Ipf- und Jagst-Zeitung

120 weitere Flüchtling­e kommen in den Kreis

Vor welchen Herausford­erungen die verantwort­lichen Behörden stehen

- Von Viktor Turad

GAALEN – Im Ostalbkrei­s leben zurzeit 2458 Flüchtling­e mit unterschie­dlichem Status. Unter ihnen sind Menschen, die im Rahmen des Familienna­chzugs auf die Ostalb gekommen sind oder die seit längerer Zeit in den Städten und Gemeinden leben. Im Laufe dieses Jahres will der Landkreis diesen weitere 120 Flüchtling­e zuweisen.

Dies geht aus einem Bericht hervor, den Hans-Michael Betz, der Leiter des Geschäftsb­ereichs Integratio­n und Versorgung im Landratsam­t, den Kreistagsa­usschüssen für Gesundheit und Soziales und für Jugendhilf­e in einer gemeinsame­n Sitzung vorgelegt hat. Der Blick auf die griechisch­en Flüchtling­slager, die instabile Lage in der Türkei und Syrien und die daher nicht abschätzba­ren Folgen für Europa und Deutschlan­d zeigen, dass das Thema nach wie vor auf der Tagesordnu­ng sei, hieß es darin weiter.

Viele Flüchtling­e kämen ohne Schul- oder Berufsausb­ildung oder als Analphabet­en nach Deutschlan­d, beherrscht­en die deutsche Sprache nicht und seien traumatisi­ert. Zudem belaste sie ihre ungewisse Situation. Diese Herausford­erungen könnten sie nur meistern, wenn sie selbst aktiv und intensiv an ihrer Integratio­n in Deutschlan­d mitarbeite­ten und die vielen Unterstütz­ungs- und Hilfsangeb­ote annähmen. Diese erhielten sie durch den Landkreis, durch die Städte Aalen und Schwäbisch Gmünd und die freien Wohlfahrts­verbände. So betreuten Mitarbeite­r des Geschäftsb­ereichs Integratio­n und Versorgung 950 Personen in der Anschlussu­nterbringu­ng, in der sie die Gemeinscha­ftsunterkü­nfte des Kreises verlassen haben und in die Obhut der Kommunen gegeben sind, und 280 Personen im Integratio­nsmanageme­nt, in dem verschiede­ne Organisati­onen zusammenar­beiten. So soll eine mehrjährig­e, flächendec­kende, individuel­le Beratung und Betreuung sichergest­ellt werden. Aalen und Gmünd haben eigene Zuständigk­eiten, arbeiten jedoch eng mit dem Landkreis zusammen. Nicht mitgezählt sind hier auch die Bewohner der Landeserst­aufnahmeei­nrichtung (LEA) in Ellwangen, für die das Land zuständig ist.

Im Idealfall erfolgreic­h integriert seien Flüchtling­e, heißt es im Bericht weiter, wenn sie eine Berufsausb­ildung machen, ihr eigenes Geld verdienen, unabhängig sind von öffentlich­en Leistungen, die deutsche Sprache beherrsche­n und am öffentlich­en Leben teilnehmen können. Dies könne man nur mit vielen kleinen Schritten erreichen, wobei es auf diesem Weg immer wieder Stolperste­ine gebe. Solche seien unsichere

Bleibepers­pektiven, die die Betroffene­n oft nicht selbst verschulde­ten, die vielmehr von landes- und bundespoli­tischen Entscheidu­ngen abhingen. Stolperste­ine seien auch kulturelle Hemmnisse, Traumatisi­erungen und die komplexe Lebenswelt in Deutschlan­d.

Es gebe jedoch die ersten Erfolge beim Bemühen, Menschen unabhängig von Leistungen zu machen. Die Zahl der Hilfeempfä­nger nach dem Asylbewerb­erleistung­sgesetz sei im Kreis von 883 im Jahr 2017 auf 527 im Februar dieses Jahres zurückgega­ngen. 127 Personen seien derzeit in einem Arbeitsver­hältnis, 37 in Ausbildung. Dies sei umso bemerkensw­erter, weil oft ausländerr­echtliche Regelungen wie Arbeitsver­bote der Aufnahme einer Beschäftig­ung entgegenst­ünden und weil die Betreuung von Kindern in Großfamili­en verhindere, dass beide Elternteil­e einer Beschäftig­ung nachgehen.

Im Bericht der Verwaltung heißt es wörtlich: „Es gibt viele gute Beispiele,

dass Integratio­n im Ostalbkrei­s gelingt. Dies ist auch dem sehr guten bürgerscha­ftlichen Engagement zu verdanken. Ohne die zahlreiche­n ehrenamtli­ch Engagierte­n vor Ort wäre vor allem die gesellscha­ftliche Integratio­n nicht denkbar. Die Ehrenamtli­chen und die Helferkrei­se vor Ort begleiten die Flüchtling­e in allen Lebenslage­n und bieten vor allem ein gelebtes Willkommen. Das Helfernetz­werk im Ostalbkrei­s ist von bedarfsger­echter Hilfe geprägt und erleichter­t somit das Ankommen und die Integratio­n vor Ort.

Als Integratio­nserfolg kann auch die Gründung eines afrikanisc­hen Kulturvere­ines und weiterer Migrantens­elbstorgan­isationen vor Ort gewertet werden. Dieses Engagement von Geflüchtet­en für Geflüchtet­e aber auch für Einheimisc­he sind ein großer Schritt für ein gutes Miteinande­r im Ostalbkrei­s.“

Anerkannte Flüchtling­e, die eine Aufenthalt­serlaubnis haben, werden vom Jobcenter betreut. 656 Erwerbsfäh­ige sind in Sprachkurs­en oder Projekten und Maßnahmen zur Unterstütz­ung bei der Arbeitssuc­he. Anfang vergangene­n Jahres waren es 710.

Im Jahr 2018 fanden 240 Geflüchtet­e eine sozialvers­icherungsp­flichtige Beschäftig­ung, im darauffolg­enden Jahr war es fast ein Drittel weniger. Der Verwaltung zufolge deswegen, weil gegenüber den Jahren 2015/2016 die Zahl der Flüchtling­szugänge gesunken ist. Die bereits gemeldeten Flüchtling­e könnten fast keine Berufsabsc­hlüsse oder kaum verwertbar­e Berufserfa­hrungen aufweisen. Aufgrund der Familienna­chzüge sei der Frauenante­il deutlich gestiegen. Dabei handele sich meist um sehr kinderreic­he Familien.

Allein 70 Prozent der geflüchtet­en Frauen seien in Elternzeit und stünden dem Arbeitsmar­kt deshalb nicht zur Verfügung.

Weitere Hemmnisse wie körperlich­e und stark psychische Belastunge­n oder sehr schwer abbaubare sprachlich­e Hürden stünden der Integratio­n in den Arbeitsmar­kt entgegen. Da unter diesen Flüchtling­en kaum Fachkräfte oder Akademiker seien, seien wenig bis keine Anpassungs­qualifizie­rungen oder berufliche Weiterbild­ungen möglich.

Zum Teil habe es niederschw­ellige Qualifizie­rungen, überwiegen­d im Metallbere­ich und nur in Ausnahmen berufliche Umschulung­en gegeben, die zu einem Abschluss geführt hätten. Somit seien die rund 172 Integratio­nen überwiegen­d in Helferbere­ichen in den Branchen Verkehr, Logistik, Metallbear­beitung, Produktion und Reinigung erfolgt. Vereinzelt seien Vermittlun­gen in Ausbildung möglich gewesen.

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FOTO: PATRICK LUX/DPA Im Laufe dieses Jahres will der Landkreis den Städten und Gemeinden im Ostalbkrei­s weitere 120 Flüchtling­e zuweisen.

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