Der Rekordbayer des Rekordpokalsiegers
Thomas Müller liefert auch beim Münchner Halbfinalsieg im DFB-Pokal gegen Frankfurt
GMÜNCHEN - Thomas Müller ist einer, der stets über den Tellerrand hinausschaut. Ein ehrlicher Vertreter seiner Zunft, der Klartext spricht, wenn es schlecht läuft – obwohl sein FC Bayern gewinnt. Siehe das 2:1 im DFB-Pokalhalbfinale gegen Eintracht Frankfurt, zum 13. Mal in 20 Jahren (zum 24. Mal insgesamt) steht man im Endspiel. Nach sechs Geisterpartien innerhalb von 25 Tagen retteten müde Bayern den Erfolg über die Zeit. „Unsauber“, habe man gespielt, befand Müller und war „gefühlt alles andere als zufrieden“. Das Pressing, der letzte Pass, die Verwertung der Torchancen – alles halbgar. Das habe sich „durch die ganze Mannschaft gezogen“. Der Ex-Nationalspieler weiter: „Es war mit eines der pomadigsten Halbfinals, die ich in Erinnerung habe.“Er muss es wissen, hat er doch bereits elf bestritten.
Kritik, die anstacheln soll. Nicht nur die nahe, auch die mittelfristige Zukunft hat der 30-Jährige, im April ausgestattet mit einem um zwei Jahre bis 2023 verlängerten Vertrag, immer im Blick. Der Mann, seit der D-Jugend beim FC Bayern, sieht in seinem Arbeitgeber, mehr als einen bloßen Arbeitgeber. Auf Leverkusens Supertalent Kai Havertz, der am Donnerstag 21 Jahre alt wurde und von Europas Topclubs umgarnt wird, hielt Ex-Nationalspieler Müller bei „Sky“eine außerordentliche Lobrede: „In meinen letzten Zügen bei der Nationalelf bin ich in den Genuss gekommen, mit ihm trainieren und spielen zu dürfen. Kai Havertz ist ein extrem guter Spieler. In dem Alter, ein Toptalent Europas. Er hat so gute Fähigkeiten. Und natürlich wollen wir beim FC Bayern immer die Spieler mit den besten Fähigkeiten haben.“
Eine Charme-Offensive im Stile eines Sportdirektors – und das obwohl Mittelfeldspieler Havertz, der als Zehner oder Achter brilliert, bei einem Transfer nach München genau genommen ihm den Platz streitig machen könnte. Müller, bei Bayern neben seiner Haupttätigkeit als Fußballprofi als Humorminister unterwegs, jedoch nicht im Finanzministerium beschäftigt, ergänzte schulterzuckend: „Ich weiß jetzt nicht, was da geplant ist, welche Budgets da vergeben werden können in den aktuellen Zeiten.“In der Corona-Pandemie, während der sich auch die kickende Belegschaft des FC Bayern mit den Bossen auf einen Gehaltsverzicht geeinigt hatte. Seit April macht der Verzicht 20 Prozent des jeweiligen Salärs aus – mit Fortsetzung bis Saisonende, wie vor zwei Wochen von Präsident Herbert Hainer bestätigt. All das, damit der Verein dann mehr Spielraum habe, um international begehrte und im Paket von Ablöse und Unterhalt sündhaft teure Topstars wie Havertz oder Leroy Sané (Manchester City) zu verpflichten? „Es ist ja auch ein bisschen paradox, wenn man immer über Neuzugänge spricht und gleichzeitig Gehälter eingespart werden“, merkte Müller an. Die Botschaft dürfte ganz oben angekommen sein. Ob mit Wohlwollen oder Unverständnis wird sich zeigen. Müller wird das Vorgehen bei den Sommertransfers genau beobachten.
Und nebenbei einfach weiter konstant abliefern. In seinem 55. DFBPokalspiel war er am 50. Treffer (32 Tore, 18 Vorbereitungen) beteiligt. Seit Erfassung der Assists 2008/ 09 ist Müller der erste Spieler, der diese Marke knackt. Auf Twitter feierte seine Vorlage per feiner Flanke zum Führungstreffer von Ivan Perisic mit dem Wortspiel #thomassist. Noch mehr irre Fakten zum Rekordbayer des Rekordpokalsiegers? Bitte: Gegen die Eintracht gewann Müller bereits sein 47. DFB-Pokalspiel (Elfmeterschießen ausgenommen). Damit zieht er mit Torhüterlegende Sepp Maier und seinem Idol, dem „Bomber der Nation“Gerd Müller gleich. Mit jenem Namensvetter, der ihm an der Säbener Straße in seiner Zeit bei der zweiten Mannschaft (2007-09) wertvolle Vollstreckertipps für den Stürmerjob gab. Mittlerweile lebt der 74-Jährige an Demenz erkrankt in einem Pflegeheim etwas außerhalb von München.
Im Endspiel am 4. Juli in Berlin gegen Leverkusen steht das Müller'sche Überholmanöver in Sachen Cup-Einzelsiege an, daher twitterte Bayerns Mr. Pokal: „Oana gehd no, oana gehd oiwai“und fügte ehrfurchtsvoll den Hashtag „esgibtnureinengerdmüller“hinzu.