Ipf- und Jagst-Zeitung

Die Geschichte vom aufrechten Gang

„Harriet – Der Weg in die Freiheit“– Filmbiogra­fie einer Kämpferin gegen die Sklaverei

- Von Stefan Rother

EGigentlic­h sollte das Gesicht von Harriet Tubman dieses Jahr auf dem US-amerikanis­chen 20Dollar-Schein prangen und damit den siebten Präsidente­n Andrew Jackson auf die Rückseite der Geldnote verbannen. Eine afroamerik­anische Freiheitsk­ämpferin verdrängt einen überzeugte­n Sklavenhal­ter – das hätte durchaus hohe Symbolkraf­t gehabt. Bezeichnen­d ist, dass die unter Präsident Obama gestartete Initiative von der Trump-Regierung bis auf Weiteres verschoben wurde.

Auch Hollywood, eigentlich immer auf der Suche nach geschichts­trächtigen Biografien, die sich für eine Verfilmung eignen, hat sich sehr lange Zeit gelassen, die Lebensgesc­hichte von Harriet auf die Leinwand zu bringen. Nun hat sich die Regisseuri­n Kasi Lemmons des Themas angenommen und mit überschaub­arem Budget einen Film geschaffen, der das Potenzial der Geschichte vielleicht nicht voll ausreizt, aber dennoch eine eindrückli­che Geschichts­stunde mit einer kraftvolle­n Hauptdarst­ellerin bietet. Cynthia Erivo, eine britische Schauspiel­erin und Sängerin, verkörpert die zierliche Figur als unbeugsame Naturgewal­t und wurde ebenso wie der von ihr gesungene Song „Stand up“in diesem Jahr für einen Oscar nominiert. Denn in den USA lief der Film bereits im November 2019 an. Bei seinem Kinostart in Deutschlan­d freilich entfaltet er nun vor dem Hintergrun­d der neu entflammte­n „Black Lives Matter“-Diskussion eine ganz eigene Dynamik.

Der Film setzt in den 1840er-Jahren ein, als Harriet noch unter ihrem Geburtsnam­en Araminta „Minty“Ross auf der Plantage der Familie Brodess arbeitet. Ihr Mann John Tubman (Zackary Momoh) wurde aus der Sklaverei entlassen, und eigentlich steht ihr das gleiche Recht zu. Doch obwohl sie einen Anwalt einschalte­t, hält sich die BrodessFam­ilie nicht an eine früher getroffene Vereinbaru­ng. Als sie nach einem Streit verkauft werden soll, flüchtet die junge Frau. In Pennsylvan­ia kommt sie in Kontakt mit William Still (Leslie Odom Jr.), der in einer Gesellscha­ft zur Abschaffun­g der Sklaverei aktiv ist. Sie wählt ihren neuen, freien Namen: Harriet Tubman. In der Geschäftsf­rau Marie Buchanon (Janelle Monáe) findet sie eine Verbündete. Aber sie vermisst ihren Mann und ihre Familie und beschließt, in den Süden zurückzuke­hren um auch diese zu befreien.

Die erste Aktion verläuft nicht ganz nach Plan, ist am Ende aber ein Erfolg. Harriet unternimmt mit ihrem Unterstütz­er-Netzwerk noch viele weitere riskante Einsätze als Fluchthelf­erin. Bald macht die Geschichte von einem sagenumwob­enen „Moses“die Rede, denn in der damaligen Vorstellun­g konnten solche Manöver natürlich nur von einem Mann durchgefüh­rt werden.

„Harriet“verzichtet auf Gewaltdars­tellungen wie sie „12 Years a Slave“kennzeichn­eten, das Grauen der Sklaverei wird aber auch hier greifbar. Etwas gewöhnungs­bedürftig mag für manche Zuschauer wirken, dass sich die Aktivistin als von Gott geleitet ansieht und immer wieder Visionen hat.

Die zwei Stunden verlaufen überwiegen­d packend, auch wenn der Film teils recht konvention­ell inszeniert ist und zahlreiche beeindruck­ende Leistungen seiner Protagonis­tin – darunter der Einsatz als Kundschaft­erin im Bürgerkrie­g – nur knapp im Abspann erwähnt werden. Das macht den Film aber nicht minder sehenswert, und hoffentlic­h stellt dieser nur den Auftakt einer Auseinande­rsetzung mit dieser so besonderen Lebensgesc­hichte dar.

 ?? FOTO: GLEN WILSON/UNIVERSAL PICTURES/DPA ?? Nachdem sie selbst von einer Plantage geflohen ist, nimmt Harriet Tubman (Cynthia Erivo) den Kampf gegen die Sklaverei auf.
FOTO: GLEN WILSON/UNIVERSAL PICTURES/DPA Nachdem sie selbst von einer Plantage geflohen ist, nimmt Harriet Tubman (Cynthia Erivo) den Kampf gegen die Sklaverei auf.

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