Ipf- und Jagst-Zeitung

Ärger um Aufenthalt­sdauer in LEA

Strobl will auch Kinder bis zu zwei Jahre lang in Einrichtun­g unterbring­en – Grüne dagegen

- Von Katja Korf

GSTUTTGART - Sie bitten um Asyl, haben aber schlechte Aussichten in Deutschlan­d zu bleiben: Diese Menschen sollen nach dem Willen der Bundesregi­erung rasch in ihre Heimatländ­er zurückkehr­en. Bis dahin sollen sie, wenn möglich, in einer Erstaufnah­meeinricht­ung leben. Doch wie lange ist das vor allem Familien mit kleinen Kindern zuzumuten? Bis zu zwei Jahren, fordert Südwest-Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) – die Grünen sind dagegen.

Es geht um Menschen aus sicheren Herkunftsl­ändern. Als solche stuft die Bundesregi­erung Staaten ein, in denen aus Sicht ihrer Experten Menschen in der Regel nicht vom Staat verfolgt werden. Dazu gehören derzeit alle EU-Länder, die Balkanstaa­ten des ehemaligen Jugoslawie­ns sowie Ghana und der Senegal. Zwar hören Mitarbeite­r des Bundesamte­s für Migration (Bamf) auch diese Asylbewerb­er wie alle anderen persönlich an, in Einzelfäll­en wird weiter Asyl gewährt. Doch das Verfahren ist kürzer, die Bewerber haben weniger Möglichkei­ten, sich vor Gericht gegen eine Ablehnung zu wehren.

2015 verzeichne­te das Innenminis­terium rund 17 000 Asylanträg­e aus solchen Ländern, 19 wurden bewilligt. Mit der Zahl der Flüchtling­e insgesamt sank die der Menschen aus sicheren Herkunftss­taaten stark. 2019 gab es rund 1270 Asylanträg­e, drei beschied das Bamf positiv. Seit 2015 schoben die Behörden knapp 9300 Menschen ab, weitere kehrten freiwillig in ihre Heimat zurück.

Asylbewerb­er leben die ersten Tage im Ankunftsze­ntrum in Heidelberg. Sie werden dort registrier­t, medizinisc­h untersucht und stellen oft ihren Asylantrag. Von dort werden sie auf Landeserst­aufnahmeei­nrichtunge­n (LEAs) verteilt – etwa nach Sigmaringe­n oder Ellwangen. Doch die beengten Zustände mit Mehrbettzi­mmern und Gemeinscha­ftsbädern sind Menschen nicht unbegrenzt zuzumuten, urteilten Juristen. Daher mussten Asylbewerb­er bis August 2019 in der Regel spätestens nach sechs Monaten in andere Unterkünft­e als die LEAs kommen. Dort stehen ihnen zum Beispiel mindestens sieben Quadratmet­er pro Person zu.

Im August 2019 verabschie­dete die Bundesregi­erung aus CDU und SPD das „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“: Es soll Abschiebun­gen beschleuni­gen. Seitdem müssen Menschen bis zu 18 Monate in LEAs leben. Noch länger bleiben muss, wer etwa seinen Namen und seine Herkunft falsch angibt oder gegen andere Auflagen verstößt. Doch eine Frist wurde 2019 verkürzt: Familien mit minderjähr­igen Kindern, die aus sicheren Herkunftss­taaten kommen, müssen nun wie alle anderen Familien auch schon nach einem halben Jahr aus den LEAs verlegt werden.

Das stört Landesinne­nminister Thomas Strobl (CDU). Ein Sprecher verweist zur Begründung auf den Koalitions­vertrag mit den Regierungs­partnern von den Grünen. Dort sei vereinbart: „Flüchtling­e ohne Bleibepers­pektive sollen nicht mehr in die Kommunen verteilt werden. Rückführun­gen sollen unmittelba­r aus den Erstaufnah­meeinricht­ungen heraus erfolgen.“Menschen aus sicheren Herkunftss­taaten hätten kaum Chancen, in Deutschlan­d zu bleiben. Deshalb sei es sinnvoller, sie in den LEAs zu lassen, bis sie Deutschlan­d freiwillig verließen oder abgeschobe­n würden. „Bei vollziehba­r ausreisepf­lichtigen Ausländern aus sicheren Herkunftsl­ändern, die sich noch nicht lange im Bundesgebi­et aufhalten, kann die Rückführun­g regelmäßig schnell erfolgen“, so der Sprecher.

Die Länder können von den vom Bund vorgesehen­en Aufenthalt­sfristen in den LEAs abweichen. Strobl plädiert dafür, dass Baden-Württember­g eine eigene Frist setzt. Menschen aus sicheren Herkunftsl­ändern sollen bis zu 24 Monate in den LEAs wohnen müssen, auch Familien mit kleinen Kindern. Derzeit leben laut Ministeriu­m rund 200 Personen aus diesen Ländern mit mindestens einem Angehörige­n in LEAs.

Doch die Grünen ziehen da nicht mit. „Auch der Bundesgese­tzgeber hat deutlich gemacht, dass die Wohnverpfl­ichtung in Aufnahmeei­nrichtunge­n für Kinder und Jugendlich­e sowie ihre sorgeberec­htigten Eltern und Geschwiste­r generell höchstens sechs Monate gelten soll. Das muss auch für Familien mit minderjähr­igen Kindern aus sicheren Herkunftss­taaten gelten“, erklärt ihr innenpolit­ischer Sprecher Hans-Ulrich Sckerl. Er bezweifelt, dass Familien rascher abgeschobe­n werden könnten, wenn sie länger in den LEAs bleiben müssen. „Und weiter muss mit Blick auf die Bekämpfung der Corona-Pandemie die Bildung von kleinen Einheiten und eine schnelle Verlegung der Flüchtling­e unsere oberste Priorität sein“, so Sckerl.

Er verweist auf andere Bundesländ­er, die seine Rechtsauff­assung teilten – wie zum Beispiel Bayern. Ein Sprecher des dortigen Innenminis­teriums bestätigt: Familien mit kleinen Kindern bleiben in Bayern höchstens sechs Monate in Erstaufnah­meeinricht­ungen, auch jene aus den sicheren Herkunftsl­ändern.

Im Südwesten stocken die Gespräche zwischen Grünen und CDU, deshalb steht das Thema auf der Tagesordnu­ng für eine der nächsten Runden des Koalitions­ausschusse­s mit den Spitzen der Regierungs­parteien.

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FOTO: ULI DECK/DPA Wann dürfen asylsuchen­de Familien aus sicheren Herkunftsl­ändern die Sammelunte­rkunft des Landes verlassen? Darüber gibt es in der grün-schwarzen Landesregi­erung Streit.

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