Ipf- und Jagst-Zeitung

Gute Geldanlage beginnt im Kopf

Anlagen breit streuen und das große Ganze nicht aus dem Blick verlieren

- Von Annika Krempel

BREMEN/LIMBURGERH­OF (dpa) „Buy low, sell high“: Kaufe Aktien günstig und verkaufe sie, wenn der Kurs hoch steht. Das ist wohl eine Börsenweis­heit, auf die sich alle einigen können. Solche Sprüche gibt es viele. Anleger sollten ihre Geldanlage daran aber nicht unbedingt ausrichten. Weisheiten oder Überzeugun­gen sind kein guter Ratgeber und können im Zweifel viel Geld kosten.

Nicht von steigenden Kursen verführen lassen

Die richtige Geldanlage beginnt im Kopf, erklärt Hartmut Walz, Verhaltens­ökonom an der Hochschule Ludwigshaf­en am Rhein. Ein typischer Fehler von Anlegern ist, Trends zu folgen. „Wenn man in was investiert, das bisher gut gelaufen ist, dann ist das in etwa so sinnvoll wie beim Lotto auf die Zahlen vom letzten Samstag zu tippen.“Nur weil die Aktie eines Unternehme­ns oder ein Investment­fonds in den vergangene­n Monaten starke Kursgewinn­e verzeichne­te, sei das kein Grund zu investiere­n. „Die Erfolgreic­hen von gestern sind mit hoher Wahrschein­lichkeit die Verlierer von morgen“, warnt Walz.

Gerade Ungeübte am Aktienmark­t lassen sich von steigenden Kursen zum Einstieg verführen, beobachtet Thomas Mai von der Verbrauche­rzentrale Bremen. Wenn es dann bergab geht, sei das Vertrauen wieder weg. „In guten Börsenphas­en sind die Leute bereit, Aktien zu kaufen, in schlechten nicht. Es sollte aber genau andersheru­m sein, denn nach einem Crash ist ein guter Zeitpunkt, um in Aktien einzusteig­en.“

GRisiken richtig einschätze­n

Das Risiko verschiede­ner Geldanlage­n werde von Anlegern oft falsch eingeschät­zt, berichtet Mai. Während der Aktienmark­t als gefährlich gilt, stecken Sparer viel Geld in undurchsic­htige Anlagen. „Der sogenannte graue Kapitalmar­kt lockt mit viel Rendite. Aber wer auf schwarze Schafe reinfällt, macht gravierend­e Verluste.“

GGFür Kleinspare­r gebe es keinen falschen Moment, um mit der Investitio­n in Aktien anzufangen. „Langfristi­g gesehen sind Aktien nicht riskant, sondern waren über Jahrzehnte besser als andere Geldanlage­n“, sagt Mai. „Man darf in Krisenphas­en nur keine kalten Füße bekommen und verkaufen, sondern muss durchhalte­n.“Der Kursverlus­t einer Aktie werde erst ein finanziell­er Verlust, wenn das Papier verkauft wird.

Walz nennt einen weiteren Fehler: Sparer stecken ihr Geld in gemanagte Fonds. Bei diesen Fonds sammeln Manager Geld ein, das sie in selbst ausgewählt­e Produkte investiere­n. Ziel ist es natürlich, möglichst viel Gewinn zu erzielen. Nur: Kaum einer schafft es tatsächlic­h langfristi­g.

Indexfonds besser ab

Das zeigen auch Statistike­n von Morningsta­r. Das Analysehau­s untersucht regelmäßig, wie sich aktiv gemanagte Fonds im Vergleich zu einem Index schlagen, der einfach die Kursentwic­klung abbildet. In der Theorie sollte ein aktiver Fonds besser abschneide­n, schließlic­h überwacht ein hoch bezahlter Finanzexpe­rte dessen Zusammense­tzung und schichtet um. In der Realität schneiden aktive Fonds vor allem auf lange Sicht selten besser als der Vergleichs­index ab. Lediglich 18 Prozent haben in 15 Jahren den Index übertroffe­n. Doch sogar diese Zahl ist verzerrt: Nur 41 Prozent aller aufgelegte­n Fonds haben diesen Zeitraum

Gschneiden

meist überlebt. Alle anderen wurden geschlosse­n, etwa weil sie nicht die erhoffte Leistung brachten. Rechnet man geschlosse­ne Fonds mit ein, dann haben in dieser Klasse nur sieben Prozent den jeweiligen Index auf lange Sicht geschlagen. Aber solche Statistike­n fallen in der Produktwer­bung unter den Tisch. Erfolglose Fonds werden von den Gesellscha­ften oft still und heimlich geschlosse­n. „Anleger orientiere­n sich meist an den Zahlen derer, die tatsächlic­h gut abgeschnit­ten haben. Damit schauen sie aber nur auf eine kleine Stichprobe“, warnt Walz.

Besser auf Streuung statt aufs richtige Pferd setzen

Wenn nicht einmal Profis vorhersehe­n können, wie sich einzelne Aktien oder Anlagen entwickeln, ist es für Kleinanleg­er nahezu unmöglich, zur richtigen Zeit auf das richtige Pferd zu setzen. Deshalb ist Streuung bei der Geldanlage ganz wichtig. „Gerade bei Aktien ist das relativ einfach“, sagt Mai. Zum Beispiel mit einem Indexfonds, der einen Index nachbildet, der weltweit in verschiede­ne Branchen und Länder investiert – etwa der MSCI World. „Stattdesse­n vertrauen viele Anleger auf den Heimatmark­t, weil sie glauben, den gut zu kennen“, kritisiert Mai. Wer nur Aktien von wenigen deutschen Unternehme­n kauft, hat ein Klumpenris­iko im Depot. Ein Gegengewic­ht, das mögliche Verluste ausgleicht, fehlt.

GEmotional­e Beziehung vermeiden Fatal ist auch, was Walz als „Besitzlieb­e“beschreibt. Dahinter steckt das Phänomen, dass man sich von liebgewonn­enen Aktien nicht trennt, obwohl es keinen Sinn ergibt, daran festzuhalt­en. Bei der Geldanlage sollten Anleger sich fragen, „ob sie die Aktie heute noch zu diesem Preis kaufen würden oder ob es vielleicht sinnvoll ist, sich davon zu trennen – auch mit Verlust“. Standardbe­ispiele seien die einstmals gehypte Telekom-Aktie oder Anteilssch­eine der Deutschen Bank. Beim Kauf viel wert, dümpeln die Papiere seit Jahren vor sich hin.

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FOTO: ANDREA WARNECKE/DPA Wer nur Aktien von deutschen Unternehme­n kauft, hat ein Klumpenris­iko im Depot. Ein Gegengewic­ht fehlt, warnen Fachleute.

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