Urlaub in Deutschland bevorzugt
Trotz geöffneter Grenzen schwenken viele auf Ferien hierzulande um – Es drohen Engpässe in der Sport- und Freizeitbranche
GBERLIN - Zahlreiche Familien erleben in diesen Tagen eine Enttäuschung: Das gewünschte Zelt, Paddelboot oder Fahrrad ist plötzlich ausverkauft und erst im Herbst wieder lieferbar – zu spät für die Sommerferien. Denn die Corona-Situation hat nicht nur eine neue Begeisterung für den Urlaub in der deutschen Natur geweckt. Sie stört gleichzeitig auch die Nachschubwege für Waren aus Osteuropa und China. „Wir erleben gerade, wie es die Menschen aller Gesellschafts- und Altersschichten für Bewegung und Sport an die frische Luft und in die Natur zieht“, sagt Jan Lorch, der bei dem Anbieter Vaude Sport aus Tettnang im Bodenseekreis für Vertrieb zuständig ist. Lorch ist zugleich Vorsitzender der Fachgruppe Outdoor im Bundesverband der Deutschen Sportartikel-Industrie.
Auch das Statistische Bundesamt verzeichnete im Mai einen Umsatzsprung im Handel mit Fahrrädern, Sport- und Campingartikeln. Der Absatz von Sportwaren stieg um 12,5 Prozent, während fast der gesamte übrige Einzelhandel ein herbes Minus
verkraften musste. Im Verlauf der Pandemie haben auch die Preise für Fitnessgeräte um ein Sechstel angezogen. Der Branchenverband ist gleichwohl optimistisch, dass die meisten Kunden am Markt fündig werden. „Ein allgemeiner Engpass ist in den Sommerferien nicht zu befürchten.“In den meisten Fällen seien die Waren für die Sommersaison schon vor Corona in den Lagern angekommen.
Trotz Aufhebung von Reisewarnungen für viele beliebte Urlaubsländer schwenken derzeit viele Deutsche auf Urlaub im Inland um. Einerseits sind die Kapazitäten der Ferienziele immer noch eng bemessen, andererseits erscheint ein Auslandsaufenthalt angesichts der weiterlaufenden Pandemie weiterhin als Risiko. Jeder Zweite will Tagesausflüge in die Umgebung unternehmen, wenn eine Fernreise nicht möglich ist, lautet das Ergebnis einer Umfrage der Mediaagentur Pilot. Auch der Kurzurlaub im Inland steht demnach hoch in Kurs.
Doch auch Ferienhäuser, Mietboote und andere inländische Erholungsangebote sind bereits noch stärker gebucht als in normalen Jahren. Da liegt der Gedanke nahe, sich endlich die eine eigene Ausrüstung für seinen Lieblingssport anzuschaffen. Doch wenn alle den gleichen Gedanken haben, können einzelne Artikel durchaus knapp werden. Beispiel Kajaks: Im Onlineshop des Händlers Denk Outdoor aus Neuburg bei Passau hat sich für Modelle beliebter Marken wie Seabird oder Nortik die Lieferzeit von normalerweise zehn auf bis zu 100 Tage erhöht.
Denk Outdoor begründet die Verlängerung der Lieferzeiten einerseits mit der hohen Nachfrage, andererseits aber auch mit der Lage der Hersteller. „Aufgrund der Corona-Situation arbeiten die meisten Zulieferer nur mit wenig Personal und können teilweise nicht produzieren oder nur eingeschränkt“, sagt Geschäftsführer Thomas Hinkel. „Dadurch kommt es derzeit zu massiven Lieferengpässen und einer schwierigen Informationsweitergabe.“
Das Unternehmen bemühe sich aber sehr, möglichst viele seiner Kunden noch vor den Ferien mit den begehrten Artikeln zu versorgen.
Auch Vaude verzeichnet ein reges Marktgeschehen. „Wir stellen in den letzten Wochen eine erhöhte Nachfrage nach Artikeln im Radbereich fest“, sagt ein Sprecher. Sowohl Bekleidung als auch Radtaschen seien sehr gefragt. Die höhere Nachfrage lasse sich nicht immer vollständig befriedigen, weil „die Produktionsplanung recht langfristig“erfolgt.
Es gebe in der Outdoor-Branche eine klare Winter- und eine Sommersaison, und für den Sommer ist die Produktion längst abgeschlossen. „Für die Wintersaison rechnen wir nicht mit Lieferverzögerungen oder Engpässen“, teilt Vaude mit. Die Ware sei zum größeren Teil bereits produziert und derzeit schon per Schiff auf dem Weg nach Europa. Das Familienunternehmen stellt rund ein Sechstel seiner Waren in Deutschland her. Die besonders wasserdichten und hochwertigen Radtaschen werden beispielsweise vor Ort produziert. Für die übrigen Artikel ist auch Vaude auf Zulieferungen aus Asien angewiesen.