Ostalb-Landwirte protestieren in Berlin
Abtsgmünder Bauer veröffentlicht im Vorfeld Wutrede in sozialen Medien
ABTSGMÜND/BERLIN (mih) - Auf der sogenannten Berliner „Mahnwoche“haben unter anderem Landwirte, Lastwagenfahrer sowie Busunternehmen demonstriert und Mahnwachen abgehalten. Auch aus dem Ostalbkreis sowie dem Landkreis Heidenheim sind Landwirte in die Hauptstadt gereist. Einer von ihnen ist Steffen Weller aus AbtsgmündHohenstadt.
Im Vorfeld der „Mahnwoche“, die vom 15. bis 20. Juni stattfindet, veröffentlichte die Facebookseite „Lohnunternehmen Markus Wipperfürth“ein rund vierminütiges Video von Weller. Rund 1,5 Millionen Menschen haben es gesehen und es beinahe 18 000 Mal geteilt.
Der Landwirt macht sich in einer emotionalen Ansprache Luft, redet sich zum Teil regelrecht in Rage. „Ich habe die Schnauze voll“, ruft er seiner Smartphone-Kamera entgegen. Es könne nicht sein, dass die Landwirte für das Insektensterben verantwortlich gemacht würden.
Weller ärgert sich. Über Politiker, Verbände, Verurteilungen von allen Seiten. „So wie ich den Betrieb von meinem Vater übernommen habe, so will ich ihn meinem Sohn auch übergeben können“, sagt er in seinem Video sichtlich angefasst. „Ich fahre deswegen nach Berlin“, kündigt er an.
Und genau so tat er es auch. Bei einem Telefonat am Freitagmittag ist der Landwirt gefasst. Er spricht ruhig, teilweise sogar euphorisiert. Die Eindrücke der „Mahnwoche“haben ihre Spuren hinterlassen, beschwichtigende.
Denn Begegnungen vor Ort haben Weller gezeigt, dass ihr Anliegen gehört wird und viele Menschen hinter ihnen stehen. In seiner aufgezeichneten Videowutrede kündigte Weller unter anderem an, er wolle „denen ins Gesicht schauen, die behaupten, wir seien schuld“. Dazu gab es einige Möglichkeiten. Denn sowohl Politiker
als auch Passanten besuchten die Landwirte an ihren Ständen der Mahnwache.
„Es sind auch viele Politiker zu uns gekommen und haben mit uns gesprochen“, sagt Weller. Ständig sei einer bei ihnen gewesen. Doch nicht nur diese Gespräche haben den Abtsgmünder offenbar etwas besänftigt. „Die Leute sind ganz euphorisch. Die meisten haben gesagt, dass wir so weitermachen sollen“, erzählt Weller. Viele sei+en es gewesen, die unterschiedlicher nicht hätten sein können.
Das sei eben Berlin. „Es kam einer mit Rastas. Wir sind das auf dem Dorf ja nicht so gewohnt. Mit dem konnte ich aber genauso gut reden wie mit einer alten Frau.“Viel Zuspruch hätten die Landwirte erfahren, die an wechselnden Orten Mahnwachen abgehalten haben sowie mit ihren Traktoren, Transparenten und Fahnen durch die Stadt gefahren sind. „Das hätte ich nie gedacht“, sagt Weller.
Im Vorfeld mache man sich Gedanken und hoffe, dass viele mitgehen. „Und vor Ort ist es überwältigend“, sagt Weller. Zwar könne er es schlecht schätzen, doch rund 500 Traktoren, meint er, seien zur Mahnwoche nach Berlin gekommen. „Richtig geil“, freut sich der Landwirt.
Ob die Euphorie anhält, ist eine andere Frage. Denn dazu müsse sich etwas an der Politik ändern. „Es wird keine Politik nach wissenschaftlichen Ergebnissen oder gesundem Menschenverstand gemacht. Sondern, was ein kleiner Anteil der Bevölkerung
sagt“, so Weller. Die Wut der Landwirte könne man verstehen, so Roderich Kiesewetter in einer Pressemitteilung zur Mahnwoche am Freitag. Auch der Bundestagsabgeordnete des Wahlkreises Aalen und Heidenheim besuchte etwa 20 der Landwirte von der Ostalb vor Ort. Gerade in Krisenzeiten würden die Bürger merken, wie wichtig zuverlässige Lebensmittelproduktion sei und wie systemrelevant jeder einzelne Landwirt.
Der Politiker habe eine „lange Liste an Forderungen und Vorschlägen“aufgenommen, die in der Fraktion geprüft werden soll, heißt es in der Mitteilung weiter. Für Steffen Weller aus Abtsgmünd ein Erfolg. „Wir können die Welt nicht verändern. Aber steter Tropfen höhlt den Stein.“