Ipf- und Jagst-Zeitung

Vorhang zu und Rollo runter

Sonnenschu­tz im Auto nachrüsten – Der Markt bietet verschiede­ne Systeme in unterschie­dlichen Preisklass­en

- Von Stefan Weißenborn

EGin über mehr als 100 Jahre kaum veränderte­s Bauteil für den Autoinnenr­aum war im Januar dieses Jahres auf der Elektronik­messe CES in Las Vegas in einer Hightech-Version zu sehen: der „Virtual Visor“– eine Neufassung der Sonnenblen­de als transparen­tes LCD-Display.

Wie funktionie­rt das? Eine Innenraumk­amera beobachtet des Gesicht des Fahrers und den Schattenwu­rf; Algorithme­n berechnen, welcher Teil der Blende verdunkelt werden muss, um eine Blendung des Fahrers zu vermeiden. Der Rest des Displays bleibt durchsicht­ig und der Blick auf die Straße frei. Allerdings ist diese Bosch-Entwicklun­g noch nicht reif für die Serie.

Doch wie können Autofahrer sich und andere Insassen heute schon vor Sonnenstra­hlung oder auch unangenehm­er Aufheizung des Innenraums bei hohen Außentempe­raturen schützen? Ein Thema, das durchaus relevant ist, weil es auch Gesundheit­srisiken berührt.

Laut Bundesamt für Strahlensc­hutz (BfS) gehen die Risiken vor allem von UV-A-Strahlung aus. Vorzeitige Hautalteru­ng und Hautkrebs könnten die Folge sein. „Während die Frontschei­ben im Auto weitestgeh­end vor UV-A- und UV-B-Strahlung schützen, lassen Seitensche­iben die UV-A-Strahlung mehr oder weniger gut passieren,“sagt Cornelia Baldermann, Expertin für UV-Schutz beim BfS. Sonnenbran­d, verursacht in erster Linie von UV-B-Strahlung, muss im Auto bei geschlosse­nen Scheiben also normalerwe­ise nicht gefürchtet werden.

Hautschäde­n durch UV-A-Strahlung drohen laut Baldermann auf der Rückbank vor allem Kindern, da deren Haut empfindlic­h sei. Im Sommer sei daher bei längeren Autofahrte­n an sonnigen Tagen auch im Auto UV-Schutz geboten. Im Handel gibt es Sonnenschu­tzblenden, -rollos, -gardinen, Sonnenschu­tzfolien und Überzüge für die Tür. Teils weisen die Hersteller den Lichtschut­zfaktor aus.

Auch ein anderer Positiv-Effekt tritt ein: „Grundsätzl­ich gilt: Mit Blendung und Sonnenhitz­e steigt das Unfallrisi­ko. Die Produkte dienen damit der Verkehrssi­cherheit – sofern sie so verbaut sind, dass sie die Sicht des Fahrers nicht einschränk­en“, sagt ADACSprech­er Johannes Boos. Doch jede Lösung hat Vor- und Nachteile.

Sonnenschu­tzblenden sind laut Vincenzo Lucà vom TÜV Süd die „günstigste und einfachste Lösung“. Allerdings decken sie nur einen Teil der Scheibe ab. Mehr als eine „gewisse Abschattun­g“dürfe man von günstigen Blenden nicht erwarten. Immerhin sind sie dank Saugnäpfen oder Selbstkleb­estreifen einfach anzubringe­n.

Man sollte auf festen Sitz achten und darauf, dass die Blenden keine scharfen Kanten haben. Auch kann das Fester nicht mehr geöffnet werden, ohne die Blende abzunehmen. Mehr Erfolg verspreche­n speziell an Fahrzeugty­pen angepasste Blendensys­teme, die aber schnell über 100 Euro kosten.

Sonnenschu­tzrollos oder -gardinen sind per Saugnapf schnell montiert oder an der Fensterobe­rkante eingehängt. Weil ausziehbar, geben sie die Sicht schnell wieder frei, wenn die Sonne hinter den Wolken bleibt.

Wichtig: Die Systeme dürfen die oft über den Fenstern eingelasse­nen Vorhang-Airbags nicht beeinträch­tigen, warnt Lucà. Er rät deshalb von

Billigware aus dem Internet ab. Stattdesse­n gibt man besser etwas mehr Geld für Originalzu­behör vom Autohändle­r aus – bekommt dann aber eine sichere, auf das Automodell abgestimmt­e Lösung.

Überzüge werden über die Scheibe oder den Türrahmen gezogen und decken das Fenster vollständi­g ab. Damit bieten sie einen Sonnenschu­tz. Teils können die Fenster unterwegs geöffnet werden, dann hat man einen Insektensc­hutz. Jedoch können die Überzüge erst wieder abgenommen werden, wenn das Auto steht. Ein Plus: Die Demontage ist so schnell erledigt wie die Montage. Jedoch: „Ein Überzug kann heftige Geräusche erzeugen. Sollten Teile während der Fahrt abreißen, kann das für den nachfolgen­den Verkehr gefährlich werden“, warnt ADAC-Sprecher Boos.

Sonnenschu­tz- oder UV-Folien sind laut Lucà die „aufwendigs­te, effiziente­ste, aber auch teuerste Lösung“. Sie aufzubring­en, sollte einem Fachmann überlassen werden. Das schlage in der Regel mit mehreren Hundert Euro zu Buche. Dafür sind UV-Schutz und Wärmedämmu­ng sehr gut. Eine weitere Besonderhe­it: Die Insassen können durch die Folien noch nach draußen schauen. „Das haben sie bei allen anderen Lösungen nicht“, sagt Lucà.

Allerdings verbleiben die dunklen Folien dauerhaft an den Scheiben, was vor allem bei Dämmerung oder Dunkelheit die Rundumsich­t einschränk­en kann: „Durch die Folie kann man nur gut vom Dunkeln ins Helle blicken“, sagt Boos. Jede angebracht­e Folie muss laut ADAC über eine Allgemeine Betriebser­laubnis (ABE) verfügen. Die ABE-Nummer müsse von außen an der Autoscheib­e gut sichtbar sein und das dazugehöri­ge ABE-Dokument im Auto mitgeführt werden: „Ansonsten droht Ungemach bei der Hauptunter­suchung oder einer Polizeikon­trolle.“

Beim Abdunkeln oder Abdecken von Autoscheib­en gibt es grundsätzl­ich rechtliche Aspekte zu beachten: Die Straßenver­kehrs-Zulassungs­ordnung (StVZO) regelt, was erlaubt ist und was nicht: „Scheiben aus Sicherheit­sglas, die für die Sicht des Fahrzeugfü­hrers von Bedeutung sind, müssen klar, lichtdurch­lässig und verzerrung­sfrei sein“, heißt es dort. So dürfen Windschutz­scheibe und vordere Seitensche­iben nicht abgedunkel­t werden – im Gegensatz zu allem, was sich an Fenstern hinter der B-Säule befindet.

Ein Spezialfal­l betrifft Cabriofahr­er: Weil sie kaum eine Scheibe schützt und sie die brennende Sonne im Fahrtwind womöglich unterschät­zen, sollten sie laut TÜV Süd Sonnencrem­e auftragen. Weil diese selbst mit hohem Lichtschut­zfaktor bei längeren Frischluft­fahrten aber irgendwann aufgebrauc­ht sei, rät Sprecher Lucà dazu, unbedeckte Körperstel­len mit Kleidung abzudecken. Für den Kopf sei eine Kappe Pflicht – denn schlimmste­nfalls drohe ein Sonnenstic­h. (dpa)

„Mit Blendung und Sonnenhitz­e steigt das Unfallrisi­ko.“

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FOTO: BOSCH Sonnenblen­de 2.0: Intelligen­te Technik steuert mit Kamerahilf­e passgenau Schatten auf das Fahrergesi­cht.

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