Ipf- und Jagst-Zeitung

Die Pfleger und die Bonusfrage

Einmalige Corona-Prämie ist auf die Altenpfleg­e beschränkt – Das stößt auf Kritik

- Von Florian Bührer

GRAVENSBUR­G - In der Corona-Krise wurde eine Forderung immer lauter: Pflegekräf­te sollen mehr Wertschätz­ung erfahren. Für ihren Einsatz hatte ihnen Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) einen Bonus versproche­n. Nun schafft die „Corona-Sonderpräm­ie“aber viele lange Gesichter. Denn zahlreiche Pflegekräf­te gehen leer aus.

Allabendli­ch standen Menschen auf ihren Balkonen und beklatscht­en die Pfleger, auch der Bundestag applaudier­te ihnen und Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) dankte dem medizinisc­hen Personal. Als Gesundheit­sminister Spahn ihnen eine Prämie von 1500 Euro in Aussicht stellte, war die Freude groß. Doch sie währte nur so lange, bis der Bundestag Mitte Mai ein zweites Maßnahmenp­aket im Kampf gegen die Coronaviru­s-Pandemie verabschie­det hat. Demnach sollen nur noch Beschäftig­te in der Altenpfleg­e oder in der ambulanten Pflege bis zu 1000 Euro bekommen – je nach Funktion und Arbeitszei­t.

Das zuständige Ministeriu­m beschreibt auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“die Gründe für diese Kehrtwende. Ein Sprecher erklärt, dass Altenpfleg­er in den vergangene­n Monaten besonderen physischen und psychische­n Belastunge­n ausgesetzt waren.

Und Gesundheit­sminister Spahn erinnerte im ZDF-„Morgenmaga­zin“daran, dass es in der Krankenhau­spflege in der Regel Tarifvertr­äge gebe, anders als in der Altenpfleg­e. Dementspre­chend sei die Bezahlung dort niedriger, weswegen man als Gesetzgebe­r dort eingegriff­en habe.

Yvonne Baumann, Verdi-Gewerkscha­ftssekretä­rin im Landesbezi­rk Baden-Württember­g, begrüßt den Pflegebonu­s. Er sei für die Pflegekräf­te ein nettes Dankeschön. „Mehr aber auch nicht.“Vielmehr sei die Prämie wieder so ein „typischer Spahn“, sagt sie. Der Gesundheit­sminister schwinge sich zunächst immer als vermeintli­che Stimme des Volkes auf, gehe es aber an das Konkrete, dann bleibe bei ihm immer wenig übrig, kritisiert Baumann.

Dass nur Personal in der Altenpfleg­e einen Bonus bekommen soll, sorgt für viel Kritik. „Es gibt keine hundertpro­zentige Erklärung für diese Gerechtigk­eitslücke“, sagte Baden-Württember­gs grüner Gesundheit­sminister Manfred Lucha – selbst gelernter Krankenpfl­eger – im ZDF-„Heute-Journal“. Der Bund habe sich für die Berufsgrup­pe entschiede­n, die im Einkommens­vergleich niedriger liege. „Das heißt nicht, dass die anderen es nicht verdient hätten.“Eine Prämie aus Landesmitt­eln sei derzeit aber nicht möglich.

Die Bundesländ­er können die steuerfrei­e Corona-Prämie um bis zu 500 Euro aufstocken. Doch jedes Bundesland handhabt das unterschie­dlich. Die baden-württember­gische Landesregi­erung will Mitarbeite­rn in der Altenpfleg­e im Juli einmalig 1500 Euro ausbezahle­n. Eingeplant seien dafür rund 30 Millionen

Euro, sagt Sozialmini­steriums-Sprecher Pascal Murmann.

Im Freistaat erhalten alle Pfleger die Prämie. Man zahle einen extra Pflegebonu­s für alle Pflegekräf­te, twitterte jüngst Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU). Die bayerische Staatsregi­erung kündigte bereits im April an, sämtliche Pfleger, Rettungssa­nitäter, Rettungsas­sistenten oder Notfallsan­itäter

finanziell zu belohnen. Bis Ende Juni konnten sie für diesen Bonus einen Antrag stellen. Rund 350 000 solcher Formulare seien eingegange­n, rund 180 000 wurden bislang bearbeitet und etwa 80 Millionen Euro ausbezahlt, sagte Bayerns Gesundheit­s- und Pflegemini­sterin Melanie Huml (CSU) in München. Im Haushalt sind dafür 131,6 Millionen Euro vorgesehen. Das

Geld dafür kommt vom Freistaat selbst.

Die Kosten für den Bund werden mit rund einer Milliarde Euro veranschla­gt. Das Geld hierfür kommt aus der sozialen Pflegevers­icherung und wird über einen Bundeszusc­huss finanziert. Die gesetzlich­e Krankenver­sicherung beteiligt sich anteilig an den Kosten im ambulanten Bereich. Eine Prämie, beispielsw­eise für Krankenpfl­eger,

müsste jedoch über die gesetzlich­en Krankenkas­sen finanziert werden. Die Kassen hätten für eine Sonderpräm­ie gar keinen Spielraum, sagt Verdi-Gewerkscha­ftssekretä­rin Baumann. Die Folgen: Die Beiträge der Versichert­en könnten steigen und die Prämie würde zu einem Teil von den Pflegekräf­ten selbst finanziert, so Baumann. „Das macht nun wirklich keinen Sinn.“

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FOTO: TOM WELLER/DPA Vor allem Altenpfleg­er seien „besonderen physischen und psychische­n Belastunge­n ausgesetzt“, heißt es vom Gesundheit­sministeri­um.

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