Nervöse Börse
Konjunktureinschätzung der Fed sorgt für Einbruch an Finanzmärkten – Ist die seltsame Kursrallye der vergangenen Wochen jetzt beendet?
GFRANKFURT - Es werde ein langer und unsicherer Weg werden. Die mahnenden Worte von Jerome Powell, Chef der US-amerikanischen Notenbank (Fed) hatten es in sich, in Folge stürzten die Kurse an den internationalen Börsen deutlich ab, im Dax lagen die Verluste am Donnerstag nach der Rede Powells bei 4,5 Prozent.
Dabei sprach Powell eigentlich nur aus, was die meisten Ökonomen schon seit Wochen voraussagen – und Wirtschaftsdaten auch bestätigen. So sind die deutschen Exporte im April um fast ein Drittel eingebrochen. Es war der größte Rückgang der Ausfuhren in einem Monat seit Beginn der Aufzeichnungen 1950. Und auch in anderen Wirtschaftsbereichen ist die aktuelle Lage noch düster und die Aussichten bestenfalls trübe.
Umso erstaunlicher, dass das bis zu dieser Woche an den Börsen mehr oder minder spurlos vorbeigegangen war. Denn zu Wochenbeginn näherte sich Deutschlands wichtigstes Börsenbarometer wieder der Marke von 13 000 Punkten an – und damit dem
Höhenflug aus den Tagen vor dem großen Einbruch durch die CoronaKrise an den Börsen. „Hinter der starken Erholung der zurückliegenden Wochen steckt zum einen der feste Glaube an eine Überwindung der wirtschaftlichen Bremseffekte durch die Covid-19-Krise“, sagte Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka Bank. „Zum anderen sind es aber auch die schwindelerregenden Stützungspakete von Notenbanken und Regierungen. Sie spülen neue Liquidität an die Anlagemärkte.“
So haben die großen Notenbanken in den verschiedenen Wirtschaftsregionen der Welt spätestens im Zuge der Pandemie ihre Leitzinsen auf null gesetzt. Zudem kaufen die Währungshüter etwa in den USA, in Japan und auch in Europa massiv Anleihen auf, um auf diese Weise Geld in die Märkte zu pumpen und die wirtschaftliche Erholung zu erleichtern.
Erst in der vergangenen Woche hatte die Chefin der Europäischen
Zentralbank, Christine Lagarde, angekündigt, das laufende Krisen-Aufkauf-Programm von 750 Milliarden auf 1,35 Billionen Euro zu erhöhen und länger laufen zu lassen. Da solche Anleihekäufe auch den gewünschten Nebeneffekt haben, die Zinsen an den Anleihemärkten zu senken, sind Anleihen für Anleger kaum noch rentabel. Also greifen sie zu risikoreicheren Papieren am Aktienmarkt, was dort die Kurse treibt.
So war die amerikanische Technologiebörse Nasdaq in dieser Woche auf den höchsten Stand der Geschichte geklettert und stieg erstmals über die Grenze von 10 000 Punkten. Dass gerade Technologietitel gefragt sind, hat aber noch einen weiteren Grund: Einige Unternehmen aus der Branche wie etwa der Onlinehandelsgigant Amazon sind Krisengewinner. Denn durch den Lockdown in fast allen Ländern der Welt und Ausgehbeschränkungen hat der Onlinehandel natürlich profitiert.
Dass die Kurse in den vergangenen Wochen so stark wieder angezogen haben, hat einige Beobachter dazu gebracht, von der „meistgehassten“Börsenrallye zu sprechen. Denn viele Anleger hat der steile Aufwärtstrend überrascht, sie blieben quasi an der Seitenlinie und reagierten zu spät, um auf den fahrenden Zug noch aufzuspringen. Andererseits birgt der steile Aufwärtsgang aber eben genau diese Gefahr von deutlichen Rückschlägen, wie man das in dieser Woche beobachten konnte. Vor allem auch, weil die wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise sich vor allem in den Geschäftszahlen des zweiten Quartals dieses Jahres zeigen werden – und die stehen noch aus. Anzunehmen, dass Jerome Powell recht behält: Es wird für Wirtschaft und Börsen ein langer und unsicherer Weg werden, aus dieser Krise herauszukommen. Und das wird für manche Höhenflüge, aber auch deutliche Rückschläge sorgen.