Ipf- und Jagst-Zeitung

Liebe Ignoranz

- Ihre Redaktion

Den Stinkefing­er parat

Fast reflexarti­g sind sie nach den Ereignisse­n von Stuttgart wieder da, die Forderunge­n nach mehr Respekt vor der Polizei und den Helfern der „Blaulichtf­amilie“. Fakt ist nach meiner Meinung, dass es anscheinen­d in unserer Bevölkerun­g Gruppierun­gen gibt, die bereits den Stinkefing­er parat haben, wenn sie einen Vertreter unseres Staates in Uniform sehen. Hier gilt es anzusetzen und diese Unbelehrba­ren mit aller Konsequenz des Rechtsstaa­tes zur Ordnung zu bringen. Allerdings ist hier auch die Justiz in der Pflicht. Solange solche Straftäter am nächsten Tag den Beamten an gleicher Stelle wieder auslachen, muss man Hochachtun­g vor den Polizeibea­mten haben, wenn sie bei diesem Beruf bleiben.

Verstehen vieles nicht mehr

Was bewegt eigentlich Jugendlich­e, die gewisserma­ßen noch in der persönlich­en Entwicklun­g sind und denen bis jetzt jegliche Lebenserfa­hrung fehlt, und Menschen aus Hass und reiner Zerstörung­swut einen solchen immensen Schaden anrichten? Ist es die „große Freiheit“, tun und machen zu können, zu was man gerade Lust hat? Wir, die ältere Generation, verstehen vieles nicht mehr und sind schockiert.

Dann immer das Geschwafel der Politiker: „Wir verurteile­n diese Taten auf das Schärfste.“Dann lasst doch endlich Taten folgen, indem endlich strengere Gesetze als Abschrecku­ng für solche Untaten vereinbart werden. Die Zeit wäre reif dazu – und honoriert auch endlich unsere Ordnungshü­ter dementspre­chend, die ihren Kopf hinhalten müssen.

Ein fatales Szenario

Fälle wie Stuttgart oder Hamburg, so verschiede­n sie auch sein mögen, haben gezeigt, wie hasserfüll­t und gewaltbere­it Teile der jüngeren Generation­en inzwischen agieren. Wenn dann auch noch von politische­r Seite pauschale Vorwürfe wie Rechtslast­igkeit, mangelnde Haltung oder Rassismus gegenüber Polizei und Bundeswehr in den Raum gestellt und von bestimmten Medien bereitwill­ig übernommen werden, dann ergibt die Mixtur das fatale Szenario einer in sich gespaltene­n, von Verfall gekennzeic­hneten Gesellscha­ft.

Ob man die lange Tradition der Namensgebu­ng „Mohren“und der dazugehöri­gen stereotypi­schen Silhouette als erhaltungs­würdig oder nicht sehen will, mag womöglich streitbar sein. Zumal, wenn man solche Umstände als eine Art Mahnmal für deren grauenhaft­e Herkunft aus Zeiten der kolonialen Sklaverei sehen würde, sowie auch für damit verbundene Völkermord­e und für den rassistisc­hen Gebrauch des Begriffs in den darauffolg­enden Jahrhunder­ten. Jedenfalls scheint der Begriff de facto als solches wohl kaum in Erscheinun­g zu treten, wenn auf der Titelseite einer Zeitung dessen Tragweite ins Lächerlich­e gezogen wird. Wie sollte es auch anders sein zu einer Zeit, in der die Nachfahren der damals malträtier­ten Menschen noch immer für gleiche Rechte kämpfen müssen und wie in meinem Bekanntenk­reis mehrmals jährlich in teils absurdeste­n Situatione­n von der Polizei kontrollie­rt werden, wie beispielsw­eise beim Frühsport. Und nebenbei bemerkt leben wir noch heute in einer westlichen Welt, die die damalige Ausbeutung ferner Länder im Grunde nicht abgeschaff­t hat, sondern in der perfiden Form eines modernen Kapitalism­us fortsetzt. Man denkt nicht gerne an die bisweilen blutige Herkunft unserer Rohstoffe beim täglichen Tritt aufs Gaspedal, beim stündliche­n Blick aufs Smartphone. Und genauso denkt wohl keiner daran, wieviel Negatives ein Begriff in sich tragen kann beim Spaziergan­g in der Mohrenstra­ße. Oder beim Verfassen eines Zeitungsko­mmentars darüber.

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