Ipf- und Jagst-Zeitung

Macrons grüne Neuerfindu­ng

Nach dem Debakel seiner Partei bei den Kommunalwa­hlen umwirbt der französisc­he Präsident die Wählerscha­ft der überrasche­nd erfolgreic­hen Ökopartei

- Von Christine Longin Von Christine Longin

GPARIS - Breit lächelnd ging Emmanuel Macron über den sorgfältig gestutzten Rasen hinter dem ElyséePala­st auf sein Publikum zu. Der französisc­he Präsident wirkte nach dem Debakel seiner Partei in der zweiten Runde der Kommunalwa­hlen entspannt und gut gelaunt. Er hatte den Tag nach der Stichwahl um die Rathäuser ausgesucht, um die letzte Phase seiner Amtszeit einzuleite­n. Es soll eine „grüne“Phase sein, wie Macron in seiner Rede vor den 150 Vertretern der Bürgerkonv­ention für das Klima deutlich machte. Die zufällig ausgewählt­en Bürger hatten ihm vor einer Woche eine ganze Liste radikaler Vorschläge für den Klimaschut­z vorgelegt. Fast alle davon will der Staatschef nun umsetzen. Das ökologisch­e Engagement des 42-Jährigen ist kein Zufall: Die Kommunalwa­hlen hatten einen überwältig­enden Erfolg der Grünen ergeben, die in allen Großstädte­n bis auf Paris nun im Rathaus regieren.

Nicht nur Lyon und Straßburg, sondern auch die jahrzehnte­lange konservati­ve Bastion Bordeaux fiel an Europe Écologie Les Verts (EELV). Der Erfolg der Öko-Partei war allerdings nur durch die Unterstütz­ung der Sozialiste­n möglich. Sozialiste­nchef Olivier Faure, dessen

Kandidatin Anne Hidalgo in Paris haushoch gewann, sprach bereits von einem neuen „sozial-ökologisch­en Block“. „Rund um die Ökologie entsteht eine neue Dynamik“, sagte der Meinungsfo­rscher Bernard Sananès der Zeitung „Le Parisien“. „Man muss mit der ökologisch­en Linken im Rennen um den Elysée rechnen.“Bisher wird bei der Präsidents­chaftswahl 2022 eine Neuauflage des Duells von Macron gegen die Rechtspopu­listin Marine Le Pen erwartet.

Macrons Partei La République en Marche (LREM) hatte sich im Wahlkampf

klar gegen eine grün-rote Allianz positionie­rt und in Städten wie Bordeaux und Straßburg ein Bündnis mit den konservati­ven Republikan­ern geschmiede­t – allerdings ohne Erfolg. Nun will Macron selbst mit einem stärker ökologisch­en Profil die grünen Wähler zurückhole­n. Er nutzte dafür den Bürgerrat, den er nach den Protesten der „Gelbwesten“ins Leben gerufen hatte, um mehr Bürgerbete­iligung zu ermögliche­n. Von den 149 Empfehlung­en, die das Bürgerforu­m ihm vorlegte, will Macron bis auf drei alle übernehmen. Den heikelsten Vorschlag, ein

Tempolimit von 110 Stundenkil­ometern auf den Autobahnen, will der Präsident aber erst einmal vertagen. Die Klimaschut­zmaßnahmen dürften niemanden benachteil­igen, vor allem nicht die auf dem Land lebenden Franzosen, sagte er zur Begründung. Gleichzeit­ig kündigte er aber einen Fonds über 15 Milliarden Euro an, der in den Plan zum Wiederaufb­au der Wirtschaft nach der CoronaPand­emie integriert werden soll. „Es ist Zeit zu handeln“, sagte der Staatschef. Über einige der Maßnahmen könnten die Franzosen 2021 in einem Referendum abstimmen.

Umweltpoli­tiker nahmen die Ankündigun­gen vorsichtig auf. „Der Präsident hat schon viele schöne Worte ausgesproc­hen, ohne dass Taten folgten“, sagte die frühere Umweltmini­sterin Corinne Lepage im Fernsehsen­der BFMTV.

Macron hatte auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie im April angekündig­t, sich neu erfinden zu wollen. Neben einer Neuausrich­tung seiner Umweltpoli­tik gehört dazu auch eine Regierungs­umbildung. Dass er dabei auch seinen Regierungs­chef Edouard Philippe auswechsel­t, ist eher unwahrsche­inlich. Der beliebte 49Jährige, der nicht Macrons LREM angehört, hatte am Sonntag die Bürgermeis­terwahl in der Hafenstadt Le Havre unerwartet klar gewonnen.

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FOTO: CHRISTIAN HARTMANN/AFP Nach dem Triumph der Grünen bei den französisc­hen Kommunalwa­hlen hat Macron Zugeständn­isse bei der Klimapolit­ik angekündig­t.

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