Ein kleiner Klick für den Einzelnen
Es ist eine große Bühne für ein kleines Programm: Vier Bundesminister, eine Staatsministerin, ein Institutsleiter und zwei Dax-Vorstände wollen am heutigen Dienstag in Berlin den Start der lange erwarteten und mehrfach verschobenen deutschen Corona-App verkünden. Damit gibt es nun auch hierzulande die Möglichkeit, Infektionsketten per Handy nachzuverfolgen – und die Pandemie so vielleicht einzudämmen. Die Botschaft des Großaufgebots ist klar: Das Runterladen mag ein kleiner Klick für den Einzelnen sein. Für das Land kann es einen großen Schritt bedeuten, zumal es auch ums Aufholen geht. Deutschland hat länger gebraucht als viele Nachbarn, die ihre Programme längst gestartet haben. Das lag auch daran, dass die Regierung lange auf eine zentrale Datenspeicherung gesetzt hatte – und erst spät auf den dezentralen Ansatz umschwenkte.
Der Verzug muss aber kein Fluch, sondern kann Segen sein: Denn viele Schnellstarter haben technische Probleme, die die Akzeptanz schmälern. Anscheinend haben Bund und die Entwickler SAP und Telekom es besser gemacht, denn Lob kommt von Datenschützern und IT-Experten gleichermaßen. Dass der Quellcode veröffentlicht wurde, ist zudem ein wichtiges Zeichen der Transparenz.
Gleichwohl ist die freiwillig zu installierende App kein Wundermittel. Sie erfasst jene nicht, die kein Handy haben oder nicht bei sich tragen. Sie kommt in einer Zeit, in der das Virus für viele seinen Schrecken verloren hat, die das Programm dann wohl nicht nutzen. Die Fehleranfälligkeit dürfte groß sein. Zudem ist das deutsche Programm noch nicht kompatibel mit den Apps der Nachbarn: Wer nach Frankreich fährt, sollte sich zusätzlich das dortige Programm herunterladen, rät die Regierung.
Die Corona-App wird wohl kein Riesensprung Richtung Normalität. Wie groß der Schritt sein wird, liegt an der Qualität des Programms. Und an uns. Denn je mehr es nutzen, desto erfolgreicher dürfte die App am Ende werden.
k.wieschemeyer@schwaebische.de