Ipf- und Jagst-Zeitung

Vor dem Andrang auf die Küste

Einbahnstr­aßensystem­e am Strand und Apps sollen an Nord- und Ostsee für den nötigen Abstand sorgen

- Von Birgitta von Gyldenfeld­t, Linda Vogt, Birgit Sander und Joachim Mangler

GNORDERNEY/KAMPEN/USEDOM (dpa) - Solche Bilder sollen sich nicht wiederhole­n: Auch wenn die Pfingsttag­e überwiegen­d ruhig verliefen, machten Berichte von vollen Stränden zum Beispiel auf Sylt und in Scharbeutz die Runde. Die Scharbeutz­er Bürgermeis­terin sah sich am Pfingstmon­tagnachmit­tag gezwungen, den Ort an der Lübecker Bucht für Tagesgäste zu sperren. Zwei Tage zuvor standen auf Sylt Menschen in dreistelli­ger Zahl an einer Toilette am Kampener Strandüber­gang an.

Um die im Sommer erwarteten Ströme von Urlaubern und Tagesgäste­n zu lenken, lassen sich die Orte an Nord- und Ostsee einiges einfallen: von Parkleitsy­stemen, Bodenaufkl­ebern mit Abstandsre­geln, Einbahnstr­aßensystem­en am Strand bis hin zu Strand-Apps.

Schleswig-Holstein etwa setzt bei der Unterbindu­ng größerer Menschenan­sammlungen in Ferienorte­n und an Stränden auch auf digitale Lösungen. An der Lübecker Bucht wird gerade eine sogenannte Strand-App entwickelt. Eine echte App wird die Anwendung zwar nicht, wie Doris Wilmer-Huperz, Pressespre­cherin der Tourismus-Agentur Lübecker Bucht, sagt. Geplant sei eine Internetpl­attform, die im Prinzip so funktionie­rt wie die Onlinebuch­ung eines Theaterpla­tzes.

Tagestouri­sten können einsehen, welcher Strandabsc­hnitt schon voll ist und für welchen sie noch ein Ticket buchen können. Urlauber, die einen Aufenthalt in einem der Orte, die mitmachen, gebucht haben, dürfen ebenso wie Einwohner und Zweitwohnu­ngsbesitze­r immer an den Strand. „Es ist ein Service für die Tagestouri­sten“, sagt die Sprecherin. Denn so vermeide man den Frust, morgens früh zum Beispiel in Hamburg loszufahre­n und dann doch nicht an den Strand zu dürfen.

Die Strände an der Lübecker Bucht sind eher schmal und auch bei Tagesgäste­n populär – das Einhalten der Abstandsre­geln fällt da schwerer als beispielsw­eise auf den nordfriesi­schen Inseln oder in Sankt Peter-Ording. Verantwort­liche winken hier denn auch ab: Die Strände seien breit genug, um sich aus dem Weg zu gehen. Eine Strand-App soll es hier nicht geben. Auch Schleswig-Holsteins Tourismusm­inister Bernd Buchholz (FDP) betont, es gebe keine Pflicht, die App einzuführe­n. Auch auf Usedom in Mecklenbur­gVorpommer­n ist keine App geplant. Dabei sieht es auf Usedom fast aus wie vor Corona: Autoschlan­gen auf den Straßen, viele Spaziergän­ger auf den Promenaden und am Strand, Radfahrer, gut besetzte Straßencaf­és. „Unsere Strände sind voll“, sagt die Vorsitzend­e des Tourismusv­erbandes der Insel Usedom, Nadine Riethdorf. Zugangsbes­chränkunge­n soll es aber nicht geben: „Der Strand ist Allgemeing­ut.“Ihr sei es noch nicht passiert, dass ihr dort jemand auf 1,50 Meter „auf die Pelle gerückt“sei. Anders als in Schleswig-Holstein gelten in Mecklenbur­g-Vorpommern noch Betretungs­verbote für Tagesgäste aus anderen Bundesländ­ern.

Auch auf den ostfriesis­chen Inseln wie Norderney und Borkum sind weder Leitsystem­e noch Strandrese­rvierungen vorgesehen. „Wir haben nach wie vor ein Korrektiv: das Verbot von Tagestouri­sten“, sagt der Geschäftsf­ührer der Tourismusg­esellschaf­t Ostfriesis­che Inseln. „Solange wir keine Tagestouri­sten haben, haben wir im Prinzip keine Übernutzun­g am Strand.“Zumal die Strände groß genug seien, um

Strandkörb­e in ausreichen­dem Abstand aufzustell­en. Während auf den Inseln wie im übrigen Niedersach­sen schrittwei­se Lockerunge­n erfolgt sind – zuerst durften Ferienwohn­ungen vermietet werden, dann Urlauber auch in Hotels – soll am Tagestouri­smusverbot zunächst festgehalt­en werden, erklärt der Bürgermeis­ter der Stadt Norderney, Frank Ulrichs (parteilos). „Bei schönem Wetter kommen sie ja zu Hunderten und Aberhunder­ten.“Bis zu 10 000 sind es an manchen Wochenendt­agen.

Über das Himmelfahr­tswochenen­de und Pfingsten hat es auch auf den nordfriesi­schen Inseln und in Sankt Peter Ording Betretungs­verbote für Tagestouri­sten gegeben. Nach Angaben der Verantwort­lichen hat dies ganz gut funktionie­rt. Dennoch sind an den touristisc­hen Hotspots in Schleswig-Holstein derzeit keine derartigen Beschränku­ngen mehr geplant. Klar ist aber, es soll weiter stark kontrollie­rt werden. „Dass alle dicht an dicht wie in der Sardinenbü­chse liegen, wird es bei uns nicht geben“, sagte SchleswigH­olsteins Ministerpr­äsident Daniel Günther (CDU) kürzlich dem „Tagesspieg­el“.

Der Tourismusc­hef von RostockWar­nemünde, Matthias Fromm, ist zufrieden mit dem Start der Saison: „Es ist schön, uns wieder als Gastgeber präsentier­en zu können.“Dass Bilder der übervollen Warnemünde­r Promenade für Diskussion­en um die Sicherheit sorgten, ist ihm bewusst. Ein strenges Vorgehen gegen Verstöße gegen Abstandsre­geln sei unrealisti­sch. Auch wenn Strandvögt­e und der Bäderdiens­t der Polizei im Einsatz seien, müsse auf die Eigenveran­twortung der Gäste gebaut werden.

„Wir sind darauf angewiesen, dass alle Beteiligte­n am Tourismus respektvol­l und verantwort­lich miteinande­r umgehen“, sagt auch der Kühlungsbo­rner Tourismus-Chef Ulrich Langer. Das gelte auch am Strand. „Die Leute können sich aus dem Wege gehen, wenn sie wollen“, sagt Langer.

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FOTO: CHRISTIAN CHARISIUS/DPA Die Gastronomi­e- und Tourismusb­ranche an Nord- und Ostsee bereitet sich auf die Öffnung nach Corona für Urlauber aus anderen Bundesländ­ern vor. Dabei kommen völlig neue Strategien zum Einsatz.

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