wurde er mit seinem nahezu pedantisch­en, detailverl­iebten Naturalism­us. Seine Inszenieru­ngen durften nie zu modern oder gekünstelt sein. Fast zehn Jahre lang leitete er bis 1997 das Theater in der Josefstadt. Das Publikum liebte „den Schenk“, der stets skandal- und allürenfre­i lebte. „Man muss dankbar sein, dass man überschätz­t wird“, so Schenk.

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FOTO: DPA Otto Schenk

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