Ipf- und Jagst-Zeitung

Ziemlich große Diskussion­en um ziemlich kleine Hunde

Teacups stehen bei denen, die sie sich leisten können, hoch im Kurs – Tierschütz­er allerdings sehen bereits die Zucht überaus kritisch

- Von Taylan Gökalp

GBERLIN (dpa) - Bei manchen sieht man erst auf den zweiten Blick, dass es keine Stofftiere, sondern echte Lebewesen sind. Bei anderen erkennt man den Unterschie­d auch beim dritten Hinsehen nicht. Teacup-Hunde, oder kurz: Teacups – also Hunde, die so klein sind, dass sie in eine Teetasse passen – sind maximal 23 Zentimeter groß, wiegen etwa eineinhalb Kilogramm, kosten mehr als ein Motorrolle­r und haben teilweise Hunderttau­sende Fans auf Instagram und Facebook. Tierschütz­er sehen die Zucht jedoch kritisch: Die Tiere seien häufig degenerier­t und besonders krankheits­anfällig.

In Deutschlan­d gebe es nicht viele Züchter solcher Miniaturhu­nde, sagt die Hobbyzücht­erin Ivonne Winter aus Hanau, die ausschließ­lich auf Teacup-Pudel spezialisi­ert ist. Die Nachfrage sei deutlich höher als das Angebot. „Jeder will jetzt einen Teacup-Hund haben, aber man hat sie ja nicht in den Regalen sitzen.“Die Arbeit sei zeit- und kosteninte­nsiv. Gerade die Welpen bräuchten besonders viel Zuwendung. „Da muss man alle zwei Stunden zufüttern, Tag und Nacht“, sagt Ivonne Winter.

Aber wie werden die Winzlinge überhaupt herangezüc­htet? „Man sucht sich die schwächste­n und kleinsten Tiere aus einer Zucht aus, um mit denen wieder zu züchten“, erklärt Daniela Schrudde, Inhaltlich­e Leiterin der Welttiersc­hutzgesell­schaft. Das sei wider die Natur. Die typischerw­eise großen Augen, der große Hinterkopf und die kleine Nase entspräche­n zudem nicht der Anatomie eines gesunden Hundes.

„So etwas passiert nicht, wenn man das sorgfältig macht und reine Teacup-Hunde miteinande­r verpaart“, entgegnet Ivonne Winter. Die Mutterhünd­in etwa müsse mindestens 20 bis 23 Zentimeter groß sein, und auch der Rüde müsse größenmäßi­g zu ihr passen. „Es können durchaus mal kleinere Welpen fallen, die sind dann aber nicht für die Zucht geeignet.“Ihre Minipudel seien genauso gesunde Hunde wie jeder Kleinoder Großpudel, sagt Ivonne Winter.

Lisa Hoth, Fachrefere­ntin für Heimtiere beim Deutschen Tierschutz­bund, hingegen berichtet von Tieren, die häufig zittern, weil ihre Körpertemp­eratur zu niedrig sei. Ein weiteres Problem sei Unterzucke­rung: Diese könne schon durch eine verpasste Mahlzeit entstehen und schlimmste­nfalls zum Tod führen. Auch Fehlentwic­klungen am Kopf, etwa infolge erblich bedingt nicht zusammenwa­chsender Knochenspa­lten, seien zu beobachten. Ohnehin seien die Knochen sehr fragil, die Augen unproporti­onal groß (folglich verletzung­sanfällige­r) und Milchzähne

oft nicht ohne äußere Hilfe entfernbar.

„Das ist absoluter Blödsinn“, sagt Ivonne Winter. „Große Augen sind in Deutschlan­d nicht das Zuchtziel und stammen aus Amerika und Asien, genauso wie die runden Apfelköpfe und kurze Schnauzen.“Dass ihren Tieren gelegentli­ch ein Zahn gezogen werden müsse, sei kein spezielles Problem von Teacup-Pudeln, sondern von Pudeln allgemein. Auch einen Welpen mit offener Fontanelle habe sie noch nie gehabt. Sie selbst züchte nur Tiere, die um die 20 Zentimeter groß seien. „Auch wenn viele Leute schon am Telefon sagen, sie möchten einen Teacup-Pudel, der nur 15 bis 16 Zentimeter groß wird, dann sind sie bei mir falsch und können sich gleich ein Stofftier kaufen.“

Rechtlich scheint die Sache zunächst eindeutig: Denn nach dem Tierschutz­gesetz sind sogenannte Qualzuchte­n in Deutschlan­d verboten. Das heißt, es ist nicht erlaubt, Tiere zu züchten, wenn ihnen Körperteil­e oder Organe fehlen oder umgestalte­t sind – und dadurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten. „Wenn man sich die Teacup-Hunde anschaut, die haben das alle“, sagt Daniela Schrudde. Die Umsetzung des sogenannte­n Qualzuchtp­aragrafen macht jedoch Probleme, wie Lisa Hoth erläutert: „In der Vergangenh­eit gab es nur Urteile einzelner Zuchten.“

Auf dem Online-Portal Instagram gibt es zahlreiche Seiten, die regelmäßig Fotos und Kurzvideos der winzigen Vierbeiner präsentier­en: Mal sind sie in bunten Kostümchen eingepackt, mal strecken sie den kleinen Kopf aus einem Strandkorb. Dabei wird nichts dem Zufall überlassen, alles scheint minutiös inszeniert, vom perfekt gepflegten Fell bis hin zur Auswahl der Bildrequis­iten.

Auffällig ist dabei, dass es vor allem die Seiten von profession­ellen Händlern sind, die besonders viele Nutzer erreichen. Die Instagram-Seite des Anbieters „Rolly Teacup Puppies“etwa hatte Anfang Juni 740 000 Abonnenten; der Händler versendet die Winzlinge, die umgerechne­t bis zu 8640 Euro kosten, in die ganze Welt. Nach Angaben der Seite sind die Tiere kerngesund, was zusätzlich mit einem Gesundheit­szertifika­t belegt werden soll.

Allein dass die Hunde weltweit verschickt werden, ohne dass man die künftigen Besitzer genauer kenne, spreche gegen die Seriosität des Angebotes, sagt Daniela Schrudde. Auch die Zertifikat­e seien keine Garantie, dass es den Tieren gut gehe. „Es gibt immer wieder auch Tierärzte, die Zertifikat­e ausstellen, die dann aber nichts wert sind.“

Von den Rassestand­ards der Fédération Cynologiqu­e Internatio­nale sind Teacup-Hunde nicht erfasst. Unter dem Dach dieser Organisati­on vereinen sich Verbände von Hundezücht­ern und -besitzern aus der ganzen Welt.

 ?? FOTO: IVONNE WINTER/DPA ?? Stillleben mit Teacup-Pudel und Babyschühc­hen.
FOTO: IVONNE WINTER/DPA Stillleben mit Teacup-Pudel und Babyschühc­hen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany