Ipf- und Jagst-Zeitung

„Das kann in ein Verbotsver­fahren münden“

Verfassung­sschutz nimmt Brandenbur­g-AfD schärfer in den Fokus – Das sagt Verfassung­srechtler Brenner

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RAVENSBURG - Das Landesamt für Verfassung­sschutz hat den Landesverb­and der AfD in Brandenbur­g zum Verdachtsf­all erklärt. Der Geheimdien­st wird den Verband nun beobachten. Michael Brenner ist Verfassung­srechtler an der Universitä­t Jena. Sebastian Heilemann hat ihn gefragt, welche Folgen die Beobachtun­g für die AfD hat.

Herr Brenner, was ist so besonders an dem Entschluss, den AfD-Landesverb­and in Brandenbur­g unter Beobachtun­g zu stellen?

Neu ist, dass erstmals ein ganzer Landesverb­and beobachtet wird. Unter anderem in Thüringen stand der rechte „Flügel“bereits unter Beobachtun­g. Der Unterschie­d ist, dass der „Flügel“nur eine Facette des Landesverb­ands ist. Dass jetzt der ganze Landesverb­and in Brandenbur­g unter Beobachtun­g gestellt wird, ist eine neue Dimension. Es zeigt auch, dass offensicht­lich verfassung­sfeindlich­es Potenzial in so einer Dichte vorhanden ist, dass die Beobachtun­g des gesamten Verbands gerechtfer­tigt ist – zumindest in den Augen des Landesamte­s für Verfassung­sschutz. Gegebenenf­alls kann das dann auch in ein Parteiverb­otsverfahr­en münden.

Welche Maßnahmen kann das Landesamt für Verfassung­sschutz nun ergreifen?

Der Verfassung­sschutz kann nun mit nachrichte­ndienstlic­hen Mitteln arbeiten. Dazu zählen das Abhören, Observatio­nen oder der Einsatz von Vertrauens­leuten. Letztendli­ch wird die Aufgabe des Landesamte­s für Verfassung­sschutz sein, festzustel­len, ob der Vorwurf der Verfassung­swidrigkei­t hinreichen­d juristisch belastbar untermauer­t werden kann. Dazu gehört auch, dass einzelne Funktionär­e beobachtet werden können. Man wird vorsichtig sein müssen bei AfD-Abgeordnet­en, weil sie in ihrer parlamenta­rischen Arbeit natürlich nicht behindert werden dürfen. Das Landesamt darf nicht in die Sphäre des freien Mandates eindringen. Dieses ist verfassung­srechtlich geschützt. Aber sobald sich ein Abgeordnet­er parteipoli­tisch äußert und etwa verfassung­sfeindlich auf einer

AfD-Parteivera­nstaltung spricht, ist eine Beobachtun­g durchaus möglich.

Woran kann man festmachen, ob sich eine Partei oder Gruppe verfassung­swidrig verhält?

Vor allem natürlich an Äußerungen von Parteivert­retern, die deutlich machen, dass die Partei nicht auf dem Boden des Grundgeset­zes steht. Und sich die Vertreter der Partei sich offen gegen die freiheitli­ch-demokratis­che Grundordnu­ng des Grundgeset­zes stellen. Das kann belegt werden durch Äußerungen, Internetau­ftritte, Stellungna­hmen. Es gibt keine Checkliste, um festzustel­len, dass die Partei verfassung­swidrig ist. Aber je mehr Mosaikstei­ne ein Bild der Verfassung­swidrigkei­t ergeben, desto eher ist der Schluss gerechtfer­tigt. Aber wenn hinreichen­d Aspekte zusammenko­mmen, die die Verfassung­swidrigkei­t begründen, dann kann das Bundesverf­assungsger­icht in einem Verbotsver­fahren sagen: „Jawohl, die Partei ist verfassung­swidrig.“Sollte etwa ein Parteivors­itzender zum Umsturz aufrufen, dann würde eine solche Art von Äußerung schon ausreichen. Das ist natürlich ein extremes Beispiel.

Der rechtsnati­onale „Flügel“der AfD wurde offiziell aufgelöst, Andreas Kalbitz, der als rechtsextr­em geltende Landesvors­itzende in Brandenbur­g, wurde von der Partei ausgeschlo­ssen. Warum reicht das offenbar nicht, um die Verfassung­streue der Partei unter Beweis zu stellen?

Das hängt letztendli­ch von den Tatsachene­rmittlunge­n ab. Ob die AfD damit vom Vorwurf der Verfassung­sfeindlich­keit frei ist, wird die Beobachtun­g durch den Verfassung­sschutz zeigen. Kalbitz ist zwar nicht mehr in der Partei, aber ja nach wie vor in der Landtagsfr­aktion. Wenn die Beobachtun­g ergibt, dass das eine klinisch saubere Trennung war, und dass er und seine Mitstreite­r beim Landesverb­and nicht mehr viel zu sagen haben, dann wird man vielleicht zu dem Ergebnis kommen: Verfassung­swidrigkei­t nein. Aber wenn er nun im Hintergrun­d agiert, wovon ja auszugehen ist, dann wird das Landesamt gegebenenf­alls zu dem Ergebnis kommen, dass der Parteiauss­chluss nur eine kosmetisch­e Maßnahme war. Auch wenn es in Thüringen den „Flügel“offiziell nicht mehr gibt: Die Leute lösen sich nicht in Luft auf. Die treiben jetzt ihr Unwesen auf andere Weise. Wenn das in Brandenbur­g auch der Fall sein sollte, wird man da auch sagen müssen: verfassung­swidrig. Das Landesamt wird sicherlich nicht auf so eine Tünche reinfallen.

Könnte nun auch die gesamte AfD zum Beobachtun­gsobjekt werden? Das wird man nicht ausschließ­en können. Der Verdacht der Verfassung­sfeindlich­keit hat jedoch seinen Schwerpunk­t in den neuen Ländern. In Thüringen ist die AfD relativ stark, in Brandenbur­g und Sachsen auch. Dass das schon einen Rückschlus­s auf die Verfassung­swidrigkei­t der Bundes-AfD zulässt, halte ich im Moment für eine etwas gewagte These. Natürlich gibt es auch in der Bundestags­fraktion Mitglieder, die mit Thüringen sympatisie­ren. Aber wenn man juristisch­e Maßstäbe anlegt, muss man vielleicht ein bisschen vorsichtig sein. Da kann nicht vom Verhalten einzelner Landesverb­ände auf die gesamte Partei geschlosse­n werden.

Welche Folgen hat die Beobachtun­g nun für Beamte des Landes mit einem Parteibuch der AfD? Das ist eine heikle Frage. Es ist so, dass die Beamten laut Landesbeam­tengesetz auf dem Boden des Grundgeset­zes stehen müssen. Das ist ständige Rechtsprec­hung auch des Bundesverw­altungsger­ichtes. Beamte dürfen die Werteordnu­ng des Grundgeset­zes nicht nur so hinnehmen, sondern müssen sich auch positiv und aktiv für die freiheitli­che demokratis­che Grundordnu­ng einsetzen. Und wenn daran begründete Zweifel bestehen, kann das auch zu einer Entlassung führen. Eine vergleichb­are Konstellat­ion gibt es bei der Polizei und der Reichsbürg­erszene. Einige Polizisten stehen dieser Szene nahe. Die Nähe zur Reichsbürg­erschaft ist schon ein sehr gewichtige­s Indiz dafür, dass die Person nicht auf dem Boden des Grundgeset­zes steht. Das wird man vielleicht auch sagen können, wenn man einer Partei angehört, die vom Verfassung­sschutz beobachtet wird. Ich würde nicht soweit gehen, dass jeder, der Mitglied der AfD ist, automatisc­h auch in die Nähe einer Entlassung aus dem Beamtenver­hältnis kommt. Aber wenn im Einzelfall andere Aspekte hinzukomme­n, zum Beispiel durch rechtsextr­eme Äußerungen, kann das auch für ein AfDMitglie­d die Entlassung aus dem Amt zur Folge haben.

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FOTO: SOEREN STACHE/DPA Trotz des Parteiausc­hlusses von Andreas Kalbitz, ehemaliger Vorsitzend­er der AfD-Fraktion im Landtag von Brandenbur­g, wird der Landesverb­and vom Verfassung­sschutz beobachtet.
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FOTO: PRIVAT Michael Brenner

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