Ipf- und Jagst-Zeitung

Schulden in neuer Dimension

Finanzmini­ster Scholz plant wegen der Corona-Krise einen zweiten Nachtragsh­aushalt in Höhe von 62,5 Milliarden Euro – Tilgung ab 2023

- Von Theresa Münch

GBERLIN (dpa) - Sechs Jahre stand die schwarze Null, jetzt muss sich der Bund wegen der Corona-Krise so viel Geld leihen wie noch nie zuvor. Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) plant für 2020 mit einer Neuverschu­ldung von 218,5 Milliarden Euro. Das ist fast fünfmal so viel wie im bisherigen Rekordschu­ldenjahr 2010 in der Finanzkris­e. Damals galt es Banken zu retten und den Konsum anzukurbel­n. Jetzt geht es um die Stabilisie­rung fast der gesamten Wirtschaft, die in der Pandemie Einbrüche erlitten hat, wie man sie sich vorher kaum vorstellen konnte. Doch vielen stellt sich angesichts der Rekordsumm­e trotzdem die Frage: „Wer soll das bezahlen?“

156 Milliarden Euro an neuen Krediten hatte der Bundestag für die Hilfsprogr­amme bereits im März genehmigt – und dafür eigens die Schuldenbr­emse im Grundgeset­z außer Kraft gesetzt. Jetzt kommen in einem zweiten Nachtragsh­aushalt noch einmal 62,5 Milliarden Euro dazu, wie am Montag aus dem Finanzmini­sterium verlautete. Kabinett und Bundestag müssen allerdings noch zustimmen.

Damit sollen Einbrüche bei den Steuereinn­ahmen ausgeglich­en werden, vor allem aber will der Bund so das von Union und SPD ausgehande­lte Konjunktur­paket finanziere­n, das die Bürger wieder in Konsumlaun­e

bringen soll. Unions-Haushälter Eckhardt Rehberg räumte ein: „Mir macht es keine Freude, Schulden in dieser Rekordhöhe aufzunehme­n. Die Alternativ­e wäre aber, dass viele Unternehme­n pleite gehen und die Arbeitslos­igkeit in die Höhe schießt.“

Teil des Konjunktur­pakets ist eine vorübergeh­ende Senkung der Mehrwertst­euer, die Einkäufe im Supermarkt, im Möbeloder Autohaus und in anderen Geschäften bis Jahresende günstiger machen soll. Außerdem bekommen Familien mit Kindern einen Bonus von 300 Euro pro Kind. Kleine und mittelstän­dische Unternehme­n können Überbrücku­ngshilfen von insgesamt 25 Milliarden Euro erhalten, damit sie noch im Geschäft sind, wenn die Wirtschaft langsam wieder durchstart­et.

Die neuen Kredite kann der Bund nach Ansicht des Finanzmini­steriums vor allem wegen der soliden Haushaltse­ntwicklung der vergangene­n Jahre tragen. Sechs Jahre lang wurden keine Schulden gemacht, zuletzt fiel die Schuldenqu­ote erstmals wieder unter die von der EU geforderte Quote. Daher habe Deutschlan­d „die notwendige Finanzkraf­t, entschloss­en zu reagieren und wirksame konjunktur­elle Impulse zu setzen“, heißt es im Entwurf zum Nachtragsh­aushalt.

Angesichts der Rekordsumm­en befürchten trotzdem viele, dass sich der Schuldenbe­rg in absehbarer Zeit nicht wieder abtragen lässt. FDPHaushäl­ter Otto Fricke rief daher zum vorübergeh­enden Verzicht auf Projekte wie die Grundrente auf. „Wer in der Krise nicht bereit ist, auf bestimmte Ausgaben zu verzichten, der wird am Ende nichts mehr zu gestalten haben“, sagte er.

Ökonomen sehen die Neuverschu­ldung weit weniger kritisch – und auch nicht als Grund, um auf wichtige Investitio­nen zu verzichten. Wichtig sei, dass der Bund die Zinsen aus seinen Steuereinn­ahmen bedienen könne, erläuterte kürzlich der Steuerexpe­rte Martin Beznoska vom Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln. „So lange der Staat am Kapitalmar­kt weiter zu vernünftig­en Zinsen Geld bekommt, ist es kein Problem, Schulden zu haben.“

Finanzmini­ster Scholz plant, den größten Teil der Corona-Schulden innerhalb von 20 Jahren ab 2023 zu tilgen. Während CDU-Generalsek­retär Paul Ziemiak einen Abbau schon bis 2030 fordert, halten Ökonomen selbst den Zeitplan des Finanzmini­sters noch für unnötig ambitionie­rt – da auch Kredite mit 30-jähriger Laufzeit gerade zu guten Konditione­n zu haben sind.

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FOTO: Olaf Scholz

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