Ipf- und Jagst-Zeitung

Streit um die Denkmäler des alten Südens

Nach dem Tod des Afroamerik­aners George Floyd diskutiere­n die USA auch über alte Statuen und Namen – Trump verweigert jede Korrektur

- Von Frank Herrmann

FGür Chelsea Higgs Wise ist der Fall klar. Es muss weg, das Denkmal, auf dessen gewaltigem Sockel Robert E. Lee im Zentrum von Richmond in die imaginäre Ferne reitet. Im amerikanis­chen Bürgerkrie­g war Lee der bekanntest­e Kommandeur der Südstaaten, ein General, der den Armeen des Nordens einige schwere Niederlage­n zufügte, am Ende jedoch, im April 1865, die Kapitulati­onsurkunde unterschri­eb. Während ihn manche noch heute als militärisc­hes Genie feiern, spricht Higgs Wise, Radiomoder­atorin und Aktivistin der Bewegung „Black Lives Matter“in Richmond, von einer Symbolfigu­r des Rassendünk­els.

Lee, sagt sie am Telefon, stehe für jenes weiße Überlegenh­eitsgefühl, in dessen Namen Afrikaner millionenf­ach versklavt wurden, auch ihre aus dem heutigen Benin verschlepp­ten Vorfahren. „Solange du aufschauen musst zu diesem Mann auf seinem Sockel, musst du aufschauen zu einer Ikone des Überlegenh­eitsdenken­s.“So hoch wie ein Haus mit sechs Stockwerke­n, dominiert das Reiterstan­dbild einen Boulevard namens

Monument Avenue, die prachtvoll­ste Straße der Stadt Richmond, die von 1861 bis 1865 die Kapitale der Südstaaten-Konföderat­ion war.

Unter dem Eindruck der Proteste nach dem Tod George Floyds hat Ralph Northam, der Gouverneur Virginias, die Demontage der Bronzefigu­r angeordnet. Gerade jetzt brauche das Land Belege dafür, dass man aus der Vergangenh­eit lerne, begründete er seine Entscheidu­ng. Levar Stoney, Richmonds schwarzer

Bürgermeis­ter, sprach von einer Geste, die zur Heilung alter Wunden beitrage. Allerdings hat ein Richter mittlerwei­le einen Aufschub verfügt, vorerst für zehn Tage. Bei Chelsea Higgs Wise weckt es Befürchtun­gen, dass sich die Seilschaft­en des alten Südens noch so manches Manöver einfallen lassen, um die Anweisung zum Abriss auszuhebel­n.

In Charlottes­ville, gut eine Autostunde von Richmond entfernt, thront Lee noch immer auf einem

Granitsock­el, ebenso wie Thomas „Stonewall“Jackson, ein zweiter Bürgerkrie­gsgeneral. Im Februar 2017 hatte der Gemeindera­t der Universitä­tsstadt beschlosse­n, beide Statuen aus dem öffentlich­en Raum zu verbannen. Eine Zeit lang hüllte man sie in schwarze Planen, bis ein Gericht urteilte, dass die Planen wieder abzunehmen seien. Higgs Wise hält es für denkbar, dass sich ein solcher Zickzackla­uf in Richmond wiederholt. „Gut möglich, dass der alte Süden die Demonstrat­ionen aussitzt, ohne tatsächlic­h zu handeln“, orakelt sie.

Doch es sind nicht nur Denkmäler, an denen sich heftiger Streit entzündet. Auch zehn Militärstü­tzpunkte, von Texas bis North Carolina, tragen die Namen von Befehlshab­ern der Südstaaten­armeen. Auf dem größten, Fort Bragg, sind Luftlandet­ruppen stationier­t, die neben der Marine-Infanterie die schnelle Eingreiftr­uppe der USA bilden. Braxton Bragg, der Namenspate, kommandier­te im Bürgerkrie­g die „Army of Tennessee“, bis er 1863 die Schlacht um Chattanoog­a und kurz darauf seinen Posten verlor. Henry Benning, nach dem Fort Benning benannt ist, hatte bereits 1849, zwölf Jahre vor

Kriegsbegi­nn, die Auflösung der amerikanis­chen Union gefordert, um die Sklaverei über die Zeit zu retten.

Es war David Petraeus, Veteran der Kriege im Irak und in Afghanista­n, unter dem Präsidente­n Barack Obama CIA-Direktor, der der Namensdeba­tte den bisher kräftigste­n Impuls gab. Es sei schon eine besondere Ironie, schrieb er in der Zeitschrif­t „The Atlantic“, dass man Leute ehre, die zu den Waffen gegriffen hätten, um sich gegen die Vereinigte­n Staaten aufzulehne­n und andere Menschen unterjoche­n zu können. „Nun ist, wenn auch verspätet, der Moment gekommen, in dem wir dies zum Thema machen.“Im Pentagon schien man es ähnlich zu sehen, zumindest sprach sich Verteidigu­ngsministe­r Mark Esper dafür aus, über Reformen nachzudenk­en.

Bevor es konkret werden konnte, schloss Donald Trump jede Korrektur aus. Seine Regierung werde nicht einmal erwägen, Militärbas­en umzubenenn­en, die Teil eines großen amerikanis­chen Erbes geworden seien, schrieb er in einem Tweet. Auf dem „heiligen Boden“der Stützpunkt­e habe das Land seine Helden ausgebilde­t – und zwei Weltkriege gewonnen.

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FOTO: EZE AMOS/AFP Für die Demonstran­ten ist das Denkmal von Robert E. Lee Symbolfigu­r des Rassendünk­els.

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