Mordprozess Rot am See fortgesetzt
Kriminalbeamte und Mediziner haben das Wort
GELLWANGEN / ROT AM SEE – Auch in dieser Woche befasst sich die Schwurgerichtskammer am Ellwanger Landgericht mit der Beweisaufnahme im Mordfall Rot am See.
Der Angeklagte Adrian S., der vergangenen Mittwoch einen Weinkrampf erlitten hatte und der Verhandlung nicht mehr folgen konnte, sei in guter gesundheitlicher Verfassung, gab der Vorsitzende Richter Gerhard Ilg bekannt. Auch an diesem Morgen betrat der 27-Jährige, der des sechsfachen Mordes und des versuchten Mordes in zwei Fällen angeklagt ist, den Schwurgerichtssaal unter dem Schutz einer Kapuzenjacke.
Ein Beamter der Kriminalpolizei Schwäbisch Hall schilderte zu Beginn ausführlich die Ergebnisse der Durchsuchung des Zimmers des Angeklagten im Gasthof Deutscher Kaiser in Rot am See, den der Vater von Adrian S. bewirtschaftete und der am Mittag des 24. Januar ein blutiger Tatort wurde. In einem Karton fanden die Beamten Bunsenbrenner, Gaskartuschen, Klebebänder, Kabelbinder, ein Seil und ein Beil mit Gebrauchsspuren. Im Nachttisch wurden Nachweise zu den Schießleistungen des Angeklagten im Schützenverein entdeckt, dem er sich nach eigener Aussage nur angeschlossen hatte, um sich auf legalem Weg eine Waffe, eine halbautomatische Luger, beschaffen zu können. Neben einem Einhandmesser, einem Beil und einer „messerscharfen“Machete, so der Zeuge, wurde Munition aufgefunden, überwiegend Hohlspitzgeschosse, die nach Ansicht des Sachverständigen des Landeskriminalamts im menschlichen Körper besonders zerstörerisch wirken und bis 2003 verboten waren. Es ist erwiesen, dass Adrian S. am 22. Januar, also zwei Tage vor den Morden, 350 Schuss Munition gekauft hat. Um seine Eltern, Geschwister, Tante und Onkel zu töten, schoss er wohl 30 Mal.
Daneben lagen Zettel mit Aufzeichnungen von Adrian S.: „Ich wusste sofort, dass ich ‚es‘ töten würde, dass ich das Monstrum, seine Brut und seine Sklaven zur Hölle schicken würde“, schrieb er nach einem Aufenthalt im Mai 2012 im Klinikum von Lahr, seinem damaligen Wohnort, und meinte mit „es“und „Monstrum“seine Mutter, die ihn angeblich schon vor seiner Geburt habe vergiften wollen: „‘Es‘ versuchte mir einzureden, wie sehr ,es’ mich doch lieben würde. Doch ‚es‘ konnte mich nie ganz überzeugen. Ich muss dieses Monster aufhalten und seine Diener mit ihm.“
Auf Antrag der Verteidigung wurden drei leitende Ärzte des Ortenau-Klinikums in Lahr-Ettenheim als sachverständige Zeugen gehört. Es ging um die Frage, ob im Blut des Angeklagten, der wegen Sprachstörungen und heftiger Kopfschmerzen am 9. Mai 2012 notfallmäßig eingeliefert worden war, Ethinylestradiol gefunden wurde. Es handelt sich dabei um synthetisches Östrogen, das vor allem zur Empfängnisverhütung eingesetzt wird. In der Lahrer Klinik, so Adrian S., habe er durch einen Arzt erfahren, man habe das synthetische Hormon in seinem Blut und damit den Beweis gefunden, dass seine Mutter ihn vergiften wolle. Seine Patientenakte sei unvollständig, weil sie diesen Laborbefund nicht enthalte.
Nachdem es keinen Hinweis auf ein schwerwiegendes gesundheitliches Problem gegeben habe, so der ehemalige Chefarzt der Neurologie am Lahrer Klinikum, sei Adrian S. auf die Normalstation verlegt und nach einer Woche mit der „nicht ganz sicheren Diagnose Migräne“entlassen worden.
„Laborbefunde werden bei uns nicht geraunt, sondern dokumentiert“, ergänzte ein jüngerer Kollege.
Es sei „völlig abwegig“, einem 19jährigen jungen Mann das Hormon zu verabreichen oder in dessen Blut danach zu suchen, erklärten die Mediziner übereinstimmend. Die Mutter habe sich sehr um ihren Sohn bemüht gezeigt.
Unklar bleibt, warum man ihrer Bitte, ihn einem Psychiater vorzustellen, seitens der Klinik nicht nachgekommen ist, nicht einmal, als die Ärzte hörten, er laufe zuhause mit einem Messer herum (was Adrian S. vor Gericht ohne weiteres zugab): „Es gab keinen Anlass, ihn einem Psychiater vorzustellen, erst recht nicht gegen seinen Willen“, so der Ex-Chefarzt. Die neurologische Behandlung habe im Vordergrund gestanden.
Umso gespannter sind Prozessbeobachter auf das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Peter Winckler, der morgen sprechen wird.