Jugendliche hadern mit Sozialberufen
Niedrige Löhne und schlechte Perspektiven schrecken junge Menschen ab – Giffey wirbt um Nachwuchs
GBERLIN - Wenn Corona etwas Gutes hat, dann vielleicht das: Soziale Berufe wie in der Kindertagesbetreuung oder Pflege sind als wichtige Stützen der Gesellschaft ins Rampenlicht geraten. Und viele Jugendliche und junge Erwachsene können sich grundsätzlich vorstellen, in diesem Bereich zu arbeiten. Das ist zumindest das Ergebnis einer repräsentativen Befragung von 14- bis 20Jährigen durch das Sinus-Institut, die Bundesjugendministerin Franziska Giffey (SPD) am Dienstag in Berlin vorstellte. Demnach werden beide Berufsfelder als anspruchsvoll und abwechslungsreich empfunden.
Trotzdem können sich nur 24 Prozent der Befragten vorstellen, in die Kita-Betreuung zu gehen. Bei der Pflege sind es sogar nur 21 Prozent. Denn bei der Bezahlung und den Perspektiven sieht es nach Ansicht der jungen Menschen in beiden Berufsfeldern eher düster aus.
Für Giffey bedeutet das, dass „mehr Gehalt, bessere Arbeitsbedingungen und Aufstiegsmöglichkeiten“her müssen, um die Berufe für Interessierte aufzuhübschen. Denn insbesondere bei den jungen Männern und den höheren Bildungsabschlüssen gebe es noch ungenutzte Potenziale. Und da in den nächsten fünf bis sechs Jahren alleine 191 000 Erzieher benötigt werden, wolle man nachbessern, um dem ewigen Berufswunschprimus „irgendwas mit Medien“ein paar Interessierte abspenstig zu machen.
Laut Giffey steht Deutschland längst nicht mehr am Anfang. „Die Aufwertung der sozialen Berufe findet ja schon statt“, sagt die Ministerin und zählt auf: Abschaffung des Schulgelds, ab August Aufstiegs-BAföG für Erziehungsfachschüler als Vollzuschuss. Dass angehende Erzieher für ihre Ausbildung Geld bekommen statt Schulgeld abdrücken zu müssen, ist nicht selbstverständlich und Ländersache. Giffey lobt dabei Modelle wie die bezahlte „Praxisintegrierte Ausbildung“(PiA) in Stuttgart, wo es für 75 Plätze 400 Bewerber gegeben habe. „Ich könnte mir die Ausbildung sonst gar nicht leisten“, hätten ihr Quereinsteiger berichtet.
Giffey sieht die sozialen Berufe auch monetär auf einem guten Weg und feuert Zahlen ab: Ein Azubi in der generalistischen Pflegeausbildung verdiene im ersten Jahr 1140 Euro brutto im Monat, ein Krankenhauspfleger 3415 Euro, eine Fachkraft in der Altenpflege immerhin noch 2877 Euro. Eine Erziehern starte bei 2830 Euro, die Chefin einer großen Kita könne auf 5845 Euro kommen. Wenn man alle Berufsgruppen in Deutschland vergleiche, lande die frühe Bildung im Mittelfeld. Allerdings bleibe der Abstand zu den Grundschullehrkräften groß, beklagt die Ministerin und stellt deshalb klar, dass Kitas Bildungseinrichtungen seien. „Wir reden hier nicht von Basteltanten, sondern von Pädagogen in der frühkindlichen Bildung“, sagt sie.
Die Studie soll nun Anlass sein, die Verbesserungen der vergangenen Jahre deutlicher zu kommunizieren, und weitere zu erreichen.
Denn der Bedarf bleibe, auch wenn die Branche schon längst wieder aus dem Corona-Rampenlicht verschwunden sein sollte.