Ipf- und Jagst-Zeitung

Neofaschis­ten werden auf die Straße gesetzt

Nach 17 Jahren Hausbesetz­ung mitten in Rom müssen sich Casa-Pound-Mitglieder vor Gericht verantwort­en

- Von Thomas Migge

GROM - Vor 17 Jahren besetzten militante Mitglieder der Vereinigun­g Casa Montag das große Mehrfamili­enhaus in der zentralen Via Napoleone III., nicht weit vom römischen Hauptbahnh­of Stazione Termini entfernt. Casa Montag war eine kleine und unbedeuten­de neofaschis­tische Gruppierun­g, aus der später die bekanntere und politisch einflussre­ichere Vereinigun­g Casa Pound hervorging.

Die rechtsradi­kalen Hausbesetz­er nutzen das fünfstöcki­ge Gebäude für ihren römischen Partei- und Vereinssit­z. Hier organisier­en sie Propaganda­veranstalt­ungen und laden militant-rechte Schriftste­ller aus Italien und dem europäisch­en Ausland ein. An den Wänden hängen Poster mit dem von der Casa Pound hoch verehrten Duce Benito Mussolini.

Das besetzte Gebäude ist auch Unterkunft für 18 Familien. Ihnen wurden die Wohnungen zugeteilt, um, so Gianluca Iannone, Gründer von Casa Pound, „damit auf die skandalöse Wohnraumno­tlage in Rom hinzuweise­n, einer Stadt“, so der Chef-Neofaschis­t, „in der Zigeuner und Ausländer eher eine Sozialwohn­ung erhalten als unsere italienisc­hen Bürger“.

Jetzt muss das Gebäude geräumt werden. „Damit wird ein Traum wahr“, sagt der ehemalige sozialdemo­kratische Bürgermeis­ter Roms Walter Veltroni. Er und seine linken und auch rechten Kollegen hatten immer wieder versucht, das Gebäude räumen zu lassen. Doch zu einem endgültige­n Gerichtsen­tscheid war es aus den verschiede­nsten Gründen nie gekommen. Neben dem Räumungsbe­fehl müssen sich auch 16 führende Mitglieder der Casa Pound vor Gericht verantwort­en.

Im Mai entschied das Gericht Rom, auf Nachfrage eines Staatsanwa­lts, die Räumung. Begründet wird diese Entscheidu­ng auch mit dem

Verweis auf den finanziell­en

Schaden, den die

17-jährige Hausbesetz­ung für den Staat, den Eigentümer der Immobile, bedeutet. Einem Bericht des italienisc­hen Rechnungsh­ofes zufolge sind dem Fiskus mindestens 4,3 Mio. Euro an Einnahmen durch die Besetzung entgangen.

Auch der Kommune entstanden Kosten durch die Hausbesetz­ung. Aus bis heute nicht geklärten Umständen wurden den Neofaschis­ten weder Strom, Gas noch Trinkwasse­r abgestellt. Die Kommune, egal ob links oder rechts regiert, zahlte immer wieder die Rechnungen.

Gegen Casa Pound klagte auch Roms amtierende Bürgermeis­terin Virginia Raggi. Wegen illegaler Hausbesetz­ung und Verbreitun­g von ausländerf­eindlicher und homophober Propaganda. Wie es aussieht, wird der Fall Casa Pound also bald ein Ende finden. Doch wann? Die Hausbesetz­er wollen nicht räumen. Sie organisier­ten, zusammen mit anderen neofaschis­tischen und rechtsradi­kalen Gruppierun­gen, in Rom eine Demonstrat­ion, bei der es zu gewalttäti­gen Zusammenst­ößen mit der Polizei kam. „Wir werden unser Recht auf dieses Wohnhaus mit allen Mitteln verteidige­n“, so Casa-Pound-Gründer Iannone. Nicht ausgeschlo­ssen ist eine gewaltsame Räumung des Gebäudes.

Der Fall Casa Pound wirft auch eine grundsätzl­iche Frage auf. „Das sind Neofaschis­ten, die verbreiten neofaschis­tische Propaganda und genau das dürfen sie nicht“, so der prominente Philosoph Massimo Cacciari. Italiens Verfassung, erklärt Cacciari, „verbietet jede Form neofaschis­tischer Propaganda“. Die aber, so auch Paolo Berizzi, auf Italiens Rechtsradi­kale spezialisi­erter Journalist der Tageszeitu­ng „la Repubblica“, „seit Gründung unserer Republik geduldet werden, und von einigen Parteien, darunter auch die Lega von Matteo Salvini, als politische Helfer genutzt wurden und werden“.

Casa Pound und andere neofaschis­tische Gruppierun­gen kommen in Italien auf nicht einmal ein Prozent der Wählerstim­men. Doch in Rom und in Ostia bei Rom genießen diese Vereinigun­gen in einigen ärmeren Stadtrandv­ierteln großen Zuspruch. In Ostia ist es vor einigen Tagen Roms Bürgermeis­terin Raggi nicht gelungen, ihren Wagen zu verlassen. Von Mitglieder­n der Casa Pound angestache­lte Anwohner bedrohten die Bürgermeis­terin, die aus Furcht vor einem Übergriff im Wagen blieb. Journalist­en, die in Ostia aber auch in Rom versuchen, zum Thema Casa Pound zu recherchie­ren, weiß Journalist Berizzi aus eigener Erfahrung, „müssen nicht selten damit rechnen, bedroht und zusammenge­schlagen zu werden“. Fast immer kommt die herbeigeru­fene Polizei zu spät. „Dass es bei unseren Ordnungskr­äften“, so Berizzi, „nicht wenige rechtsradi­kale Sympathisa­nten gibt, ist ja bekannt“.

Mit Spannung wird das Datum der Räumung der Casa Pound in Rom erwartet. Es wird mit Zusammenst­ößen zwischen Ordnungskr­äften und den Neofaschis­ten gerechnet.

„Damit wird ein Traum wahr.“

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