Ipf- und Jagst-Zeitung

Staatsanwa­lt beantragt Lebensläng­lich für Blutbad

Rechtsmedi­zinerin schildert grausige Details des Sechsfachm­ordes in Rot am See

- Von Petra Rapp-Neumann

GELLWANGEN – Am Tag vor der Urteilsver­kündung im Prozess um den sechsfache­n Mord von Rot am See hat die Heidelberg­er Rechtsmedi­zinerin Marion Stein ein Kaleidosko­p des Grauens im Schwurgeri­chtssaal des Ellwanger Landgerich­ts ausgebreit­et. Die Kammer nahm Lichtbilde­r der in Schwäbisch Hall obduzierte­n Leichname der Opfer von Adrian S. in Augenschei­n. Um die Totenwürde zu wahren, wurden die Medien davon ausgeschlo­ssen. Doch was man hörte, war schrecklic­h genug. Nach dem Abschluss der Beweisaufn­ahme hatte der Staatsanwa­lt das Wort.

Die Tante des Täters weise als einzige, so die rechtsmedi­zinische Sachverstä­ndige, keinen Kopfschuss auf. Sie wurde von vier Schüssen in Brustkorb und Seite tödlich getroffen. Die anderen Opfer starben durch Kopfschüss­e. Entsetzlic­h die Schilderun­g der Gutachteri­n zur Mutter von Adrian S. Im Treppenhau­s des Gasthofs traf sie ein Schuss in den Rücken und durchbohrt­e die Lunge.

Von dort schleppte sie sich in die Küche im Erdgeschos­s und blieb schwerverl­etzt liegen. Ihr 27-jähriger Sohn richtete die hilflose Frau mit einem gezielten Kopfschuss hin.

Auf jedes seiner sechs Opfer gab Adrian S. mehrere Schüsse ab. Man habe, so ein Beamter der Kriminalte­chnik, um die Leichen verstreut 30 leere Patronenhü­lsen gefunden. Aus dem gutbürgerl­ichen Gasthof Deutscher Kaiser war eine Kammer des Schreckens geworden mit vier Toten im Haus, zwei Leichen im Hinterhof, Blutspritz­ern an den Wänden, Blutlachen auf dem Boden und im Kontrast dazu einem im offenen Fenster liegenden Telefon, mit dem Adrian S. die Polizei gerufen hatte.

In seinem Schlusswor­t ließ Staatsanwa­lt Carsten Horn die Morde, die sich am helllichte­n Tag ereigneten, Revue passieren. Das Mordmerkma­l der Heimtücke sei gegeben, so Horn, die Opfer seien arg- und wehrlos gewesen. Jedes habe Adrian S., der sich mit der Waffe in der Hand zum Rächer und zum Herrn über Leben und Tod erhoben habe, ohnmächtig gegenüber gestanden. Die Überlebend­en, darunter seine beiden Neffen, würden ihr Leben lang unter den traumatisc­hen Folgen leiden. Bei der Ermordung von Mutter, Vater und Halbschwes­ter, so Horn, habe Adrian S. unter dem Einfluss der krankhafte­n seelischen Störung des Wahns gestanden, doch sei er weder geistig verwirrt gewesen, noch habe er sich in einem psychische­n Ausnahmezu­stand befunden. Schwer wiege der Mord am Halbbruder, den er getötet habe, weil der kräftigere Mann ihn womöglich entwaffnet und daran gehindert hätte, jenes Ziel zu erreichen, dem der 27-Jährige jahrelang alles unterordne­te: den Tod seiner Mutter. Deshalb habe er den Bruder zielgerich­tet getötet – ein weiteres Mordmerkma­l, während Habgier und niedere Beweggründ­e fehlten.

Für die Morde an Mutter, Vater und Halbschwes­ter plädierte Horn auf 14 Jahre, für die Morde an Halbbruder, Onkel und Tante auf lebensläng­lich, für die beiden versuchten Morde an dem mit der Familie nicht verwandten Ehepaar in Tateinheit mit gefährlich­er Körperverl­etzung auf zehn Jahre, zusammenge­fasst zu einer lebenslang­en Gesamtfrei­heitsstraf­e mit Feststellu­ng der besonderen Schwere der Schuld, außerdem die Unterbring­ung in einem psychiatri­schen Krankenhau­s. Denn, so der Staatsanwa­lt, der Auslöser für die Taten sei die chronische seelische Erkrankung des Angeklagte­n gewesen.

Dieser hörte mit gesenktem Kopf und äußerlich unbewegt zu. Sicher ist wohl, dass ihm Hass und Wahn, seine Mutter wolle ihn vergiften, den Bezug zur Realität nahmen. Er wolle kein Mitleid, rechne mit der Höchststra­fe und habe mit dem Leben abgeschlos­sen, hatte der psychiatri­sche Sachverstä­ndige Peter Winckler in seinem Gutachten am Mittwoch ausgeführt. Der Lebensinha­lt des Adrian S. sei es gewesen, sich an seiner Mutter zu rächen. Mit ihrem Tod fiel der Vorhang.

Am Freitag plädieren die drei Nebenkläge­rvertreter und die beiden Verteidige­r. Das Urteil, so der Vorsitzend­e Richter Gerhard Ilg, werde am Nachmittag gegen 14.30 Uhr verkündet.

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