Ein Ende mit Schrecken
Das hat es in der gut 30-jährigen Geschichte des Dax noch nicht gegeben: In gerade einmal sechs Handelstagen hat sich der Marktwert einer der 30 größten deutschen Aktiengesellschaften nahezu aufgelöst. Fast zwölf Milliarden Euro – pulverisiert. Der digitale Hoffnungsträger der deutschen Bankenbranche – Wirecard – am Ende. Wahrscheinlich wird das Unternehmen aus Aschheim bei München alsbald in einem Atemzug mit dem USEnergiehändler Enron genannt werden, der selbst ernannten „großartigsten Firma der Welt“, die 2001 nach Bilanzfälschungen in einem der größten Skandale der US-Unternehmensgeschichte kollabiert ist.
Hätte man den Skandal bei Wirecard ahnen können? Ja, das hätte man! Doch Aufsichtsräte, Wirtschaftsprüfer und Aufsichtsbehörden haben versagt. Hinweise über Unregelmäßigkeiten bei dem Zahlungsdienstleister gab es nämlich zuhauf – und nicht erst seit 2019, als die „Financial Times“begann, über das Unternehmen zu berichten. Bereits 2016 kursierten Berichte, die vorgaben, unter anderem Betrug und Geldwäsche im Hause Wirecard zu belegen.
Vor allem die Bafin macht in der Sache eine schlechte Figur. Sie ignorierte nicht nur alle Hinweise. Schlimmer noch: Die Behörde, zu deren Aufgaben unter anderem der Verbraucher- und Anlegerschutz gehört, schlug sich auf die Seite von Wirecard, glaubte allein den Darstellungen des Managements, das eine Verschwörung von Leerverkäufern, Analysten und Medienvertretern witterte. Herausgekommen sind eine Anzeige gegen die Journalisten der „Financial Times“und das Verbot von Leerverkäufen durch die Bafin – ein Persilschein für das WirecardManagement.
Übrig bleiben in dem Skandal nur Verlierer: Mitarbeiter, Aktionäre, Banken, Partner und Kunden. Das wird Konsequenzen haben müssen. Zusammensetzung und Qualifikation von Aufsichtsräten müssen ebenso hinterfragt werden wie die Arbeitsweise von Wirtschaftsprüfern und das Verständnis der Aufsichtsbehörden im Umgang mit sogenannten neuen Geschäftsmodellen.
a.knoch@schwaebische.de