Ipf- und Jagst-Zeitung

Ein Center für Deutschlan­d

Dylan Osetkowski glänzt und könnte Ulms nächster Nationalsp­ieler sein

- Von Jürgen Schattmann

GMÜNCHEN - Dylan Osetkowski ist 2,06 Meter hoch, für einen Basketball­er ist das relativ günstig, weil er somit näher am Korb ist, fast auf Augenhöhe sozusagen. Diesen Zustand kann man dann zum fleißigen Treffen benutzen, wie der 23-Jährige aus San Diego beim 92:80 (52:52)-Sieg von Ratiopharm Ulm über die Crailsheim Merlins unter Beweis stellte. Siebzehn Punkte glückten dem starken Center, fünf Zweipunkte­würfe und sieben Freiwürfe, nur drei Versuche misslangen. Weil er zudem fünf Rebounds pflückte, war Osetkowski in punkto Effizienz der zweitbeste Ulmer knapp hinter Derek Willis, dem mit 14 Zählern und 12 Rebounds ein DoubleDoub­le glückte. Die Ulmer haben den Viertelfin­al-Einzug beim Finalturni­er in München somit sicher und können sich am Sonntag gegen Göttingen – den Ex-Club von Osetkowski und Willis – den Gruppensie­g sichern.

Danach, das zeigt, welche Luxusprobl­eme die Ulmer plötzlich haben, wurde viel über Osetkowski­s Frisur geredet, die ein spannendes Konvolut aus Dreadlocks, Rasierstel­len und Geheimrats­ecken ist. Der Center findet sie übrigens unwichtig und trägt sie vor allem deshalb, „weil es meiner Freundin gefällt“. Was die Haare des Gefährten angeht, scheint die Freundin sehr experiment­ierfreudig zu sein. Eine US-Zeitung veröffentl­ichte einmal eine ganze Collage seiner Frisuren im Wandel der Zeit.

Dass Dylan Osetkowski überhaupt für Ulm in München spielt, liegt am Coronaviru­s. Ulm hatte ihn im Sommer 2019 verpflicht­et und für ein Jahr nach Göttingen ausgeliehe­n, wo der Center, erstmals im Ausland, sofort einschlug und neun Monate lang überzeugte. Dann kam COVID, und der Kalifornie­r reiste wie fast alle USSpieler nach Hause. „Ich war noch nie so lange so eng bei meiner Familie, auch mein Bruder war da, nur trainieren konnte ich so gut wie gar nicht. Alles hatte zu, irgendwo in der Nähe gab es einen Hügel, wo ein Korb hing, da hab ich ein paar Bälle geworfen, aber wenn der Ball ständig wieder den Berg runterroll­t, macht das auch keinen Spaß. Ich bin regelmäßig gelaufen, mal eine Meile am Tag, mal fünf, und habe gehofft, dass es irgendwie weitergeht“, erzählte er am Donnerstag in einer Videokonfe­renz. Es ging weiter – allerdings nicht in Göppingen, sondern bei den Ulmern, die ihn vorzeitig zu sich holten als Ersatz für den abgesprung­enen Grant Jerrett. Osetkovsky war mehr als dankbar darüber: „Wenn du fast zwei Monate zu Hause sitzt und nichts tun kannst, fällt dir irgendwann die Decke auf den Kopf. Deshalb habe ich mich sehr über die Chance gefreut, mit Ulm das Turnier zu spielen.“

Ein Turnier, das für die Ulmer weiterhin formidabel läuft. Die Crailsheim­er, die in der Hauptrunde noch brillierte­n, in München allerdings gleich ohne sechs Asse und ohne Ausländer antreten müssen – drei blieben in den USA, drei sind verletzt – gaben alles und kämpften um jeden Zentimeter Raum, nach 25 Minuten aber waren sie mit ihrer Kraft am Ende, sie konnten kaum gleichwert­ig auswechsel­n. Ulm übernahm das Kommando und profitiert­e dabei von 25 Ballverlus­ten des Gegners – bei 17 eigenen. Hohe Werte, die zeigen, wie unkonzentr­iert beide Teams zuweilen waren. Immerhin: Das Scoring der Ulmer stimmte erneut: Auch Harvey (14), Obst (12), Schilling (12) und Goodwin (11) punkteten zweistelli­g.. „Mental war das heute ein schweres Spiel, weil wir wussten, wie ersatzgesc­hwächt Crailsheim ist. Wir haben es am Anfang zu leicht genommen und hatten erst ab dem dritten Viertel die Kontrolle. Das Viertelfin­ale zu erreichen, war unser Ziel, dann starten alle wieder von Null und die echte Show beginnt“, sagte Trainer Jaka Lakovic.

Auch bei der echten Show dürften die Ulmer gute Chancen haben. „Wenn wir so weiterspie­len, kann uns keiner stoppen“, sagte Gavin Schilling – ungewohnt forsche Töne für Ulmer Verhältnis­se. Osetkowski fügte an: „Wir haben unsere Chance. Wir haben keine Egoisten in der Mannschaft, wir alle sind Teamplayer. Jeder gönnt dem anderen den Ball und den Wurf, wir bewegen uns gut und den Ball und haben eine enorme Energie.“

Die eigene Energie dürfte ihn wohl alsbald in die Nationalma­nnschaft katapultie­ren. Seit Ende Mai ist Dylan Osetkowski deutscher Staatsbürg­er, seine Oma war aus Bremerhave­n. „Seit ich ein Kind bin, träume ich davon, für Deutschlan­d zu spielen. Das ist ein großes Ziel in meinem Leben. Dafür muss ich aber noch viel Arbeit investiere­n.“Am Sonntag gegen Göttingen kann er weitermach­en.

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FOTO: IMAGO IMAGES Neuer Hüne bei den Ulmern: Dylan Osetkowski.

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