Indigene Völker sind Virus ausgeliefert
Hunger droht: Die Comboni-Missionare erbitten Spenden für Brasilien und Peru
GELLWANGEN - Die strenge Quarantäne in Peru hat nicht dazu beigetragen, die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen. Täglich steigt die Zahl der Infizierten und Toten. Pater Juan Goicochea aus Lima berichtet von der besorgniserregenden Situation in dem lateinamerikanischen Land. In Brasilien sind dagegen die indigenen Völker den Viren der Weißen schutzlos ausgeliefert, schreibt Pater Franz Weber.
„Die Lage ist hart hier. Die Situation droht außer Kontrolle zu geraten. Nicht nur wegen der Hungersnot, jetzt sterben die Leute vor den Krankenhäusern an Covid-19“, schreibt Pater Juan Goicochea aus Lima: „Mehrere Leute von unserer Pfarrei sind schon tot, viele andere von Corona angesteckt. Ich bin jeden Tag unterwegs, um Lebensmittel zu verteilen und oft, um Kranke zu transportieren.“Der Comboni-Missionar berichtet in seinen Mails von der angeordneten sozialen Isolation und von der prekären Situation des peruanischen Gesundheitssystems. Alle Grenzen seien geschlossen, auch der Inlandsverkehr sei eingestellt. Viele dürften nicht mehr arbeiten, man dürfe nur zum Einkaufen von Lebensmitteln und Medikamenten raus. Peru sei wie gelähmt. Viele Menschen hätten kein Geld mehr für Lebensmittel.
In Peru leben 72 Prozent der Bevölkerung von einem Tag auf den anderen, so Pater Juan Goicochea: „Wenn sie heute arbeiten, essen sie, wenn sie nicht arbeiten, essen sie nicht.“Fünf Millionen Peruaner hätten überhaupt keinen Zugang zu Trinkwasser, davon eine halbe Million in Lima. „In unserer Gemeinde gibt es mehrere Viertel ohne Wasser oder Abwasser“, berichtet der Comboni-Missionar und fragt: „Wie können sich die Leute vor dieser Pandemie schützen, wenn Hygiene unerlässlich ist?“
In einfachsten Häusern teilten sich oft mehrere Personen ein Zimmer. Goicochea befürchtet jedoch, dass viele nicht am Virus sterben, sondern an Hunger. Den Ärmsten der Armen helfen die Comboni-Missionare in Zeiten von Corona mit Essenspaketen. „Wir hatten vor der Corona-Krise fünf Pfarrkantinen und viele extrem arme Menschen, die von ihnen abhängig waren, neben einer Reihe von sozialen Projekten. Jetzt mussten wir alle diese Zentren schließen“, blickt Goicochea zurück. Er berichtet auch von einer Million venezolanischen Flüchtlingen im Land.
Das am heftigsten vom Coronavirus betroffene Land Lateinamerikas ist Brasilien. Bilder von Massengräbern am Stadtrand von Manaus, in denen die Opfer der Corona-Pandemie von Baggern verscharrt werden, sind um die Welt gegangen. „Die Corona-Epidemie, die auch in Ländern der Ersten Welt Politik, Medizin und Wissenschaft vor große Herausforderungen stellt, bringt in armen und zugleich reichen Ländern wie Brasilien noch deutlicher brutale Machenschaften einer Politik und Ökonomie zum Vorschein, die man ohne Wenn und Aber als Todsünden benennen muss – weil sie besonders die, die dem Fortschritt im Wege stehen und wie Rest- und Problemmüll entsorgt werden müssen, zum Tod verurteilt“, schreibt Pater Franz Weber.
Der Comboni-Missionar kritisiert in diesem Zusammenhang insbesondere den brasilianischen Präsidenten
Jair Bolsonaro und den von brasilianischen Eliten aus reiner Profitgier betriebenen Raubbau im Regenwald. Riesige Flächen des tropischen Regenwaldes im Amazonasgebiet seien gezielt in Brand gesteckt worden, um Acker- und Weideland zu gewinnen, um nach Gold zu graben und um andere Bodenschätze zu bergen. Weber befürchtet die Ausrottung der noch über dreihundert existierenden indigenen Völker und Gruppen. Papst Franziskus habe davor gewarnt, die indigenen Völker als Hindernis für den Fortschritt zu betrachten.
Die indigenen Völker Brasiliens seien vor dem Hintergrund dieser Regierungspolitik der tödlichen Gefahr durch das Coronavirus ausgesetzt, so Pater Weber. Die wachsende Zahl von Infizierten aus ihren eigenen Reihen wecke bei den Indigenen traumatische Erinnerungen an frühere Epidemien, die viele Stämme drastisch dezimiert und teilweise vollständig ausgerottet hätten. Durch den Bau der Transamazonica-Straße seien Tausende Yanomani der von den Arbeitern eingeschleppten Grippe, der Tuberkulose und den Masern zum Opfer gefallen. Ganze Dörfer seien in den Busch geflohen, um sich vor den Invasoren zu schützen.
„In dramatischen Appellen weisen die Anführer der indigenen Völker darauf hin, dass die Immunsysteme ihrer Stammesangehörigen den Viren der Weißen schutzlos ausgeliefert sind“, berichtet Weber. Vor diesem Hintergrund hätten Führungskräfte einzelner indigener Gruppen Straßensperren errichtet, um Touristen und Händlern den Zugang zu ihren Dörfern zu verwehren.
Die Comboni-Missionare arbeiten seit einigen Jahren in vier Bundesstaaten der brasilianischen Amazonasregion. „Es ist eine bescheidene, aber engagierte Präsenz bei den Armen, unter indigenen Gruppen, Afrobrasilianern und unter den Kleinbauern und Siedlern an den Ufern der Flüsse und unter anderem auch an der Peripherie von Manaus“, schreibt Pater Franz Weber.