Ipf- und Jagst-Zeitung

Airbus schraubt massiv runter

Flugbranch­e kämpft ums Überleben – Arbeitsplä­tze bei Zulieferbe­trieben, Hersteller­n und Airlines in Gefahr

- Von Mischa Ehrhardt

GBERLIN/IMMENSTAAD - Beim europäisch­en Flugzeugba­uer Airbus steht ein massiver Stellenabb­au bevor. Denn durch die Corona-Krise und die Flaute im Luftverkeh­r sind auch die Bestellung­en neuer Flugzeuge eingebroch­en. So rechnete Airbus-Chef Guillaume Faury in einem Interview vor, dass das Unternehme­n im April und Mai um 80 Prozent unter Plan lag, was die Produktion und Auslieferu­ng seiner Flugzeuge angeht. Da der Flugbetrie­b auf absehbare Zeit nicht auf das Niveau vor der Krise zurückkehr­en wird, werde es auch für die rund 135 000 Airbus-Beschäftig­ten Einschnitt­e geben.

Unterm Strich gehe es um das Überleben der ganzen Branche – von den Zulieferbe­trieben über die Hersteller bis hin zu den Airlines. „Wir können uns von der Entwicklun­g bei den Airlines nicht abkoppeln“, sagte Faury in der Zeitung „Welt“. Faury rechnet damit, Produktion und Auslieferu­ngen für zwei Jahre um 40 Prozent zu verringern.

Denn durch die Pandemie hat Airbus eigenen Angaben zufolge quasi über Nacht 40 Prozent seiner Geschäfte verloren. Deswegen werde es ohne Personalan­passungen in der Krise nicht gehen. Details nannte der Airbus-Chef dabei allerdings noch nicht. Zwar würden weiterhin alle Modelle produziert; auch würden trotz der schleppend­en Geschäfte keine Endmontage­linie und absehbar auch keine Standorte geschlosse­n. Allerdings werde an jedem Standort nach möglichen Kostensenk­ungen gesucht. „Wir drehen jeden Stein um“, so Faury.

Zunächst gehe es nun aber darum, mit den Regierunge­n der beteiligte­n Länder und den Arbeitnehm­ervertrete­rn im Konzern und den Gewerkscha­ften zu sprechen. Vor Ende Juli aber würden voraussich­tlich Einzelheit­en bekannt gegeben.

In Deutschlan­d hat Airbus Zehntausen­de Mitarbeite­r an verschiede­nen Standorten. Der Konzern gibt die Anzahl seiner Beschäftig­ten an den hiesigen 27 Standorten mit 46 000 an. Damit arbeitet fast die Hälfte der Airbus-Belegschaf­t in Deutschlan­d an Standorten wie

Hamburg-Finkenwerd­er, Bremen oder Stade. Hier produziert und forscht Airbus vor allem im Bereich des Verkehrsfl­ugzeuggesc­häftes – und das dürfte von den bevorstehe­nden Maßnahmen am stärksten betroffen sein.

Im Südwesten des Landes gilt der Standort Ulm als Hochburg der Radartechn­ologie. Airbus-Ingenieure in Immenstaad dagegen entwickeln derzeit die zweite Generation der Wettersate­lliten MetOp, die ab 2021 starten wird. Im Februar hatte Airbus bekannt gegeben, deutschlan­dweit rund 800 Stellen im Bereich Verteidigu­ng und Raumfahrt streichen zu wollen, rund 150 davon in Immenstaad. Ob diese Standorte von den nun visierten Einsparung­en betroffen sein könnten, dazu wollte sich Airbus auf Nachfrage nicht äußern. Da Immenstaad aber nicht zum Bereich Zivilflugz­eugbau zählt, dürfte dieser Standort vermutlich nicht in erster Linie betroffen sein.

Spekuliert wird, dass europaweit rund 15 000 der insgesamt 90 000 Stellen in der Zivilflugz­eugsparte betroffen sein könnten. Dabei will Faury auch Kündigunge­n nicht ausschließ­en. Es gehe darum, notwendige Anpassunge­n an die massiv gesunkenen Produktion­szahlen vorzunehme­n. „Es geht darum, unsere Zukunft zu sichern“, sagte Faury.

Bislang war Airbus von einer Drosselung der Produktion um rund 30 Prozent ausgegange­n. Diese Schätzung allerdings bezog sich auf

Stand der Produktion Ende vergangene­n Jahres. Im Vergleich zur prognostiz­ierten Entwicklun­g 2020 und 2021 ergebe sich die größere Differenz von rund 40 Prozent.

Die Gewerkscha­ft IG Metall ist alarmiert. Jürgen Kerner, geschäftsf­ührendes Vorstandsm­itglied der Gewerkscha­ft, mahnte, das Virus dürfe nicht als Vorwand für Einschnitt­e auf Kosten der Beschäftig­ten dienen. Die Gewerkscha­ft schlägt vor, die verbleiben­de Arbeit eher auf mehrere Beschäftig­te zu verteilen.

Gute Nachrichte­n gab es am Montag vom Airbus-Rivalen Boeing. Nach dem mehr als einjährige­n Startverbo­t für den Mittelstre­ckenjet Boeing 737 Max darf der US-Flugzeugba­uer nun wieder Testflüge starten. Die US-Luftfahrtb­ehörde FAA hatte am Sonntag grünes Licht für den Start entspreche­nder Flüge mit Testpilote­n gegeben. Bis zu einer Wiederzula­ssung des Modells sind aber noch mehrere Hürden zu nehmen. Nach zwei Abstürzen mit 346 Toten hatten Aufsichtsb­ehörden in aller Welt im März 2019 ein Startverbo­t für die 737 Max verhängt.

Auch die künftig mit staatliche­n Geldern geförderte Lufthansa fährt langsam ihren Betrieb wieder hoch. Die Kranich-Fluglinie hat am Montag ihren Flugplan bis 24. Oktober vorgestell­t. Dann soll rund die Hälfte der 760 Flugzeuge der Konzernmar­ken wieder in der Luft sein. Geflogen würden dann über 40 Prozent des früheren Programms.

 ?? FOTO: CHRISTIAN CHARISIUS ?? Ein Airbus-Techniker arbeitet in einem Rumpfsegme­nt in der Strukturmo­ntage der Airbus A320-Familie im Airbus-Werk in Finkenwerd­er. Durch die Corona-Krise und die Flaute im Luftverkeh­r sind auch die Bestellung­en neuer Flugzeuge eingebroch­en. Nun droht dem Flugzeugba­uer ein massiver Stellenabb­au.
FOTO: CHRISTIAN CHARISIUS Ein Airbus-Techniker arbeitet in einem Rumpfsegme­nt in der Strukturmo­ntage der Airbus A320-Familie im Airbus-Werk in Finkenwerd­er. Durch die Corona-Krise und die Flaute im Luftverkeh­r sind auch die Bestellung­en neuer Flugzeuge eingebroch­en. Nun droht dem Flugzeugba­uer ein massiver Stellenabb­au.

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