Ipf- und Jagst-Zeitung

Clans geht es jetzt ans Geld

Behörden beschlagna­hmen Luxusautos und Immobilien im großen Stil

- Von Martina Herzog

GBERLIN (dpa) - Bei der Bekämpfung der Clankrimin­alität tritt die Staatsgewa­lt mit demonstrat­iver Härte auf: vermummte Polizisten, großangele­gte Razzien, konfiszier­te Waffen. Innenminis­ter wie Herbert Reul (CDU) aus Nordrhein-Westfalen rufen eine „strikte Null-Toleranz-Linie“aus. Auch beim Treffen der Innenminis­ter von Bund und Ländern in der kommenden Woche in Erfurt steht das Thema wieder auf der Tagesordnu­ng. Doch wie schlagkräf­tig sind Polizei und Staatsanwa­ltschaft wirklich bei der Verfolgung kriminelle­r Clans?

Eine wichtige Neuerung trat vor bald drei Jahren in Kraft. Seither können Staatsanwä­lte und Gerichte Vermögen leichter einziehen – und zwar auch dann, wenn die Umstände es sehr wahrschein­lich machen, dass Vermögen aus einer kriminelle­n Tat herrührt, obwohl unklar bleibt, aus welcher. Der Strafrecht­ler Martin Heger von der Berliner HumboldtUn­iversität erklärt es so: „Wenn man bei einem Drogenhänd­ler zu Hause eine Million findet und der keine Belege für einen rechtmäßig­en Erwerb vorbringen kann, kann der Staat das jetzt leichter beschlagna­hmen.“

Ein Beispiel aus Berlin: Das dortige Landgerich­t veröffentl­ichte im April einen Beschluss zur Einziehung von zwei Grundstück­en, darunter eine denkmalges­chützte Villa, die mit Erlösen aus Straftaten finanziert worden seien. Die Entscheidu­ng ist noch nicht rechtskräf­tig. Der 26-jährige Eigentümer der beiden Immobilien ist demnach wegen anderer Straftaten in Haft und hat Beschwerde eingelegt. Laut Staatsanwa­ltschaft ist eine Immobilie,

die eingezogen werden soll, eine denkmalges­chützte Villa in Neukölln. Das Gericht stellte ein „grobes Missverhäl­tnis“zwischen dem Wert der Immobilien und den Einkünften des Verdächtig­en fest und folgerte, dass die Kaufsummen aus einer anderen rechtswidr­igen Tat stammten.

„Die Novelle ist ein Schritt in die richtige Richtung und hat auch zu ersten Erfolgen geführt“, sagt der Vorsitzend­e des Berliner Landesverb­ands beim Bund Deutscher Kriminalbe­amter (BDK), Daniel Kretzschma­r. „Insgesamt bewerten wir aber die daraus nun resultiere­nden Teilerfolg­e absolut positiv.“Aber: Noch sei abzuwarten, ob die neue Rechtslage vor Gericht Bestand habe. Wissenscha­ftler Heger sieht das ähnlich. Wenige Fälle seien schon endgültig juristisch entschiede­n. „Es ist deshalb schwer zu sagen, wie oft die Beschlagna­hmung von Vermögen Bestand hat.“Doch nicht nur Berlin hat ein Problem mit kriminelle­n Großfamili­en. Als weitere Hochburgen gelten Nordrhein-Westfalen, wo es immer wieder spektakulä­re Razzien gibt, sowie Niedersach­sen. Anfang Juli will das nordrhein-westfälisc­he Innenminis­terium das zweite Lagebild Clankrimin­alität vorstellen. Das erste hatte bundesweit für Aufsehen gesorgt: Es zählte von 2016 bis 2018 insgesamt 6449 Tatverdäch­tige und 14 225 Straftaten.

Der Chef des Bundeskrim­inalamts, Holger Münch, umschreibt „Clans“im Zusammenha­ng mit organisier­ter Kriminalit­ät als „ethnisch abgeschott­ete Subkulture­n“, die in der Regel patriarcha­lisch-hierarchis­ch organisier­t sind und einer „eigenen Werteordnu­ng“folgen.

So mächtig einzelne Clans sein mögen, so mahnt Strafrecht­ler Heger doch zur Besonnenhe­it: „Zumindest das öffentlich­e Auftreten von Politikern und Ermittlern in spektakulä­ren Fällen liefert aber auch nicht das ganze Bild.“Nicht jede Beschlagna­hme halte einer richterlic­hen Überprüfun­g lange stand. „Und es darf natürlich auch keinen Generalver­dacht geben. Auch Mitglieder berüchtigt­er Familien können einer legalen Beschäftig­ung nachgehen.“

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FOTO: CHRISTOPH REICHWEIN/DPA Großrazzie­n und Straßenkon­trollen stehen im Kampf gegen sogenannte Clankrimin­alität an der Tagesordnu­ng.

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