„Horror-Show“mit bösem Ende
Nach Covid-19-Erkrankung gibt es viel Kritik an Tennisstar Djokovic und seiner Adria-Tour
BERLIN (dpa) - Erst kritisiert, nun infiziert: Auch der Tennis-Weltranglisten-Erste Novak Djokovic ist positiv auf das Coronavirus getestet worden. Damit zahlt der Organisator der umstrittenen Adria-Tour nun persönlich den Preis für den leichtsinnigen Umgang mit der Pandemie und die Missachtung gängiger Hygieneregeln bei dem Show-Event mit jetzt vier erkrankten Profis. Wie der 33 Jahre alte Serbe am Dienstag mitteilte, zeige er keine Symptome. Das Virus wurde auch bei seiner Frau Jelena festgestellt, jedoch nicht bei den Kindern des Paars.
Am Montagabend hatte nach dem Bulgaren Grigor Dimitrow und dem Kroaten Borna Coric auch sein Landsmann Viktor Troicki einen positiven Test öffentlich gemacht. „Jeder einzelne Fall tut mir extrem leid“, schrieb Djokovic. Der Hamburger Alexander Zverev war nach eigenen Angaben negativ getestet worden. Er hatte an den Stationen in Belgrad und Zadar teilgenommen und sich in eine selbstverordnete Isolation begeben. Die weiteren Veranstaltungen der Tour in Banja Luka und Sarajevo wurden angesichts der Entwicklungen abgesagt.
Djokovic kündigte einen weiteren Test in fünf Tagen an, vermied aber nach der heftigen Kritik an laxen Hygienemaßnahmen das klare Eingeständnis eines Fehlers. „Alles, was wir im vergangenen Monat gemacht haben, passierte mit reinem Herzen und ernsthaften Absichten“, schrieb er zur Tour, mit der er Spenden sammeln und seinen Kollegen Spielpraxis verschaffen wollte.
Trotz der guten Absicht unterschätzte auch Djokovic die Gefahr und betonte zunächst, es sei nicht gegen örtliche Regeln verstoßen worden. Nun erklärte er, das Turnier sei organisiert worden, als sich das Virus abgeschwächt habe und die Bedingungen als gegeben erschienen. „Leider ist das Virus noch da, und leider ist das eine neue Realität, mit der wir immer noch umzugehen und zu leben lernen“, schrieb er.
Nach dem vierten positiven Befund wird die Kritik am Weltranglisten-Ersten und den anderen Teilnehmern der Adria-Tour nicht leiser werden. „Hat Djokovic gedacht, dass das Virus überall ist, nur nicht in Serbien?“, schrieb etwa der deutsche ExProfi
Nicolas Kiefer in einer Kolumne für den „Focus“. Als „Horror-Show“fasste der brasilianische Profi Bruno Soares das Geschehen zusammen. Der Doppel-Spezialist ist Mitglied im ATP-Spielerrat, dessen Präsident Djokovic ist. „Enorme Unverantwortlichkeit
und große Unreife“, sagte Soares im brasilianischen Fernsehen.
Bereits zuvor hatten sich andere Profis kritisch geäußert. Wimbledonsieger Andy Murray erinnerte seine Kollegen an ihre Vorbildfunktion. Die einstige Nummer 1 der Welt aus Großbritannien sagte der britischen Tageszeitung „The Times“: „Ich hatte immer ein gutes Verhältnis zu Novak. In der Nachbetrachtung macht das, was da passiert ist, aber keinen guten Eindruck.“Und weiter: „Ich hoffe, dass wir daraus lernen, weil letztendlich wird die ATP Tour nicht zurückkommen, wenn wir jede Woche Probleme haben und die Spieler machen, was sie wollen.“
Der Olympiasieger wird in dieser Woche bei einem Showkampf-Turnier in England erstmals seit sieben Monaten wieder ein Match bestreiten. Seine Teilnahme an den vom 31. August an geplanten US Open machte Murray auch von den dortigen Hygienemaßnahmen abhängig. „Für mich ist eines der wichtigsten Themen, wie sie die ,Blase’ rund um das Turnier kontrollieren“, schrieb der 33-Jährige in einer BBC-Kolumne. Alle Spieler sollen in einem Flughafen-Hotel oder in Häusern in dessen Nähe untergebracht und ständig auf das Virus getestet werden. Zudem soll der Betreuerstab der Profis deutlich reduziert werden.
Der ATP-Vorsitzende Andrea Gaudenzi hofft auf einen Lerneffekt aus den Vorkommnissen und einer größeren Akzeptanz dieser Blase. Der ExProfi erinnerte zwar daran, dass auch trotz extremer Maßnahmen CoronaFälle auftreten könnten, erklärte aber auch, allen Teilnehmern privater Turniere sei die Einhaltung angemessener Maßnahmen empfohlen worden.
Der Deutsche Tennis Bund reagierte derweil am Dienstag auf den Lockdown im Kreis Gütersloh nach dem Corona-Ausbruch beim Fleischverarbeiter Tönnies. Der DTB verlegte eine der Zwischen- und Bonusrunden seiner Turnierserie von Versmold, das im Kreis Gütersloh liegt, nach Mülheim an der Ruhr.