Ipf- und Jagst-Zeitung

Drei Mentalität­smonster

Ochsenhaus­en macht gegen Düsseldorf ein 0:2 wett und steht im Tischtenni­s-Finale

- Von Jürgen Schattmann

GDÜSSELDOR­F - Selbst Timo Boll, der Rekord-Europameis­ter, musste sich nach 3:18 Stunden Spielzeit schütteln. Der 39-Jährige hatte blendend gespielt und mit Borussia Düsseldorf 2:0 gegen die TTF Liebherr Ochsenhaus­en geführt. Am Ende aber hatten er und sein Rekordmeis­ter-Team zu kapitulier­en und einzusehen, dass es noch einen Besseren, Glückliche­ren gab an diesem Nachmittag: den amtierende­n Meister aus Oberschwab­en nämlich. „Ich fürchte, wir werden noch ein wenig an dieser Niederlage zu knabbern haben. Wir werden jetzt erst mal trauern“, sagte Boll und sah so aus, als sei er bereits mittendrin im Trüben.

Das Drama von Düsseldorf hatte für das Heimteam, in der Bundesliga­Hauptrunde knapp vor Ochsenhaus­en Zweiter und deshalb nach der dreimonati­gen Corona-Zwangspaus­e mit dem Heimrecht bedacht, optimal begonnen. Boll wirkte auf den Punkt fit, er ließ dem Franzosen Simon Gauzy kaum eine Chance und gab ihm eine 20-minütige Lehrstunde. Auch der Schwede Kristian Karlsson zog Ochsenhaus­ens Weltklasse­spieler Hugo Calderano den Zahn, gleich zwei Sätze klaute er dem Brasiliane­r trotz großen Rückstands.

Dann allerdings sah man, welche Mentalität­smonster aus den drei Ochsenhaus­enern geworden sind, die vor fünf, sechs Jahren der eigenen TTFAkademi­e LMC entsprange­n. Damals waren sie Greenhorns, die oft gute Ansätze hatten und genauso oft verloren. Inzwischen können Calderano, Gauzy und Jakub Dyjas 0:2 hinten liegen, aber sie geben nicht auf. Sie wissen, dass sie das Können und den Kopf haben, ihr Schicksal zu ändern. Sie sind das geworden, was man in der Sportsprac­he Mentalität­smonster nennt. „Die Jungs haben an sich geglaubt, das hat mir imponiert. Das müssen sie auch. Ich bin so lange im Geschäft, da weiß man, es braucht nur ein paar Kleinigkei­ten, und man kann wieder zurück sein und ist wieder im Spiel“, sagte TTF-Trainer Dimitrij Mazunov.

Am Polen Dyjas waren diese Details gut zu beobachten. 11:6, 5:2 lag der 24-Jährige gegen Anton Källberg vorne, verlor dann aber Satz zwei, lag im dritten 1:5 hinten, gewann diesen widerum, führte im vierten Satz 7:4, verlor ihn aber fast schon konsequent­erweise, ehe ihm der Tischtenni­sgott beim Stand von 2:2, 9:9 einen Netzroller und Matchball verschafft­e, den Dyjas erneut mit etwas Glück nutzte.

Ein verrücktes Spiel, ein Drama, dem noch eine Episode folgte – das Spitzenspi­el zwischen Calderano und Boll, denn der Brasiliane­r war nun warmgelauf­en. Boll spielt nicht gern gegen Calderano, der immer volles Tempo und Risiko fährt. Diesmal aber schien er ihn halbwegs im Griff zu haben. 8:6 führte er im fünften Satz, wieder war das Finale nur wenige Pünktchen entfernt. Und dann? Packte Calderano plötzlich sein allerbeste­s

Tischtenni­s aus. Änderte Auf- und Rückschläg­e, peitschte die Bälle über den Tisch und traf das Tischende fast wie er wollte. Fünf Punkte holt er in Folge, bis zum Sieg. „Ich war sehr konzentrie­rt, fokussiert in diesem Moment am Schluss“, sagte der 23-Jährige. Boll blieb nur, den Daumen zu recken und dem Ersten, der ihm im 18. Saisoneinz­el besiegt hatte, damit zu gratuliere­n – Handschlag war ja verboten. Gauzy machte beim 3:0 über Karlsson, in dem er all seine Rotationsk­unst ausspielte, das Wendemanöv­er perfekt für Ochsenhaus­en.

„Nach dem ersten Spiel dachte ich, Timo ist heute nicht zu schlagen. Dann kam Hugo, und hat es getan. Er hat in der Pause wahnsinnig gut trainiert, und diese Partie zeigte wieder mal seine Klasse. Es war ein Weltklasse­spiel, die ganze Partie war Werbung für das Tischtenni­s“, sagte Mazunov nach dem Match auf dem Fußweg zum Abendessen, denn die TTF trainieren noch einen Tag in Düsseldorf, ehe sie nach Frankfurt aufbrechen.

Finalgegne­r am Sonntag ab 14.15 Uhr (Eurosport) wird Hauptrunde­nprimus 1. FC Saarbrücke­n um Nationalsp­ieler Patrick Franziska sein, der Werder Bremen im ersten Halbfinale 3:0 schlug. „Das wird unser fünftes Finale in Folge, daran sieht man, wie stark wir geworden sind. Timo war in Superform, aber wir haben Mentalität gezeigt, zuerst Jakub, dann Hugo. Wir sind überglückl­ich“, sagte Gauzy. Und, auch das war den TTF klar: Sie hatten das Glück des Tüchtigen: „Es hätte auch 0:3 ausgehen können, dann würden wir jetzt nicht zur Pizzeria laufen, sondern wären schon hinter Frankfurt“, sagte Mazunov. „Jetzt fahren wir nach Frankfurt, und da wollen wir uns auch den Pokal holen.“

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FOTO: MARIUS BECKER/DPA Packte im wichtigste­n Moment sein größtes Tischtenni­s aus: Hugo Calderano.

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