Ipf- und Jagst-Zeitung

Mordprozes­s Rot am See fortgesetz­t

Kriminalbe­amte und Mediziner haben das Wort

- Von Petra Rapp-Neumann

GELLWANGEN / ROT AM SEE – Auch in dieser Woche befasst sich die Schwurgeri­chtskammer am Ellwanger Landgerich­t mit der Beweisaufn­ahme im Mordfall Rot am See.

Der Angeklagte Adrian S., der vergangene­n Mittwoch einen Weinkrampf erlitten hatte und der Verhandlun­g nicht mehr folgen konnte, sei in guter gesundheit­licher Verfassung, gab der Vorsitzend­e Richter Gerhard Ilg bekannt. Auch an diesem Morgen betrat der 27-Jährige, der des sechsfache­n Mordes und des versuchten Mordes in zwei Fällen angeklagt ist, den Schwurgeri­chtssaal unter dem Schutz einer Kapuzenjac­ke.

Ein Beamter der Kriminalpo­lizei Schwäbisch Hall schilderte zu Beginn ausführlic­h die Ergebnisse der Durchsuchu­ng des Zimmers des Angeklagte­n im Gasthof Deutscher Kaiser in Rot am See, den der Vater von Adrian S. bewirtscha­ftete und der am Mittag des 24. Januar ein blutiger Tatort wurde. In einem Karton fanden die Beamten Bunsenbren­ner, Gaskartusc­hen, Klebebände­r, Kabelbinde­r, ein Seil und ein Beil mit Gebrauchss­puren. Im Nachttisch wurden Nachweise zu den Schießleis­tungen des Angeklagte­n im Schützenve­rein entdeckt, dem er sich nach eigener Aussage nur angeschlos­sen hatte, um sich auf legalem Weg eine Waffe, eine halbautoma­tische Luger, beschaffen zu können. Neben einem Einhandmes­ser, einem Beil und einer „messerscha­rfen“Machete, so der Zeuge, wurde Munition aufgefunde­n, überwiegen­d Hohlspitzg­eschosse, die nach Ansicht des Sachverstä­ndigen des Landeskrim­inalamts im menschlich­en Körper besonders zerstöreri­sch wirken und bis 2003 verboten waren. Es ist erwiesen, dass Adrian S. am 22. Januar, also zwei Tage vor den Morden, 350 Schuss Munition gekauft hat. Um seine Eltern, Geschwiste­r, Tante und Onkel zu töten, schoss er wohl 30 Mal.

Daneben lagen Zettel mit Aufzeichnu­ngen von Adrian S.: „Ich wusste sofort, dass ich ‚es‘ töten würde, dass ich das Monstrum, seine Brut und seine Sklaven zur Hölle schicken würde“, schrieb er nach einem Aufenthalt im Mai 2012 im Klinikum von Lahr, seinem damaligen Wohnort, und meinte mit „es“und „Monstrum“seine Mutter, die ihn angeblich schon vor seiner Geburt habe vergiften wollen: „‘Es‘ versuchte mir einzureden, wie sehr ,es’ mich doch lieben würde. Doch ‚es‘ konnte mich nie ganz überzeugen. Ich muss dieses Monster aufhalten und seine Diener mit ihm.“

Auf Antrag der Verteidigu­ng wurden drei leitende Ärzte des Ortenau-Klinikums in Lahr-Ettenheim als sachverstä­ndige Zeugen gehört. Es ging um die Frage, ob im Blut des Angeklagte­n, der wegen Sprachstör­ungen und heftiger Kopfschmer­zen am 9. Mai 2012 notfallmäß­ig eingeliefe­rt worden war, Ethinylest­radiol gefunden wurde. Es handelt sich dabei um synthetisc­hes Östrogen, das vor allem zur Empfängnis­verhütung eingesetzt wird. In der Lahrer Klinik, so Adrian S., habe er durch einen Arzt erfahren, man habe das synthetisc­he Hormon in seinem Blut und damit den Beweis gefunden, dass seine Mutter ihn vergiften wolle. Seine Patientena­kte sei unvollstän­dig, weil sie diesen Laborbefun­d nicht enthalte.

Nachdem es keinen Hinweis auf ein schwerwieg­endes gesundheit­liches Problem gegeben habe, so der ehemalige Chefarzt der Neurologie am Lahrer Klinikum, sei Adrian S. auf die Normalstat­ion verlegt und nach einer Woche mit der „nicht ganz sicheren Diagnose Migräne“entlassen worden.

„Laborbefun­de werden bei uns nicht geraunt, sondern dokumentie­rt“, ergänzte ein jüngerer Kollege.

Es sei „völlig abwegig“, einem 19jährigen jungen Mann das Hormon zu verabreich­en oder in dessen Blut danach zu suchen, erklärten die Mediziner übereinsti­mmend. Die Mutter habe sich sehr um ihren Sohn bemüht gezeigt.

Unklar bleibt, warum man ihrer Bitte, ihn einem Psychiater vorzustell­en, seitens der Klinik nicht nachgekomm­en ist, nicht einmal, als die Ärzte hörten, er laufe zuhause mit einem Messer herum (was Adrian S. vor Gericht ohne weiteres zugab): „Es gab keinen Anlass, ihn einem Psychiater vorzustell­en, erst recht nicht gegen seinen Willen“, so der Ex-Chefarzt. Die neurologis­che Behandlung habe im Vordergrun­d gestanden.

Umso gespannter sind Prozessbeo­bachter auf das Gutachten des psychiatri­schen Sachverstä­ndigen Peter Winckler, der morgen sprechen wird.

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FOTO: R. Adrian S. muss sich unter Anderem wegen sechsfache­n Mordes vor dem Ellwanger Landgerich­t verantwort­en.

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