„Lieber einmal zu viel Alarm schlagen als einmal zu wenig“
Beratungslehrerin Felicia Leitner-Koch aus Weingarten versucht, den Ängsten und Belastungen der Schüler auf den Grund zu gehen
WEINGARTEN - Schulstress oder Probleme in der Familie können bei Schülern zu psychischen Problemen und Erkrankungen führen. Im schlimmsten Fall können Suizidgedanken aufkommen. Darüber haben Annika Natterer, Gloria Schu und Melissa Trubnikow mit Felicia Leitner-Koch gesprochen, die als Beratungslehrerin am Gymnasium Weingarten arbeitet und außerdem Vorsitzende des Beratungslehrerverbandes Baden-Württemberg (VdBL) ist. Sie weiß, wie man mit Sorgen, Problemen und Fragen der psychischen Gesundheit von Schülern umgeht.
Frau Leitner-Koch, mit welchen Anliegen kommen Schüler zu Ihnen?
Felicia Leitner-Koch: Hauptsächlich geht es um Lern- und Leistungsprobleme.
Oftmals spielen Prüfungsangst, Motivationsmangel, Zeitmanagement oder Konzentration eine Rolle. All dies kann zu psychischen Problemen führen.
Wie gehen Sie vor, wenn es um Schulstress oder Prüfungsangst geht?
Zuerst muss man versuchen herauszufinden, woher die Ängste und psychischen Belastungen kommen. Wenn ein Grund zum Beispiel ein schlechtes Zeitmanagement bei der Vorbereitung auf eine Klassenarbeit oder eine mündliche Prüfung ist, ist eine mögliche Lösung, einen Zeitplan zu erstellen, rechtzeitig mit der Vorbereitung zu beginnen und sich den Prüfungsstoff regelmäßig zu erarbeiten. Das kann den psychischen Druck, der von einer bevorstehenden Prüfung ausgeht, reduzieren. Allerdings ist eine gewisse Aufregung vor einer Prüfung durchaus hilfreich, weil sie die Leistungsfähigkeit steigert. Wenn es besonders wichtig ist, gute Noten zu erzielen und Schüler darunter leiden, kann ich in der Beratung versuchen herauszufinden, ob die hohen Erwartungen von dem Schüler selbst ausgehen oder von außen, zum Beispiel von den Eltern. Um die psychische Belastung durch Notendruck zu reduzieren, kann man daran arbeiten, andere Wertigkeiten zu setzen, beziehungsweise die Bedeutung von Noten nicht überzubewerten.
Manchmal ist es auch hilfreich, Fakten einfach hinzunehmen und anzuerkennen. Wer zum Beispiel die Versetzung nicht schafft und das nicht als Katastrophe empfindet, sondern sich mit der neuen Situation arrangiert, kann ihr gelassener begegnen.
Wie gehen Sie damit um, wenn sich jemand mit Suizidgedanken an Sie wendet?
Ich nehme jeden Suizidgedanken und Hinweis auf eine mögliche Suizidgefährdung sehr ernst und schlage lieber einmal zu viel Alarm als einmal zu wenig. Wichtig ist in solchen Fällen, einen Kinder- und Jugendpsychologin/en hinzuzuziehen, um dem Schüler bestmögliche Hilfe und Therapieangebote zukommen zu lassen.
Es ist wichtig zu wissen, dass fast alle Menschen, die sich umbringen wollen, dies vorher äußern, weil sie eigentlich Hilfe suchen. Deshalb sollte man es ernst nehmen, wenn jemand im Freundes- oder Bekanntenkreis Suizidabsichten äußert.
Wie sieht denn die Erfolgsbilanz Ihrer Beratungen von Schülern und Schülerinnen aus, die zu Ihnen gekommen sind?
Bei etwa einem Drittel der Schüler und Schülerinnen scheint sich durch die Beratungsgespräche leider nichts wesentlich verändert zu haben. Bei einem weiteren Drittel gehe ich davon aus, dass es nun besser läuft, da ich nach Abschluss der Beratungsgespräche nichts Gegenteiliges höre.
Von einem Drittel der Schüler erhalte ich eine direkte positive Rückmeldung, dass es ihnen jetzt besser gehe und meine Beratung ihnen geholfen habe, die Probleme zu bewältigen. Manche schreiben auch Dankeskarten, darüber freue ich mich sehr. Es ist schön, wenn man jemandem helfen kann.