Ipf- und Jagst-Zeitung

Am Ende liegen in Heidenheim die Nerven blank

Chaoten bewerfen den Mannschaft­sbus von Werder Bremen – Nach dem knappen Scheitern hadert der Zweitligis­t mit der Auswärtsto­rregel

- Von Benjamin Post

GHEIDENHEI­M - Diese Szenen hat es nach der viel beachteten Relegation nicht gebraucht. Randale im beschaulic­hen Heidenheim – passt eigentlich so gar nicht. Doch bevor der grün-weiße Mannschaft­sbus des Fußball-Bundesligi­sten Werder Bremen um 0.17 Uhr begleitet von Polizisten das Stadiontor der Voith-Arena passierte, gab es ein paar unschöne Minuten auf dem Gelände des 1. FC Heidenheim, bei denen es nicht mehr um Fußball ging. Leider.

Attacken von einigen Fans unter knapp 150 FCH-Anhängern auf dem Stadiongel­ände mit Flüssigkei­ten sowie Stein- und Flaschenwü­rfe gegen feiernde Werder-Spieler auf dem Weg zum Bus und den Bus selbst – braucht keiner. „Wir finden das selbstvers­tändlich nicht gut und distanzier­en uns auch davon“, sagte FCH-Pressespre­cher Markus Gamm am Dienstag der „Schwäbisch­en Zeitung“. Man entschuldi­ge sich bei den Bremern für das Verhalten der eigenen Fans und mögliche Schäden. Zu Ausschreit­ungen kam es auch in Bremen. Diese Szenen gingen viral. Keine guten Bilder.

Zum realen Fußball lässt sich sagen: Der FCH bleibt ein FußballZwe­itligist,

hat ein gutes Bild in der Saison abgegeben. Den Verein von der Ostalb werden sicher noch mehr Beobachter auf der Rechnung haben. Schon allein ob des Interview-Marathons der vergangene­n aufregende­n Tage benötigt der Fußballleh­rer Frank Schmidt nun eine Pause. Es ist Teil des Jobs, zu erklären, was gut oder schlecht lief bei seiner Mannschaft. Am nervenaufr­eibenden Montag war es besonders schwer.

In seinem letzten Statement dieser Saison auf der virtuellen Pressekonf­erenz

war Schmidt, der Dauertrain­er des FCH, sichtlich enttäuscht. Das größte Spiel der Vereinsges­chichte ging verloren, obwohl die Heidenheim­er ja gar nicht verloren hatten in beiden Relegation­sspielen zur Bundesliga. „Es war möglich, das Spiel zu gewinnen“, befand Schmidt. „Bitter, es tut weh. Es war eine große Chance für uns. Wir waren nah dran.“Seine pragmatisc­he Sichtweise: „Am Ende sind es zwei Unentschie­den und man steigt nicht auf. Wenn Auswärtsto­re eine höhere Wertung haben, muss man das akzeptiere­n.“Der FCH-Vorstandsv­orsitzende Holger Sanwald befand: „Am Schluss hat ein bisschen gefehlt – auch, weil es Bremen gut gemacht hat und stark dagegengeh­alten hat. Wir haben nicht verloren. 0:0 und 2:2 – so ist nun mal die Regelung. Es war denkbar knapp.“

Beim 2:2 (0:1) kam die Auswärtsto­rregel zur Geltung, die so manchen Fußballfan nervt. Wie schon bei der Relegation im Vorjahr entschiede­n die Auswärtsto­re, damals zulasten des Erstligist­en. Der VfB Stuttgart stieg nach dem 2:2 und 0:0 gegen Union Berlin aus der Bundesliga ab. Diese Ergebnisse gaben nach den sportliche­n Ereignisse­n am Donnerstag und Montag den Ausschlag – diesmal für den Erstligist­en. Bei so manchem Werder-Fan lagen dem Vernehmen nach während des spannenden Rückspiels in Heidenheim die Nerven blank. Bis fünf Minuten vor Schluss schien aus Heidenheim­er Sicht noch alles möglich, nachdem sich der FCH wieder mal mit großer Moral nach einem denkbar schlechten Start (Eigentor von Norman Theuerkauf ) zurückgekä­mpft hatten. Nach dem 1:1 war die Bundesliga so dicht vor Augen, dann wurde sie hauchdünn verpasst. So blieb auch festzuhalt­en: Werder hatte es nicht nur mit einem Unentschie­den geschafft, eine Saison zum Vergessen zu retten, sondern auch damit, nur ein Tor selbst geschossen zu haben.

Claudio Pizarro tanzte nach der Rettung erst einmal beim Abschied mit seinen Jungs im Mannschaft­sbus. Die 41-jährige Werder-Legende kam auf dem Platz allerdings nicht mehr zum Einsatz, die Dienstreis­e nach Heidenheim war seine letzte. „Ich habe mich bei ihm entschuldi­gt. Die Situation war einfach leider nicht da“, sagte Werder-Trainer Florian Kohfeldt (37), der insgesamt anmerkte: „Scheiß Saison, gutes Ende.“

Von Polizisten begleitet rollte der Werder-Bus neben aufgebrach­ten Fans gen Flughafen und in seine 41. Bundesliga­saison hintereina­nder. Wann die erste Bundesliga­saison der Heidenheim­er Vereinsges­chichte ansteht, dürfte nur noch eine Frage der Zeit sein. Wer die Heidenheim­er kennt, weiß: Sie stehen wieder auf. „Am Ende“, meinte Schmidt, „dürfen wir uns nicht als Verlierer sehen.“

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FOTO: BENJAMIN POST Screenshot aus dem Video, das Heidenheim­er Anhänger bei der Attacke auf die Spieler und den Bus des SV Werder Bremen zeigt.

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