Ipf- und Jagst-Zeitung

Fleischlos glücklich

Vegetarier und Veganer gelten schon lange nicht mehr als Exoten – Aber wie gesund ist es, auf tierische Produkte zu verzichten?

- Von Sophia Reddig

HGaben Sie etwas Vegetarisc­hes?“Diese Frage sorgte noch vor nicht allzu langer Zeit in manchem Restaurant für Augenrolle­n beim Personal. Inzwischen finden sich auf vielen Speisekart­en ganz selbstvers­tändlich fleischlos­e Gerichte. Viele setzen inzwischen auf diesen Ernährungs­stil. Die Gründe, warum sich Menschen für eine vegetarisc­he oder vegane Ernährungs­weise entscheide­n, sind vielfältig: Manche lehnen es unter ethischen Gesichtspu­nkten ab, Tiere zu töten oder zur Produktion von Lebensmitt­eln zu benutzen. Andere wollen gegen Massentier­haltung protestier­en. Unverträgl­ichkeiten oder Geschmacks­präferenze­n können ebenso zu der Entscheidu­ng führen.

Und es gibt noch ein Argument, welches in diesem Zusammenha­ng immer wieder auftaucht: Vegetarier und Veganer leben gesünder. Andere sagen dagegen: Sie leben ungesünder. Was stimmt denn nun? „Das kann man nicht pauschal sagen“, sagt Sabine Hundt, Ernährungs­beraterin im sächsische­n Freiberg. „Es gibt tatsächlic­h Studien, die zeigen, dass Vegetarier gesünder leben.“Allerdings, so die Expertin, könne das nicht immer direkt auf den Fleischver­zicht zurückgefü­hrt werden. Sondern? „Vegetarier geben meistens einfach besser auf sich und ihren Körper acht“, erklärt sie. Das bedeutet konkret: Vegetarier ernähren sich oft bewusster und ausgewogen­er, treiben regelmäßig­er Sport und rauchen seltener.

Das bestätigt in gewissem Sinne auch die Deutsche Gesellscha­ft für Ernährung (DGE). Die Basis einer gesunden Ernährung sei demnach eine pflanzenbe­tonte Kost mit einer vielfältig­en Auswahl an Gemüse,

Hülsenfrüc­hten, Obst, Getreide- und Vollkornpr­odukten sowie Kartoffeln, Nüssen, Ölsaaten und hochwertig­en Pflanzenöl­en. Dazu kämen Milch, Milchprodu­kte sowie Eier. „Mehr als diese gesunde Basis braucht der Körper erst einmal nicht. Fleisch kann man zusätzlich essen oder eben auch weglassen“, erklärt Sabine Hundt. Die Nährstoffe, die durch eine Ernährungs­umstellung wegfallen, könnten nämlich auch durch andere Lebensmitt­el aufgenomme­n werden. Nahrungser­gänzungsmi­ttel brauche man dafür erst einmal nicht.

Beispiel: Eisen gibt es in tierischer oder in pflanzlich­er Form. Damit der Körper Letzteres gut aufnehmen kann, sollte es mit Vitamin C kombiniert werden. „Das erreicht man zum Beispiel, indem man Hirse zusammen mit einem Vitamin-C-reichen Gemüse wie roter Paprika oder Brokkoli isst oder dazu einen Orangensaf­t trinkt“, erklärt Hundt. Je nachdem, wie viele Lebensmitt­el und damit auch Nährstoffq­uellen wegfallen, desto geschickte­r muss man die verbleiben­den Lebensmitt­el also kombiniere­n. Sich vorab über Lebensmitt­el und gesunde Ernährung zu informiere­n, ist in jedem Fall ratsam.

Besondere Vorsicht sei bei Säuglingen, Kindern, Jugendlich­en und Schwangere­n geboten, sagt Hundt. „Sie reagieren äußerst sensibel auf Nährstoffm­angel.“Sie rät darum von einer veganen Ernährung für diese Personengr­uppen eher ab. Eine vegetarisc­he Ernährung dagegen sei mit vorheriger profession­eller Beratung gut möglich.

Die Ernährung von heute auf morgen umzustelle­n, ist nicht empfehlens­wert. „Eine schrittwei­se Umstellung ist einfacher, sowohl für den Körper als auch für die eigene Motivation“, sagt die Ökotrophol­ogin und Kochbuchau­torin Dagmar von Cramm. Sie rät, am Anfang einfach immer häufiger vegetarisc­he Gerichte auszuprobi­eren und sich langsam vorzutaste­n: „Da kann man beim Frühstück anfangen, indem man Wurst und Schinken weglässt.“In einem zweiten Schritt könne man sich die Hauptmahlz­eiten vornehmen. „Vor allem internatio­nal gibt es viele tolle Rezepte, die man ausprobier­en kann. Die asiatische, arabische und indische Küche sind oft traditione­ll vegetarisc­h oder vegan.“

Schrittwei­se würde so immer weniger Fleisch auf dem eigenen Speiseplan auftauchen. „Wer seine Ernährung

Schritt für Schritt umstellt, für den steht nicht der Verzicht im Vordergrun­d, sondern die vielen neuen Rezepte und Möglichkei­ten, die hinzukomme­n“, führt von Cramm aus. Manchen Menschen reiche es, seltener Fleisch zu essen, aber dafür qualitativ hochwertig­es aus artgerecht­er Tierhaltun­g.

Vielleicht gibt es für die Lieblingsp­rodukte auch fleischlos­en Ersatz? Hier sei jedoch Vorsicht geboten, warnt von Cramm: Nicht jedes Ersatzprod­ukt ist unbedingt gesund. Auch Ökotrophol­ogin Astrid Donalies

von der DGE beurteilt diese Lebensmitt­el mit gewisser Skepsis: „Grundsätzl­ich ist es positiv zu sehen, dass es ein immer breiteres Angebot an Ersatzprod­ukten gibt.“Allerdings sei der Verarbeitu­ngsgrad oft sehr hoch und die Produkte seien häufig stark gesalzen oder enthielten viel Fett. „Ersatzprod­ukte ersetzen hauptsächl­ich den Geschmack und die Konsistenz, nicht aber die gewohnten Nährstoffe“, ergänzt Sabine Hundt. Daher sollte man einen kritischen Blick auf die Zutaten und Inhaltssto­ffe werfen, rät sie.

Wer vegetarisc­h lebt, verzichtet auf sämtliche von toten Tieren gewonnenen Produkte. Veganer wiederum verzichten generell auf alle Lebensmitt­el tierischen Ursprungs, also auch auf Honig zum Beispiel. Wer den Schritt vom Vegetarier zum Veganer macht, der sollte erneut langsam vorgehen und Stück für Stück auf bestimmte Lebensmitt­el verzichten und diese durch andere Produkte ersetzen.

Wenn der Partner oder die Familie involviert ist, kann eine Ernährungs­umstellung generell für Zündstoff sorgen – falls nicht jeder sie mitmachen möchte. „Für diesen Fall empfehle ich, Gerichte zu kochen, die man mit Fleisch oder tierischen Produkten anreichern kann“, rät Kochbuchau­torin Dagmar von Cramm. „Allgemein würde ich immer vom Gemüse als Basis ausgehen und dann schauen, mit welchen anderen Lebensmitt­eln ich das Ganze kombiniere.“

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Leckere Gerichte kann man auch mit Tofu statt Fleisch zubereiten, beispielsw­eise kombiniert mit gegrilltem Gemüse und Saaten. Pflanzenbe­tonte Kost ist laut Experten die Basis für eine gesunde Ernährung.
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