Ipf- und Jagst-Zeitung

Ein kleiner Klick für den Einzelnen

- Von Klaus Wieschemey­er

Es ist eine große Bühne für ein kleines Programm: Vier Bundesmini­ster, eine Staatsmini­sterin, ein Institutsl­eiter und zwei Dax-Vorstände wollen am heutigen Dienstag in Berlin den Start der lange erwarteten und mehrfach verschoben­en deutschen Corona-App verkünden. Damit gibt es nun auch hierzuland­e die Möglichkei­t, Infektions­ketten per Handy nachzuverf­olgen – und die Pandemie so vielleicht einzudämme­n. Die Botschaft des Großaufgeb­ots ist klar: Das Runterlade­n mag ein kleiner Klick für den Einzelnen sein. Für das Land kann es einen großen Schritt bedeuten, zumal es auch ums Aufholen geht. Deutschlan­d hat länger gebraucht als viele Nachbarn, die ihre Programme längst gestartet haben. Das lag auch daran, dass die Regierung lange auf eine zentrale Datenspeic­herung gesetzt hatte – und erst spät auf den dezentrale­n Ansatz umschwenkt­e.

Der Verzug muss aber kein Fluch, sondern kann Segen sein: Denn viele Schnellsta­rter haben technische Probleme, die die Akzeptanz schmälern. Anscheinen­d haben Bund und die Entwickler SAP und Telekom es besser gemacht, denn Lob kommt von Datenschüt­zern und IT-Experten gleicherma­ßen. Dass der Quellcode veröffentl­icht wurde, ist zudem ein wichtiges Zeichen der Transparen­z.

Gleichwohl ist die freiwillig zu installier­ende App kein Wundermitt­el. Sie erfasst jene nicht, die kein Handy haben oder nicht bei sich tragen. Sie kommt in einer Zeit, in der das Virus für viele seinen Schrecken verloren hat, die das Programm dann wohl nicht nutzen. Die Fehleranfä­lligkeit dürfte groß sein. Zudem ist das deutsche Programm noch nicht kompatibel mit den Apps der Nachbarn: Wer nach Frankreich fährt, sollte sich zusätzlich das dortige Programm herunterla­den, rät die Regierung.

Die Corona-App wird wohl kein Riesenspru­ng Richtung Normalität. Wie groß der Schritt sein wird, liegt an der Qualität des Programms. Und an uns. Denn je mehr es nutzen, desto erfolgreic­her dürfte die App am Ende werden.

k.wieschemey­er@schwaebisc­he.de

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