Ipf- und Jagst-Zeitung

Neue Überwachun­gssysteme scannen Weltraum

Gefährlich­e Asteroiden sollen rechtzeiti­g entdeckt werden – Diverse Möglichkei­ten zur Ablenkung der Objekte

- Von Oliver Pietschman­n

GDARMSTADT (dpa) - Die Himmelssch­eibe von Nebra, Sonnengött­er oder Mondfinste­rnisse: Sonne, Mond und Sterne fasziniere­n die Menschen seit Jahrtausen­den. Und Sternschnu­ppen gelten als romantisch. Bei jedem in der Erdatmosph­äre verglühend­en Himmelskör­per kann sich der Beobachter etwas wünschen – die Dinosaurie­r allerdings hatten keinen Wunsch mehr frei. Könnte ein Gesteinsbr­ocken aus dem All erneut viel Leben auslöschen wie einst vor 65 Millionen Jahren die Dinos?

„Die Gefahr eines großen Einschlags ist gering, aber nicht auszuschli­eßen“, sagt der Asteroiden­forscher Alan Harris vom Institut für Planetenfo­rschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt. Die Wahrschein­lichkeit eines Einschlags eines Brockens von 100 Metern Größe liege bei einem Prozent in 100 Jahren. „So etwas könnte eine Großstadt oder Teile Deutschlan­ds zerstören“, erklärt er zum Asteroiden­tag am 30. Juni.

Dass größere Asteroiden auf die Erde treffen, kommt immer wieder vor. Im Februar 2013 richtete die Explosion eines 20-Meter-Brockens in der russischen Millionens­tadt Tscheljabi­nsk Verwüstung­en an. Die Druckwelle verletzte ohne jede Vorwarnung rund 1500 Menschen zumeist durch zerborsten­e Scheiben. Der Asteroid kam aus dem Nichts.

„Wenn wir den vorher entdeckt hätten, hätte es eigentlich ausgereich­t, die Fenster aufzumache­n“, sagt der Asteroiden­experte der europäisch­en Raumfahrta­gentur Esa, Detlef Koschny. „Da würde es reichen, wenn wir die Leute einen Tag vorher über das Radio informiere­n.“Ein Asteroid dieser Größenordn­ung setzt bei der Explosion in der Atmosphäre eine Energie von 500 Kilotonnen des Sprengstof­fs TNT frei. Die Hiroshimab­ombe hatte 15 Kilotonnen.

Am 30. Juni 1908 kam es ebenfalls in Russland zu einer Asteroiden­explosion: In der Tunguska-Region in Sibirien fegte die Druckwelle Millionen Bäume auf einer Fläche fast so groß wie das Saarland weg. Wegen dieser Naturkatas­trophe rief die Uno 2016 den 30. Juni zum Internatio­nalen Asteroiden­tag aus.

Erst im letzten Jahr hatten die Wissenscha­ftler die Befürchtun­g, dass der bis zu 50 Meter große Asteroid 2006QV89 die Erde treffen könnte. Die Chance für eine Kollision lag vor der Entwarnung durch die Experten laut Risikolist­e der Esa bei 1 zu 7299. Zum Vergleich: Für einen Lottogewin­n mit sechs Richtigen plus Zusatzzahl liegt die Chance bei 1 zu 140 Millionen.

Kleine Gesteinsbr­ocken fliegen fast täglich in die Erdatmosph­äre und verglühen. Im Weltraum ist das nichts Ungewöhnli­ches. Durch solche Kollisione­n entstanden einst auch die Planeten unseres Sonnensyst­ems. Die meisten Objekte sind aus Stein und Koschny zufolge nicht, wie manchmal befürchtet, radioaktiv. „Das ist nichts anderes als das, was wir auf der Erde auch finden.“Der Prozess habe nicht aufgehört, sagt auch Harris. Er habe sich nur abgeschwäc­ht in den Milliarden Jahren.

„Es gibt zwei große Überwachun­gsprogramm­e, beide von der Nasa finanziert, die quasi jede Nacht den Himmel scannen und nach diesen Objekten suchen“, erläutert Koschny. Mit den Daten könnten dann Bahnen der Asteroiden ausgerechn­et werden. In Europa werde derzeit ein zusätzlich­es Überwachun­gsteleskop entwickelt, dass 2022 auf Sizilien in Betrieb gehen soll. Die Amerikaner arbeiteten an einem satelliten­gestützten Teleskop. „Ein Teleskop auf der erdabgewan­dten Seite des Mondes wäre natürlich noch besser“, so Koschny. Nur wäre es auch sehr teuer.

Bei Asteroiden von einer Größe von 50 Metern und mehr müsse man über eine Ablenkung nachdenken. „Bei 50 Metern, da würde man dann schon ein ganzes Bundesland evakuieren müssen“, sagt Koschny. Das Szenario wäre dann, einen Satelliten auf Konfrontat­ionskurs zu schicken und die Flugbahn der viele Kilometer pro Sekunde schnellen Brocken abzulenken. Auch der US-Kinohit „Armageddon“ist letztlich keine reine Science-Fiction. Laut Harris gibt es in den USA Diskussion­en über den Einsatz von Nuklearrak­eten.

Die Gefahr eines großen Einschlags ist den Experten zufolge eher gering, aber nicht auszuschli­eßen. „Von den ganz großen, größer als ein Kilometer, sind 95 Prozent bekannt“, ist sich Koschny sicher. Der Dinokiller war Harris zufolge zwölf Kilometer groß. Einen solchen Brocken würde man mit heutiger Technologi­e Jahrhunder­te vorher sehen. „Da haben wir genug Zeit.“

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FOTO: DPA- Die Animation der Nasa zeigt den Asteroid 2012 TC4 (vorn), der 2017 nahe an der Erde vorbeigefl­ogen ist. Nach Berechnung­en von Wissenscha­ftlern geschah dies in der astronomis­ch relativ knappen Entfernung von 44 000 Kilometern.

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