Staatsanwalt beantragt Lebenslänglich für Blutbad
Rechtsmedizinerin schildert grausige Details des Sechsfachmordes in Rot am See
GELLWANGEN – Am Tag vor der Urteilsverkündung im Prozess um den sechsfachen Mord von Rot am See hat die Heidelberger Rechtsmedizinerin Marion Stein ein Kaleidoskop des Grauens im Schwurgerichtssaal des Ellwanger Landgerichts ausgebreitet. Die Kammer nahm Lichtbilder der in Schwäbisch Hall obduzierten Leichname der Opfer von Adrian S. in Augenschein. Um die Totenwürde zu wahren, wurden die Medien davon ausgeschlossen. Doch was man hörte, war schrecklich genug. Nach dem Abschluss der Beweisaufnahme hatte der Staatsanwalt das Wort.
Die Tante des Täters weise als einzige, so die rechtsmedizinische Sachverständige, keinen Kopfschuss auf. Sie wurde von vier Schüssen in Brustkorb und Seite tödlich getroffen. Die anderen Opfer starben durch Kopfschüsse. Entsetzlich die Schilderung der Gutachterin zur Mutter von Adrian S. Im Treppenhaus des Gasthofs traf sie ein Schuss in den Rücken und durchbohrte die Lunge.
Von dort schleppte sie sich in die Küche im Erdgeschoss und blieb schwerverletzt liegen. Ihr 27-jähriger Sohn richtete die hilflose Frau mit einem gezielten Kopfschuss hin.
Auf jedes seiner sechs Opfer gab Adrian S. mehrere Schüsse ab. Man habe, so ein Beamter der Kriminaltechnik, um die Leichen verstreut 30 leere Patronenhülsen gefunden. Aus dem gutbürgerlichen Gasthof Deutscher Kaiser war eine Kammer des Schreckens geworden mit vier Toten im Haus, zwei Leichen im Hinterhof, Blutspritzern an den Wänden, Blutlachen auf dem Boden und im Kontrast dazu einem im offenen Fenster liegenden Telefon, mit dem Adrian S. die Polizei gerufen hatte.
In seinem Schlusswort ließ Staatsanwalt Carsten Horn die Morde, die sich am helllichten Tag ereigneten, Revue passieren. Das Mordmerkmal der Heimtücke sei gegeben, so Horn, die Opfer seien arg- und wehrlos gewesen. Jedes habe Adrian S., der sich mit der Waffe in der Hand zum Rächer und zum Herrn über Leben und Tod erhoben habe, ohnmächtig gegenüber gestanden. Die Überlebenden, darunter seine beiden Neffen, würden ihr Leben lang unter den traumatischen Folgen leiden. Bei der Ermordung von Mutter, Vater und Halbschwester, so Horn, habe Adrian S. unter dem Einfluss der krankhaften seelischen Störung des Wahns gestanden, doch sei er weder geistig verwirrt gewesen, noch habe er sich in einem psychischen Ausnahmezustand befunden. Schwer wiege der Mord am Halbbruder, den er getötet habe, weil der kräftigere Mann ihn womöglich entwaffnet und daran gehindert hätte, jenes Ziel zu erreichen, dem der 27-Jährige jahrelang alles unterordnete: den Tod seiner Mutter. Deshalb habe er den Bruder zielgerichtet getötet – ein weiteres Mordmerkmal, während Habgier und niedere Beweggründe fehlten.
Für die Morde an Mutter, Vater und Halbschwester plädierte Horn auf 14 Jahre, für die Morde an Halbbruder, Onkel und Tante auf lebenslänglich, für die beiden versuchten Morde an dem mit der Familie nicht verwandten Ehepaar in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung auf zehn Jahre, zusammengefasst zu einer lebenslangen Gesamtfreiheitsstrafe mit Feststellung der besonderen Schwere der Schuld, außerdem die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Denn, so der Staatsanwalt, der Auslöser für die Taten sei die chronische seelische Erkrankung des Angeklagten gewesen.
Dieser hörte mit gesenktem Kopf und äußerlich unbewegt zu. Sicher ist wohl, dass ihm Hass und Wahn, seine Mutter wolle ihn vergiften, den Bezug zur Realität nahmen. Er wolle kein Mitleid, rechne mit der Höchststrafe und habe mit dem Leben abgeschlossen, hatte der psychiatrische Sachverständige Peter Winckler in seinem Gutachten am Mittwoch ausgeführt. Der Lebensinhalt des Adrian S. sei es gewesen, sich an seiner Mutter zu rächen. Mit ihrem Tod fiel der Vorhang.
Am Freitag plädieren die drei Nebenklägervertreter und die beiden Verteidiger. Das Urteil, so der Vorsitzende Richter Gerhard Ilg, werde am Nachmittag gegen 14.30 Uhr verkündet.