Skepsis gegenüber der Mehrwertsteuer-Senkung
Finanzielle Erleichterung oder Draufzahlgeschäft? Wie Aalener Gastronomen und Einzelhändler darüber denken
GAALEN - Ab Mittwoch soll die Mehrwertsteuer von 19 auf 16 und von sieben auf fünf Prozent gesenkt werden. Citymanager Reinhard Skusa weiß um den enormen Aufwand, der den Einzelhändlern droht, wenn sie all ihre Preise neu auszeichnen müssen. Deshalb plädiert er für die einfachste Lösung: „Alle Preise bleiben wie sie sind. Für den Endverbraucher ändert sich nichts, aber den Händlern und Gastronomen kann man damit was Gutes tun.“Skusa würde sich wünschen, dass alle Bürger darin die Möglichkeit sehen, den schlechten März und April für den Einzelhandel zumindest ein ganz klein wenig wieder auszugleichen. „Es wird sicherlich einige Schlauberger geben, die denken, dass jetzt alles billiger wird und der eine oder andere wird das sicherlich auch zu Marketingzwecken nutzen“, prophezeit Skusa, betont aber, dass ein Rechnungsrabatt seiner Meinung nach nicht im Sinne des Gesetzgebers ist. Das wesentlich größere Problem sieht der Citymanager in der Umstellung der Kassensysteme: „Die Servicetechniker, die sonst einmal im Jahr kommen, werden ausgebucht sein.“Daher lautet sein Appell an alle, den Handel und die Gastronomen in Aalen zu retten, denn „was wäre unsere schöne Innenstadt mit 20 bis 30 Prozent weniger Betrieben?“
Pressesprecher Daniel Ohl vom Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA schätzt den Aufwand der Kassenumstellung indes für die Gastronomen als überschaubar ein: „In den allermeisten
Fällen sind die Kassen nach Warengruppen programmiert und aufgegliedert. Diese Warengruppen gilt es nun, mit den aktuellen Steuersätzen zu hinterlegen. Wer sich mit seinem Kassensystem gut auskennt, kann dies gegebenenfalls selbst umstellen“, so Ohl. Dem kann auch Jürgen Kaiser, Geschäftsführer von KTW Südwest zustimmen. Der Aalener Dienstleister verkauft und wartet bargeldlose Kassensysteme. Laut Kaiser müssen die Händler zunächst vom BruttoPreis
die drei Prozent abziehen, den Rest erledige das Gerät vollautomatisch. KTW erwarte aus diesem Grund auch keine Wartungsengpässe, denn der Aufwand liege in diesem Fall weniger in der Einstellung des Gerätes als in der Neuberechnung der Preise.
Aus diesem Grund steht auch Jürgen Vetter von der Metzgerei Vetter in Wasseralfingen der Mehrwertsteuer-Senkung skeptisch gegenüber. Er halte die Unterstützung für zu kurzfristig und unausgereift. Nicht alle wirtschaftlichen Bereiche könnten gleichermaßen davon profitieren. „Bei uns geht es im Endeffekt um Centbeträge. Bei beispielsweise 100 Gramm Wurst sind das vielleicht drei Cent. Bei einem Auto im Wert von 30 000 Euro lohnt sich das, aber beim täglichen Bedarf bleibt da nichts hängen. Und dafür ist das aber ein gigantischer Aufwand“, erklärt der Metzgermeister. Entsprechend Skusas Rat hat sich sein Betrieb dagegen entschieden, die Preise generell zu senken. Stattdessen seien wöchentliche Rabattaktionen geplant. „Wir werden versuchen, unseren Kunden das auf andere Art und Weise zukommen zu lassen, aber nicht in einer generellen Preissenkung“, so Vetter.
Wie der Metzgermeister verspricht sich auch Manfred Kurz, Filialleiter des Elektrofachgeschäftes Expert Schlagenhauf, nicht viel von der Senkung. „Ich weiß nicht, ob die Einsparung so wirklich bei den Kunden ankommt. Selbst bei einem Wert von 100 Euro ist das ein Tropfen auf den heißen Stein.“Eine Neuetikettierung hält Kurz schon allein wegen des enormen Papierverbrauchs für strittig.
Darauf verzichtet auch das Aalener Möbelhaus Rieger. Die Auszeichnung
bleibe laut Hausleiter Thomas Czech unverändert und die Differenz werde erst beim Bezahlen abgezogen. „Das ist für uns der ehrlichere und glaubhaftere Weg. Und bis wir fertig wären mit Neuetikettieren, könnten wir wahrscheinlich wieder alles rückgängig machen.“Da beim Möbelkauf der Tag der Rechnungsstellung dem Auslieferungsdatum entspricht, gewährt das Möbelhaus auch denjenigen Kunden einen Preisnachlass, die ihre Möbel zwar vor der offiziellen Bekanntgabe der Senkung ihre Möbel bestellt haben, jedoch jetzt geliefert bekommen.
Für das Modehaus Funk ist die Weitergabe der Preissenkung selbstverständlich. „Die Regierung wollte mit der Mehrwertsteuer-Senkung explizit den Konsum ankurbeln. Und das macht nur Sinn, wenn wir diese dann auch zu 100 Prozent an den Kunden weitergeben. Auch sind wir auf die Sympathie unserer Kunden angewiesen, da können wir das nicht einfach einbehalten“, so Geschäftsführer
Tobias Funk. Ähnlich wie beim Möbelhaus Rieger wird das Bekleidungsgeschäft den Rabatt an der Kasse abziehen, um den Aufwand gering zu halten.
Darin befürchtet Alexander Palluch von der Industrie- und Handelskammer allerdings auch einen möglichen Fallstrick. „Einige Händler werden das weitergeben, um den Kunden zu signalisieren: Wir sind fair und ehrlich. An den eigentlichen Sinn und Zweck, dass die Leute so mehr kaufen, glauben viele aber nicht.“Denn lassen die Händler ihre Kunden an der Senkung teilhaben, bedeute das laut Palluch nicht unbedingt eine finanzielle Erleichterung – im Gegenteil. „Wenn sie dann nicht mehr verkaufen, bleibt weniger in den Taschen, weil sie mit der Preisänderung und auch beim Steuerberater deutlich höhere Kosten haben. In der Summe ist die Mehrheit nicht sehr glücklich darüber und der Ansicht, gut gemeint ist nicht immer gut gemacht.“
„Bei uns geht es im Endeffekt um Centbeträge.“