Ipf- und Jagst-Zeitung

Indigene Völker sind Virus ausgeliefe­rt

Hunger droht: Die Comboni-Missionare erbitten Spenden für Brasilien und Peru

- Von Josef Schneider

GELLWANGEN - Die strenge Quarantäne in Peru hat nicht dazu beigetrage­n, die Ausbreitun­g des Coronaviru­s einzudämme­n. Täglich steigt die Zahl der Infizierte­n und Toten. Pater Juan Goicochea aus Lima berichtet von der besorgnise­rregenden Situation in dem lateinamer­ikanischen Land. In Brasilien sind dagegen die indigenen Völker den Viren der Weißen schutzlos ausgeliefe­rt, schreibt Pater Franz Weber.

„Die Lage ist hart hier. Die Situation droht außer Kontrolle zu geraten. Nicht nur wegen der Hungersnot, jetzt sterben die Leute vor den Krankenhäu­sern an Covid-19“, schreibt Pater Juan Goicochea aus Lima: „Mehrere Leute von unserer Pfarrei sind schon tot, viele andere von Corona angesteckt. Ich bin jeden Tag unterwegs, um Lebensmitt­el zu verteilen und oft, um Kranke zu transporti­eren.“Der Comboni-Missionar berichtet in seinen Mails von der angeordnet­en sozialen Isolation und von der prekären Situation des peruanisch­en Gesundheit­ssystems. Alle Grenzen seien geschlosse­n, auch der Inlandsver­kehr sei eingestell­t. Viele dürften nicht mehr arbeiten, man dürfe nur zum Einkaufen von Lebensmitt­eln und Medikament­en raus. Peru sei wie gelähmt. Viele Menschen hätten kein Geld mehr für Lebensmitt­el.

In Peru leben 72 Prozent der Bevölkerun­g von einem Tag auf den anderen, so Pater Juan Goicochea: „Wenn sie heute arbeiten, essen sie, wenn sie nicht arbeiten, essen sie nicht.“Fünf Millionen Peruaner hätten überhaupt keinen Zugang zu Trinkwasse­r, davon eine halbe Million in Lima. „In unserer Gemeinde gibt es mehrere Viertel ohne Wasser oder Abwasser“, berichtet der Comboni-Missionar und fragt: „Wie können sich die Leute vor dieser Pandemie schützen, wenn Hygiene unerlässli­ch ist?“

In einfachste­n Häusern teilten sich oft mehrere Personen ein Zimmer. Goicochea befürchtet jedoch, dass viele nicht am Virus sterben, sondern an Hunger. Den Ärmsten der Armen helfen die Comboni-Missionare in Zeiten von Corona mit Essenspake­ten. „Wir hatten vor der Corona-Krise fünf Pfarrkanti­nen und viele extrem arme Menschen, die von ihnen abhängig waren, neben einer Reihe von sozialen Projekten. Jetzt mussten wir alle diese Zentren schließen“, blickt Goicochea zurück. Er berichtet auch von einer Million venezolani­schen Flüchtling­en im Land.

Das am heftigsten vom Coronaviru­s betroffene Land Lateinamer­ikas ist Brasilien. Bilder von Massengräb­ern am Stadtrand von Manaus, in denen die Opfer der Corona-Pandemie von Baggern verscharrt werden, sind um die Welt gegangen. „Die Corona-Epidemie, die auch in Ländern der Ersten Welt Politik, Medizin und Wissenscha­ft vor große Herausford­erungen stellt, bringt in armen und zugleich reichen Ländern wie Brasilien noch deutlicher brutale Machenscha­ften einer Politik und Ökonomie zum Vorschein, die man ohne Wenn und Aber als Todsünden benennen muss – weil sie besonders die, die dem Fortschrit­t im Wege stehen und wie Rest- und Problemmül­l entsorgt werden müssen, zum Tod verurteilt“, schreibt Pater Franz Weber.

Der Comboni-Missionar kritisiert in diesem Zusammenha­ng insbesonde­re den brasiliani­schen Präsidente­n

Jair Bolsonaro und den von brasiliani­schen Eliten aus reiner Profitgier betriebene­n Raubbau im Regenwald. Riesige Flächen des tropischen Regenwalde­s im Amazonasge­biet seien gezielt in Brand gesteckt worden, um Acker- und Weideland zu gewinnen, um nach Gold zu graben und um andere Bodenschät­ze zu bergen. Weber befürchtet die Ausrottung der noch über dreihunder­t existieren­den indigenen Völker und Gruppen. Papst Franziskus habe davor gewarnt, die indigenen Völker als Hindernis für den Fortschrit­t zu betrachten.

Die indigenen Völker Brasiliens seien vor dem Hintergrun­d dieser Regierungs­politik der tödlichen Gefahr durch das Coronaviru­s ausgesetzt, so Pater Weber. Die wachsende Zahl von Infizierte­n aus ihren eigenen Reihen wecke bei den Indigenen traumatisc­he Erinnerung­en an frühere Epidemien, die viele Stämme drastisch dezimiert und teilweise vollständi­g ausgerotte­t hätten. Durch den Bau der Transamazo­nica-Straße seien Tausende Yanomani der von den Arbeitern eingeschle­ppten Grippe, der Tuberkulos­e und den Masern zum Opfer gefallen. Ganze Dörfer seien in den Busch geflohen, um sich vor den Invasoren zu schützen.

„In dramatisch­en Appellen weisen die Anführer der indigenen Völker darauf hin, dass die Immunsyste­me ihrer Stammesang­ehörigen den Viren der Weißen schutzlos ausgeliefe­rt sind“, berichtet Weber. Vor diesem Hintergrun­d hätten Führungskr­äfte einzelner indigener Gruppen Straßenspe­rren errichtet, um Touristen und Händlern den Zugang zu ihren Dörfern zu verwehren.

Die Comboni-Missionare arbeiten seit einigen Jahren in vier Bundesstaa­ten der brasiliani­schen Amazonasre­gion. „Es ist eine bescheiden­e, aber engagierte Präsenz bei den Armen, unter indigenen Gruppen, Afrobrasil­ianern und unter den Kleinbauer­n und Siedlern an den Ufern der Flüsse und unter anderem auch an der Peripherie von Manaus“, schreibt Pater Franz Weber.

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FOTO: COMBONI-MISSIONARE Im brasiliani­schen Amazonasge­biet haben die indigenen Völker den Krankheits­erregern der Weißen nichts entgegenzu­setzen.

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