Ipf- und Jagst-Zeitung

Machtlos gegen „Franz“und das China-Ass

Titelverte­idiger TTF Ochsenhaus­en unterliegt dem 1. FC Saarbrücke­n im deutschen Tischtenni­sfinale mit 1:3

- Von Jürgen Schattmann

GFRANKFURT - Saarbrücke­n war, wenn man so will, schon immer ein ElDorado für Tischtenni­sspieler, und das lag vor allem am großen ATSV, der zweimal den Landesmeis­ter-Cup holte und in den 80er-Jahren die Großen der Welt beherbergt­e: Dragutin Surbek, Stellan Bengtsson, Jan-Ove Waldner, Jörgen Persson, Carl Prean und der deutsche Anführer Georg Böhm, alle verdingten sich an der Saar, bis 1992, als sich der ATSV finanziell angeschlag­en zurückzog. Es dauerte bis zum Sonntag, dass Saarbrücke­n wieder einen Coup landete. Der 1. FC, der mit seiner Tischtenni­s-Abteilung seit 2009 in der Bundesliga spielt, schaffte die Revanche gegen Titelverte­idiger TTF Liebherr Ochsenhaus­en und schlug das Team des scheidende­n Trainers Dimitrij Mazunov in der Frankfurte­r Fraportare­na mit 3:1.

Es war ein lang ersehnter Titel für den FCS: Neunmal in Folge stand das Team zuvor im Halbfinale, dreimal sogar im Finale, und für die Mäzene Erwin Berg und seinen Sohn Roland, die Mäzene des Ausrüsters Tibhar, dürfte es eine Genugtuung gewesen sein. Der Jubel war jedenfalls groß, als das Team den Pokal hochstemmt, wenn er auch mit Mundschutz­masken ein wenig surreal wirkte.

Es war ein Erfolg, der nicht zufällig zustande kam – und auch einer Großinvest­ition der Geldgeber zu verdanken war. Im Sommer hatte Saarbrücke­n Shang Kun verpflicht­et (28), einen chinesisch­en Ex-Nationalsp­ieler. Shang war von 2014 bis 2016 jeweils Dritter der chinesisch­en Meistersch­aft, 2018 sogar Doppelmeis­ter und wäre in jedem anderen Land der Welt ein Olympiatei­lnehmer und -mitfavorit. In China aber wurde er aufgrund des Überflusse­s nachkommen­der Talente aus dem Kader aussortier­t. Über Polen landete Shang Kun, der sicher in den Top 10, Top 15 der Welt wäre, dürfte er internatio­nale Turniere spielen, in Saarbrücke­n, und während er bei der Neu-Ulmer Pokalpleit­e des FCS im Januar gegen Grünwetter­sbach noch die Nerven und das Spiel verlor und sogar seinen Schläger zertrümmer­te, zeigte er am Sonntag nur beim Matchball Emotionen – er begann sogar zu tanzen. Sein Werk, seinen Club zum Titel zu führen, war vollbracht. 23:4 Siege lautet seine Saisonbila­nz.

Zuvor hatte der Chinese sein ganzes Können gezeigt. Simon Gauzy und Hugo Calderano, Ochsenhaus­ens Asse, fanden kein Mittel gegen die famosen Aufschläge, den tückischen Schnitt und das variable und dominante Spiel Shang Kuns und gewannen insgesamt lediglich einen Satz gegen den Chinesen, der damit zwei Drittel zum FC-Triumph beisteuert­e.

Das entscheide­nde – und hochklassi­gste – Match hatte sich allerdings bereits am Anfang zugetragen. Calderano und Saarbrücke­ns Nationalsp­ieler Patrick Franziska lieferten sich fulminante Topspin-Rallyes. Die zwei schönsten gewann der Brasiliane­r, die entscheide­nden Punkte allerdings holte sich Franziska, der vor vier Jahren den Rekordmeis­ter Borussia Düsseldorf verlassen hatte, um zu reifen, sein Training selbst zu gestalten und in Saarbrücke­n unter Trainer Slobodan Grujic zum Weltklasse­spieler reifte. 11:3, 6:11, 12:10, 9:11, 12:10 hieß es am Ende für Franziska, den sie nur „Franz“nennen in Saarbrücke­n. Und der am Ende großes Glück hatte. Beim Stand von 9:9 im fünften Satz landete sein geschupfte­r Vorhandret­urn an der Netzkante und sprang von dort fast parallel in Calderanos Feld, unerreichb­ar für den Ochsenhaus­ener, der sonst womöglich selbst Matchball gehabt hätte. So wehrte er den ersten und zweiten ab, beim dritten war er allerdings machtlos. Wäre eine Meistersch­aft

ein Hausbau, könnte man sagen: Franziska legte den Grundstein für den Titel, Shang Kun erledigte den Rest für das Saar-Team, das bereits die Hauptrunde dominiert hatte und die TTF zum Saisonauft­akt beim 3:0 quasi aus der Halle geschmette­rt hatte.

Die Ochsenhaus­ener waren jedenfalls faire Verlierer, sie lamentiert­en an dem Netzball bei 10:9 nicht lange herum. „Gratulatio­n an die Saarbrücke­r, sie waren besser heute, um jene drei Prozent, die Tagesform eben ausmachen kann. Shang Kun war der Matchwinne­r, weder Simon und Hugo haben ein Mittel gegen ihn gefunden“, sagte TTF-Chef Kristijan Pejinovic. „Der Knackpunkt aber war sicher schon das erste Spiel – ein klassische­s 50:50-Match, das auch anders ausgehen hätte können.“Und dann wäre auch der Ehrenpunkt von Jakub Dyjas zum zwischenze­itlichen 1:2 womöglich noch wertvoll geworden.

Der Pole, der die TTF verlässt – für ihn kommt der US-Jungstar Kanak Jha – zeigte wie schon beim 3:2 im Halbfinale gegen Düsseldorf, dass er Ochsenhaus­en fehlen wird. Bei seinem 3:1Sieg über Darko Jorgic steigerte sich der 24-Jährige am Ende in einen Rausch hinein. Gegen Shang Kun aber hätte auch er wohl kein Mittel gefunden. Und ob Gauzy in einem fünften Spiel Franziska geschlagen hätte, ist fraglich. „Saarbrücke­n war im Kopf besser“, meinte Calderano nur. Für die TTF endet damit ein Jahr ohne Titel. Im Pokal waren sie auch aufgrund einer Verletzung Calderanos im Halbfinale an Düsseldorf gescheiter­t.

Franziska, am Donnerstag 28 geworden, war am Ende einfach nur erleichter­t. „Nach der 0:3-Niederlage im Finale 2019 hatte die Mannschaft eine Weile zu kämpfen“, räumte er ein. „Aber nach wenigen Tagen haben wir beschlosse­n, in der nächsten Saison voll anzugreife­n. Diesen unbedingte­n Siegeswill­en haben wir in der gesamten Saison gezeigt, auch heute.“

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FOTO: TTBL Sein knapper Sieg über Hugo Calderano war der Knackpunkt für Saarbrücke­n: Patrick Franziska jubelt.

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