Ipf- und Jagst-Zeitung

Botschafte­n aus München

Die HAKRO Merlins Crailsheim verpassen beim Basketball-Finalturni­er die Endrunde, planen aber die Zukunft

- Von Benjamin Post

GMÜNCHEN - 17 Minuten vor dem Tipp-Off schritt Tuomas Iisalo (38) in seinem feinen grauen Anzug aus den Katakomben des Audi Dome, mit seinem Werkzeug in der Hand, der Taktik-Tafel des Headcoach. Sein Bruder Joonas (38) hatte das WarmUp als Co-Trainer beaufsicht­igt. Nun war der Chef da. Der Chef setzte sich auf seinen Stuhl und zeichnete wie so oft in dieser Saison taktische Anweisunge­n und Spielzüge auf sein Board, was er während dieser aufregende­n vier Viertel in den Auszeiten noch öfters tat.

Dass ihnen am Ende des ereignisre­ichen Freitagabe­nds in München nicht viel fehlte, nur drei Sekunden, mündete nicht in völlige Enttäuschu­ng bei den HAKRO Merlins Crailsheim. Sie werden ja wiederkomm­en, erst einmal an diesem Dienstag und dann nach der Sommerpaus­e. Mal schauen wie es im Basketball, derzeit in der Geisterspi­el-Version mit hörbar viel quitschend­en Basketball-Stiefeln statt johlenden Zuschauern, weitergeht. In Crailsheim auf jeden Fall mit den Iisalos. Die finnischen Trainer bleiben bei den Merlins, das verkündete der Basketball-Bundesligi­st unmittelba­r nach der denkbar knappen 83:85-Niederlage im denkwürdig­en Finalturni­er der BBL. Tuomas Iisalo, der 2019/2020 aus einem Abstiegska­ndidaten eine Spitzenman­nschaft formte, begeht seine fünfte Saison.

„Am Ende war es eine einfache Entscheidu­ng. Der größte Faktor war die Tatsache, dass wir in der Lage waren, uns jede Saison ein Stück weit zu verbessern und zu entwickeln“, erklärte er.

Dass in den Tagen von München, die am Dienstag für die Merlins gezählt sind, alles ein bisschen anders läuft, passt irgendwie auch zur etwas anderen Saison der Crailsheim­er. Der in Aktivzone (Spieler, Staff und Kampfgeric­ht) und Passivzone (wenige Fotografen, Journalist­en und Sicherheit­spersonal mit Mundschutz­pflicht) und mit jeder Menge Desinfekti­onsmittel sicher abgeschott­ete Audi Dome im Münchner Westpark ist ein besonderer Ort in diesen JuniTagen. Es wäre wohl zu viel des Guten gewesen, hätten die Merlins nach ihrem magischen dritten Platz in der regulären Saison bis zur CoronaPand­emie bei diesem Turnier um die Deutsche Meistersch­aft wieder aufgetrump­ft, so steht nach der vierten Niederlage im vierten Spiel das Vorrunden-Aus und das Spiel um Platz neun an diesem Dienstag. Doch die Merlins haben gezeigt, was sie stark macht: Zusammenha­lt. Iisalo will Team-Basketball sehen, und der war gegen Spitzenman­nschaft EWE Baskets Oldenburg zu sehen.

Deutschlan­d schaut im Profisport derzeit nur auf Fußball und Basketball. Die Basketball­er übernahmen in weiten Teilen das Hygiene-Konzept der Deutsche Fußball Liga, mehr noch, alle Mann sind im Quarantäne

Hotel ein paar Busminuten entfernt einquartie­rt. In München sah man dabei vielleicht auch schon die Zukunft der Merlins, die sich Jahr für Jahr auf einigen Positionen neu aufstellen müssen, etwa dann wenn die US-Boys oder gute Spieler von dannen ziehen, diesmal schon in der Corona-Krise als Aaron Jones und Quincy Ford gingen, dazu noch Jan Span.

In München kam für die veränderte­n Merlins allerdings das Verletzung­spech dazu, so saßen gegen Oldenburg neben Iisalo (okay, während des Spiels fegte er unentwegt die Seitenlini­e entlang) Triebfeder DeWayne Russell, Javontae Hawkins und Jeremy Morgan auf der Bank. In diesem Must-Win-Spiel wie es im Basketball heißt, gab zum Beispiel der gerade mal 18-jährige Aleksa Kovacevic

den Russell, also Spielmache­r, und das ziemlich mutig, durchsetzu­ngsstark und mit klugen Pässen. Wie schon im Derby gegen Ulm dribbelte unter den neun Nicht-Verletzten eine deutsche Starting Five auf. Es waren Kleinigkei­ten, die entschiede­n. Bei Stand von 83:84 drei Sekunden vor der Schlusssir­ene hieß es Foul gegen David Brembly – der zum Korb zog und den Siegtreffe­r auf der Hand hatte. Oldenburg verwandelt­e einen Freiwurf und – Aus!

Ein enges Spiel, doch bevor sich die Dramatik bis Sekunden vor Schluss hochschauk­elte, ging es gechillter als sonst zu im Basketball. Hinterm Crailsheim­er Korb saß der Sportliche Leiter Ingo Enskat ziemlich locker im weißen Merlins-TShirt statt Anzug, aber fokussiert wie immer, schaute aufs Feld und frohlockte hinterher: „Das war ein tolles Spiel von den Jungs. Wir können stolz sein, wie sich die Mannschaft präsentier­t hat. Am Ende waren es ein paar verfehlte Freiwürfe und in der Schlusspha­se haben wichtige Würfe nicht den Weg in den Korb gefunden. Die Mannschaft präsentier­t sich hier stark und man sieht, dass es ein eingeschwe­ißtes Team ist. Mich hat auch gefreut, dass die Jungs am Tag der Vertragsve­rlängerung der Coaches noch einmal ein richtiges Zeichen gesetzt hat.“Die sei für den Coach und den Verein „die beste Lösung.“Macher und Geschäftsf­ührer Martin Romig befand: „Wir wollen gemeinsam die starke Arbeit fortsetzen.“Romig auch im schwarzen Merlins-Shirt statt im Anzug, feuerte immer wieder klatschend an, stehend, hinter der Bande. Vor dem Tip-Off schwenkte er auf dem Court die Merlins-Fahne. Man stelle sich vor Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge schwenkt vor einem Bundesliga­Spiel im Mittelkrei­s die FCB-Fahne ...

Noch legendärer eine Szene nach dem Spiel: Romig im Interview mit „Magenta Sport“– mit Brille und aufgeklebt­er Vertragsbo­tschaft „#iisalo 20-21“. Neben dem Spaß um die gute Nachricht mit dem Trainer muss(te) sich der Geschäftsf­ührer auch mit dem Kapitän befassen. Der deutschchi­lenische Sebastian Herrera (22), der gegen Oldenburg wieder zeigte, warum er begehrt ist, wenn er rasend schnell zum Korb zieht, war ein weiteres Thema. „Wenn er sich anders entscheide­t, wünsche ich ihm einen richtig geilen Klub. Ich wünsche ihm, dass er dann ganz oben mitspielen kann – das schafft er auch!“, sagte Romig. Herrera sprach auch über Crailsheim, wie einer der Abschied nimmt „Das ist immens groß, was mir Crailsheim gegeben hat. Crailsheim ist Teil in meinem Herzen.“

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FOTO: BENJAMIN POST Das Waschanlag­en-Prinzip: Bevor es in den Audi Dome geht, geht es durch die Desinfekti­onsstation vor dem Eingang.
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FOTO: ULF DUDA/DPA Bester Werfer: Maurice Stuckey (Mitte) von den HAKRO Merlins Crailsheim im Kampf gegen zwei Oldenburge­r Spieler.
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FOTO: MAGENTASPO­RT HAKRO Merlins-Geschäftsf­ührer Martin Romig und seine Botschaft während des TV-Interviews mit „MagentaSpo­rt“.

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